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Quelle: Tony Schönberg/ rbb

Beeskow (Oder-Spree) im Corona-Modus

"Man kann nur existieren, wenn andere Geschäfte geöffnet sind"

Corona hat den Einzelhandel fest im Griff. Während manche Unternehmer aufgrund des Angebots Gewinne verzeichnen, versuchen andere mit Innovationen dem Lockdown entgegenzuwirken. Auch in Beeskow wohnen Gewinner und Verlierer Tür an Tür.

Im Schaufenster liegen noch die Päckchen, mit denen er vor Weihnachten dekoriert hatte. Die dunklen Puppen daneben tragen graue Wintermäntel und Strickmützen. "Wir sitzen auf der Ware, in der unser Kapital gebunden ist", sagt Bastian Gierke. "Das Problem ist, dass jetzt schon neue Sachen für das Frühjahr kommen." So gestaltet sich die Lage für den Betreiber des Herrenmodegeschäfts "Krumnow", das seit 1924 am Marktplatz in Beeskow (Oder-Spree) ansässig ist. Der zweite Lockdown in der Corona-Pandemie ließ Gierke keine Wahl.

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Um die aktuelle Kollektion trotzdem loszuschlagen, hat der Unternehmer sich einiges einfallen lassen. Schon im ersten Lockdown hatte er einen Online-Shop eingerichtet. "An den Puppen mit unseren Outfits sind Preise und QR-Codes. So landet man auf unserer Homepage und kann die Ware direkt bestellen." Das Prinzip nennt Gierke "verlängertes Schaufenster". An seinen Scheiben hat er neben den Codes plakatgroße Anleitungen gestellt.

Ratgeber für die Zeit nach dem Lockdown

Was sich derzeit beim Herrenausstatter Krumnow abspielt, passiert in nahezu jeder deutschen Stadt. Gerade kleine Geschäfte wissen nicht, wie sie die Krise meistern sollen. Schon in den Jahren vor der Pandemie standen in den Innenstädten viele Läden leer. "Corona kann da wie ein Brandbeschleuniger wirken", sagt Frank Steffen, Beeskows Bürgermeister.

Frank Steffen (SPD), Bürgermeister von Beeskow | Quelle: Tony Schönberg/ rbb

Der SPD-Politiker macht sich Sorgen um die rund 70 Einzelhändler in seiner Stadt. Wenn er aus seinem Arbeitszimmer im Rathaus schaut, sieht er die dunklen Fenster rings um den Marktplatz. "Da ist eine depressive Stimmung unter den Händlern." Als Leiter der "Arbeitsgemeinschaft mit historischen Stadtkernen" hört Steffen ähnliche Klagen aus allen 31 Partnerstädten in ganz Brandenburg. Die AG wirbt unter einer gemeinsamen Marke für ihre Altstädte um Besucher [ag-historische-stadtkerne.de]. Doch der Lockdown ist ein herber Rückschlag.

Derzeit versucht die AG Beispiele zur Rettung der Innenstädte aus ganz Deutschland zusammenzutragen. Daraus soll ein Katalog mit Ratschlägen werden. "In Bad Münstereifel haben sie ein Outlet ins Zentrum geholt", sagt Steffen. "Es gibt gemeinsame Vermarktungsstrategien nach Vorbild großer Shopping-Center oder die Stadt stellt Mittel für die Ladenausstattung wie Markisen und Beleuchtung bereit." Zudem werbe die AG auf Messen und Veranstaltungsportalen mit ihrer Altstadt-Marke um Touristen. Für die Zeit nach Corona plant Steffen vor allem Feste und verkaufsoffene Sonntage, damit neues Leben entsteht.

Ein grüner Fleck im Winter-Grau

Doch auch in Beeskow gibt es Geschäfte, die von der Krise sogar profitieren. Klaus Mruk hievt wie an jedem Werktag Kisten mit Tomaten, Möhren oder Sellerie auf die Bretter seiner Auslage. Das Holzgestell hat sein Sohn gezimmert, sagt der 67-Jährige leicht außer Atem durch seinen Mundschutz.

Klaus Mruk vor seinem Hofladen am Beeskower Marktplatz | Quelle: Tony Schönberg/ rbb

Seit vier Jahren führt der gelernte Agrar-Ingenieur am Marktplatz seinen Naturkostladen. Er bietet regionales Gemüse und Demeter-Brot aus Cottbus an, im Wintergarten können die Kunden eine Tasse fair gehandelten Kaffee trinken - normalerweise. Denn im zweiten Lockdown musste auch Mruk seine Stühle hochstellen.

Trotzdem geht das Leben in diesem Hofladen weiter. Während Mruks Mitarbeiter im warmen Licht des Ladens den über den Boden rollenden Kartoffeln nachjagen, bleiben die angrenzenden Geschäfte in der Reihe sanierter Altbauten verwaist. "Wir sind nicht so betroffen und haben sogar zehn Prozent mehr Umsatz. Die Stammkunden kaufen auch weiterhin bei uns ein", sagt Mruk. Eine Entwicklung, die sich nicht nur in Beeskow finden lässt. Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung greifen rund 20 Prozent der Verbraucher in der Corona-Krise vermehrt auf regionale Lebensmittel zurück [www.bmel.de].

Nur gemeinsam gegen den Tod der Innenstädte

Bürgermeister Steffen sieht die Verbraucher sogar in der Pflicht, regional einzukaufen. Das fordere allerdings auch die Händler. Sie müssten sich mit Online-Angeboten und gutem Service den neuen Herausforderungen stellen. Ein Ratschlag, mit dem Herrenausstatter Krumnow wenig anfangen kann. Viele der Flaneure, die in Beeskow noch unterwegs sind, wüssten mit der Neuausrichtung nichts anzufangen. Und so rechnet Bastian Gierke allein im Januar mit Einbußen von bis zu 40 Prozent - trotz QR-Codes, Online-Shop und Abhol-Service.

Bastian Gierke vor seinem Modegeschäft in Beeskow | Quelle: Tony Schönberg/ rbb

Zwar habe der Ladenbetreiber volles Verständnis für die Corona-Maßnahmen, dennoch beteiligte er sich Anfang des Jahres an der bundesweiten Initiative "Wir machen AUFmerksam", um seine Situation deutlich zu machen. Der ganze Textil-Einzelhandel mit seinen Ängsten, Nöten und Sorgen werde von der Politik kaum berücksichtigt. Aber auch mehr Hilfen für sein Geschäft würden Gierkes Problem nicht lösen: "Man kann nur existieren, wenn auch andere Geschäfte geöffnet sind", sagt der Verkäufer. "Der Kunde kommt nur nach Beeskow, wenn er ein Angebot hat." Allerdings verhindert das momentan kein Politiker oder Verbraucher - sondern ein gefährliches Virus.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.02.2021, 10:30 Uhr

Beitrag von Tony Schönberg

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