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Video: Abendschau | 25.08.2020 | N. Siegmund | Quelle: dpa

Corona-Soforthilfen

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager der Investitionsbank Berlin

Rund 2.200 Verfahren sind in Berlin wegen Betrugs bei Corona-Soforthilfen eingeleitet worden. Hat die Investitionsbank Berlin unsauber gearbeitet? Nach rbb-Informationen wird gegen die Bank ermittelt - die Vorwürfe wiegen schwer. Von S. Adamek und N. Siegmund

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nach rbb-Informationen Ermittlungsverfahren gegen fünf Manager der Investitionsbank Berlin (IBB) eingeleitet, darunter IBB-Chef Jürgen Allerkamp. Wie Oberstaatsanwalt Martin Steltner der rbb-Abendschau und dem ARD-Politikmagazin Kontraste mitteilte, wird ermittelt, ob sich die Beschuldigten der strafbaren Untreue beziehungsweise Beihilfe zur Untreue schuldig gemacht haben. Ermittelt wird auch gegen den Generalbevollmächtigten der Bank und die Compliance-Beauftragte.

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Hilfsgelder nahezu ungeprüft verteilt

In Berlin gibt es aktuell 2.200 Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bei Corona-Soforthilfen für Selbstständige und Kleinunternehmer. Eine wesentliche Rolle dabei spielen offenbar gravierende Versäumnisse bei der IBB, die für die Bearbeitung der Anträge zuständig war. Wie bereits Ende Juni berichtet, wurden in keinem anderen Bundesland nahezu ungeprüft Fördergelder verteilt. In Berlin waren es etwa 1,3 Milliarden Euro.

Die Häufung an Betrugsfällen bei Corona-Soforthilfen in Berlin ist mutmaßlich auch eine Folge fahrlässiger Bewilligungen der zuständigen Landesbank. So hatte nach den Recherchen von Abendschau und Kontraste das Berliner Landeskriminalamt frühzeitig die IBB vor den Risiken gewarnt.

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Über ein Bundesprogramm hatten strauchelnde Selbstständige und Kleinunternehmer bis zu 9.000 Euro beantragen können; Firmen mit bis zu zehn Angestellten standen bis zu 15.000 Euro offen. Das Geld war als einmaliger Zuschuss gedacht, um laufende Kosten decken zu können. Nachdem der Bundesrat Ende März das Programm absegnete, konnte die Länder die Auszahlungen koordinieren. In Berlin wurden innerhalb von 48 Stunden 890 Millionen Euro an Soforthilfen ausgezahlt.

Interne Warnschreiben des Berliner LKA belasten die IBB

Bereits am 3. April, wenige Tage nach Beginn des Bundesförderung in Berlin, warnte der Chefermittler für Wirtschaftskriminalität die IBB. In einem Schreiben, das Kontraste und der Abendschau vorliegt, hieß es, dass die Berliner Landesbank die Antragssteller nur ungenügend ausleuchte. "Um den eintretenden Betrugsschaden zu minimieren, bitte ich um Prüfung, ob nicht zumindest einfache Prüfmaßnahmen eingeführt werden können, um missbräuchliche Antragsstellungen zu erkennen."

Fünf Tage später schickte das LKA eine Warnung an alle Hausbankfilialen in Berlin. "Aufgrund der fehlenden Prüfungen lädt das Antragsverfahren zu betrügerischen Antragsstellungen […] geradezu ein", hieß es darin. Am 14. April erhielten die Banken vom einen umfangreichen Katalog möglicher Anzeichen für betrügerische Anträge, den die Berliner Staatsanwaltschaft ausgearbeitet hatte.

Die Mitarbeiter der IBB schauten zunächst lediglich auf die angegebenen Bankverbindungen. Erst später änderte die IBB leicht ihre Vorschriften und fragte nun immerhin Steuernummern ab. "Wir wissen, dass die IBB aufgrund des politischen Willens hier keine großartigen Prüfungen am Anfang vorgenommen hat", sagt Frank Worm, beim LKA Berlin gegenüber Kontraste und Abendschau. "Dadurch ist natürlich die Tatgelegenheit zum Betrügen sehr groß gewesen."

Noch keine Reaktion der Wirtschaftssenatorin

IBB-Sprecher Jens Holtkamp teilte jetzt auf Anfrage mit, man sehe den "Ermittlungen gelassen entgegen". Die IBB teilt zudem mit, man habe "in enger Abstimmung mit dem Senat die Corona-Soforthilfe-Programme aufgesetzt und bearbeitet". Gemeint ist damit vor allem Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis 90 / Grüne), sie ist zugleich Vorsitzende des Verwaltungsrates der IBB. Von ihr liegt derzeit noch keine Reaktion vor.

Auch Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sagte am Dienstag nach einer Senatssitzung, er schaue diesen Ermittlungen "gelassen entgegen". Weiter verteidigte er das Vorgehen der IBB: Der Anteil der wegen Betrugs eingeleiteten Ermittlungsverfahren am Gesamtvolumen der Auszahlungen liege bei unter einem Prozent, betonte er: "Ich würde mich wieder für dieses Konzept entscheiden, das wir auch mit der Bundesregierung diskutiert haben."

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hätten vorgegeben, dass zunächst ausgezahlt und dann kontrolliert werden solle. "Wir haben das besser umgesetzt als andere Länder, es gab auch weniger technische Angriffe auf unsere Systeme", so Kollatz. "Dadurch konnten wir schneller auszahlen. Es gab Stichproben und Vorselektionen - und auch schon Rückzahlungen von unrechtmäßig erhaltenen Corona-Hilfen von 200 Millionen Euro. Es ist uns also gelungen, das zu identifizieren."

Sendung: Abendschau, 25.08.2020, 19:30 Uhr

Beitrag von Sascha Adamek, Norbert Siegmund

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