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Audio: Inforadio | 23.12.2020 | Sebastian Schöbel | Quelle: dpa/Fabian Strauch

Corona-Soforthilfe

Berlins milliardenschwerer Rettungsring schwimmt - noch

Berlins Strategie bei der Corona-Soforthilfe war umstritten: Die Millionen flossen schnell, aber ohne große Kontrolle. Rückblickend halten die Verantwortlichen den Weg dennoch für richtig - besonders nach den zähen Erfahrungen mit der November-Hilfe. Von Sebastian Schöbel

Erst auszahlen, dann nachfragen: Für diese Strategie bei der Corona-Soforthilfe musste sich der Berliner Senat viel Kritik anhören, weil fehlende Kontrollen Betrügern Tür und Tor geöffnet hätten - die Staatsanwaltschaft ermittelt deswegen noch immer gegen die Verantwortlichen bei der Investitionsbank Berlin.

Doch seitdem klar ist, dass die November-Hilfe des Bundes wegen massiver Softwareprobleme erst im Januar kommt, fühlt sich die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bestätigt. "Weil wir gesagt haben: Schnell helfen und hinterher prüfen. Und ich appelliere an den Bund, dass die Gelder schnell in die Auszahlung kommen. In Aussicht stellen ist noch lange kein Geld auf dem Konto", sagt Pop. Bis Ende Dezember waren von der November-Hilfe laut IBB lediglich rund 19.000 Abschlagszahlungen in Höhe von 75,7 Millionen Euro geleistet worden. Davon seien 10 229 Anträge über 61,3 Millionen Euro an Unternehmen gegangen, weitere 8.800 Anträge über 14,4 Millionen Euro an Soloselbständige.

Mehr als ein Dutzend Hilfsprogramme

Insgesamt 15 Corona-Hilfsprogramme wurden seit Beginn der Pandemie durch die Investitionsbank Berlin IBB aufgesetzt, rund 225.000 Anträge wurden bearbeitet - die allermeisten davon im Mammutprogramm Soforthilfe II. 2,1 Milliarden Euro wurden bislang ausgezahlt.

"Damit glauben wir, rund 380.000 Arbeitsplätze gesichert zu haben", sagt IBB-Chef Jürgen Allerkamp. "Vom Prinzip her war es richtig, schnell zu handeln, und aufgrund der technischen Möglichkeiten haben wir den besten Weg gewählt. Da passt auch kein Blatt zwischen Auftragserteilung und Auftragserfüllung." Fast 160.000 Solo-Selbstständige seien gefördert worden, so die IBB.

170 Millionen Euro Coronahilfe wurden laut IBB bisher wieder zurückgezahlt - und zwar nicht nur von reuigen Betrügern, sagt Allerkamp, sondern oft auch von Antragstellern, die die Coronahilfe dann doch nicht brauchten oder selbst gemerkt haben, dass sie keinen Anspruch haben. Dass es dennoch über 2.000 Verfahren wegen des Verdachts auf Betrug gibt, hält IHK-Chefin Beatrice Kramm für vertretbar. "Das war der Preis, den wir zahlen mussten, damit schnell geholfen wurde."

Was Kramm bemängelt ist der zum Teil hohe bürokratische Aufwand für Antragsteller. Zudem habe es zu lange keine Hilfe für mittelständische Unternehmen gegeben. "Da ist leider ganz lange gar nichts passiert. Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern mussten sehr lange warten, bis sie eigene Hilfsprogramme bekommen haben."

So sieht es auch der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff. Zwar sei es gut, dass Berlin zunächst auf Tempo setzte bei der Coronahilfe, vor allem für Soloselbstständige. Doch das Tempo sei nicht durchgehalten worden, so Gräff - und nun seien durch den erneuten Lockdown etliche Einzelhändler in akuter Gefahr. Die bräuchten sofort Geld, zur Not über Abschlagszahlungen. "Sonst wird das gerade für Städte wie Berlin eine Katastrophe. Berlin wird danach anders aussehen, und das ärgert mich gerade massiv."

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Bis Jahresende laufen noch Sofort- und Überbrückungshilfe für Soloselbstständige sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Außerdem bereitet das Land Berlin Auszahlungen für Wirte vor, 400 Anträge liegen laut IBB bereits vor. Darüber hinaus beteiligt sich die IBB über eine Tochtergesellschaft weiterhin an Start-Ups, um sie durch die Pandemie zu bringen. "Da ist Berlin einen Sonderweg gegangen", sagt IBB-Chef Allerkamp. Bislang habe man 2020 gemeinsam mit Investoren rund 50 Millionen Euro in 82 junge Unternehmen gesteckt. "In einem Normaljahr sind es zwischen 16 und 18", so Allerkamp. Außerdem wurden sechs Berliner Modelabels mit insgesamt 300.000 Euro unterstützt. Weitere elf Anträge von Labels über insgesamt 600.000 Euro sind laut IBB bereits in Bearbeitung.

Ein Ende ist laut IBB-Chef Allerkamp jedoch noch längst nicht in Sicht. "Die Coronahilfen werden uns noch auf Jahre beschäftigen." So würden etwa die knapp 1.000 Darlehen, die über das allererste Soforthilfeprogramm vergeben wurde, in zwei Jahren fällig. Es geht um einen Betrag von isgesamt rund 105 Millionen Euro. "Da wird es viele Fälle geben, da wird man um das Überleben der Unternehmen ringen müssen."

"Jede Krise hat Chancen"

Auch IHK-Chefin Kramm ist skeptisch: Zwar wurde die Insolvenzantragspflicht noch einmal bis Ende Januar 2021 ausgesetzt, doch damit könnte das böse Erwachen nur aufgeschoben sein. "Die Ruhe vor dem Sturm", sagt Kramm. "De facto wissen wir nicht, wie viele Unternehmen jetzt eigentlich Insolvenz beantragen müssten, und wir wissen nicht, wie schlimm es um die Unternehmen steht."

Dennoch glaubt Berlins IHK-Chefin an die Fähigkeit der Wirtschaft, sich neu zu erfinden, vor allem in Berlin. "Das wird ein Neustart werden", sagt Kramm. "Jede Krise hat Chancen."

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