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Audio: Inforadio | 16.04.2020 | Interview Nils Busch-Petersen | Quelle: dpa

Interview | Einzelhandelsverband Berlin-Brandenburg

"Jedes zweite Ladengeschäft ist akut existenzbedroht"

Nicht alle Geschäfte mussten während der Corona-Krise schließen, doch der Einzelhandel leidet. Lockerungen alleine würden dies nicht alsbald ausgleichen, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. 

Es darf ein wenig ein klein wenig lockerer zugehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Ab der nächsten Woche dürfen Geschäfte unter Auflagen voraussichtlich wieder öffnen, allerdings nur die mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern. Das ist der Kompromiss zwischen Bund, Ländern und der Wirtschaft. Die Einzelhändler hätten sich mehr Lockerung gewünscht. Fragen an Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg.  

rbb: Herr Busch-Petersen: Können Sie nachvollziehen, wie es zu dieser 800-Quadratmeter-Grenze gekommen ist?

Nils Busch-Petersen: Technisch kann ich das nachvollziehen, weil wir die einzelnen Papiere des gestrigen Tages parallel auf den Tisch hatten. Inhaltlich kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, weil wir uns eigentlich vorstellen, dass nach klaren, transparenten Regeln verfahren wird. Nämlich nach der Grundfrage. Kann ein Unternehmen das Abstandsgebot und die Hygieneregeln einhalten? Und wenn es das kann - egal wie groß es ist - dann sollte es die Möglichkeit haben, den Laden zu öffnen. Das ist nun leider nicht so, weil man sich auf eine etwas willkürliche Quadratmeter-Grenze beschränkt hat.

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Diese Entscheidung ist offenbar ein Kompromiss: Manche Ministerpräsidenten wollten die Grenze noch niedriger ansetzen, um zu verhindern, dass die Innenstädte voll sind mit Menschen, die shoppen gehen.

Das ist relativer Quatsch, den die Herren da erzählen. Unter dem Strich wird jetzt vor allem das Warenhaus diskriminiert. Die Warenhäuser in Deutschland haben einen Markt- und Frequenzanteil von knapp zwei Prozent. Wie soll davon eine große Gefahr ausgehen? Das ist schwer nachvollziehbar, insbesondere, weil es uns ja darum ging, hier ist die ganzen Regeln umsetzen zu können. Das können größere Häuser teilweise effizienter als kleine. Und es schafft eine neue Spaltung, wie wir sie eigentlich in Bezug auf die Warenhäuser seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr hatten in den Städten. Die Warenhäuser brauchen wie die kleineren Läden auch jede Sekunde Ladenöffnung zum Fortbestand ihrer Unternehmen.

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Es gibt große Shopping Malls, in denen viele kleine Läden sind. Wie soll das jetzt laufen?

Nach unserer Interpretation und auch nach einem Blick in die jeweiligen Landesverordnungen sehen wir das anders als Herr Söder in Bayern – auch wenn die vielleicht dort andere Vorschriften haben. Für uns ist das eine Ansammlung von einzelnen, selbständig betriebenen Ladengeschäften, und für jedes dieser Ladengeschäfte müssen dann die Kriterien gelten. Insoweit sehen wir das eigentlich so, dass die innerstädtischen Einkaufszentren geöffnet werden können. Die Kriterien sind übrigens von Land zu Land verschieden und ich hoffe, dass Berlin und Brandenburg sich in dieser Frage abstimmen. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch erst im Verlauf der nächsten Woche passiert, je nachdem, zu welchem Ergebnis die Landesregierungen auch in Abstimmung mit uns kommen.

Sie haben ein Ohr am Einzelhandel. Können Sie denn schon überblicken, wie es den Geschäften geht?

Das hängt von zwei Faktoren ab. Die Phase des Shutdowns hat schon zahlreiche nicht systemrelevante Geschäfte in Berlin und Brandenburg in einem Wirtschaftszweig, der traditionell eine dünne Eigenkapitaldecke hat, in ihrer Existenz gefährdet. Und nun wird  sich zeigen, wie die sich anschließend viel längere Durststrecke mit Einschränkungen, Beschränkungen, Zugangslimitierungen, sich auf die Erträge auswirkt. Mit Sicherheit sehr, sehr negativ, weil wir gar keine normalen Geschäfte betreiben werden. Wir respektieren alles, was aus Sicht der Epidemiologen geboten ist. Denn Gesundheit ist das höchste Gut. Aber ich sehe das Risiko für viele Handelshäuser auf der sich jetzt anschließenden Durststrecke mit eingeschränkten Geschäftsmöglichkeiten noch viel höher. Aus unserer Sicht ist zurzeit mindestens jedes zweite Ladengeschäft in Berlin und Brandenburg akut existenzbedroht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Nils Busch-Petersen führte Leon Stebe am 16.04.2020 um 09:05 Uhr für Inforadio. Dieser Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung des Gesprächs, das Sie oben im Beitrag als Audio hören können.  

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