Fälle von Steuergeldverschwendung - Schwarzbuch kritisiert Berliner Corona-Soforthilfen und Flussbad

Di 27.10.20 | 13:14 Uhr
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ARCHIV - 03.07.2016, Berlin: Teilnehmerinnen am «Berliner Flussbad Pokal» schwimmen in der Spree. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Audio: Inforadio | 27.10.2020 | Anja Dubrondinsky | Bild: dpa/Paul Zinken

Jahr für Jahr prangert der Bund der Steuerzahler zahlreiche öffentliche Investitionen als "Verschwendung" an, und erneut wird er in seinem aktuellen Schwarzbuch auch in Berlin fündig. Dabei stehen Corona-Soforthilfen und ein Flussbad im Fokus.

Der Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) hat am Dienstag in Berlin sein aktuelles Schwarzbuch [schwarzbuch.de] vorgestellt. Aufgelistet werden erneut öffentliche Investitionen, bei denen nach Einschätzung des BdSt Geld verschwendet wurde.

Unter den bundesweit 100 angeführten Beispielen sind auch zwei aus Berlin. Zum einen prangert das Schwarzbuch 2020/21 die vom Land Berlin veranlassten Corona-Soforthilfen für Solo-Selbständige und Kleinunternehmer an. Zum anderen kritisiert der BdSt, dass das Land Berlin nach wie vor an dem millionenschweren Vorhaben des Spreebads nahe der Museumsinsel festhält.

"Fehlende Kontrollen riefen Betrüger auf den Plan"

Zu den Corona-Soforthilfen bemerken die Autoren des Schwarzbuchs, das Land Berlin habe andere Bundesländer bei der Ausschüttung von Corona-Soforthilfen übertroffen. "Fehlende Kontrollen riefen Betrüger auf den Plan. Weiche Kriterien begünstigten auch jene Antragsteller, die nicht unbedingt auf Fördermittel angewiesen waren. Berlin hat die Soforthilfen II bereits 72 Stunden vor der Bekanntgabe der Kriterien durch den Bund für einen zu großen Empfängerkreis und ohne ausreichende Antragsprüfungen gestartet - und damit viel zu überstürzt gehandelt", meint der BdSt.

Bis zum Ende des Programms habe die Investitionsbank Berlin insgesamt knapp 1,8 Milliarden Euro an 212.455 Antragsteller ausgezahlt, aber auch rund 28.000 Anträge abgelehnt. "Immerhin konnte die IBB Mitte Juli davon berichten, dass 16.352 Antragsteller Zuschüsse in Höhe von 109 Millionen Euro zurückgezahlt hätten und für alle rund 246.000 Anträge inzwischen ein kompletter Datenabgleich mit den Finanzämtern durchgeführt worden ist", bemerkt der BdSt abschließend.

Flussbad in der Spree - "utopisches Projekt"

Neben der Corona-Soforthilfe versenke das Land Berlin mit dem Flussbad im Spreekanal viele Millionen Euro, bemängelt das Schwarzbuch weiter. "Das Mega-Projekt eines Flussbads in der Spree gehört zu einem 2019 beschlossenen Stadtumbauprojekt des Berliner Senats. Eine erste Kostenprognose über 77 Millionen Euro lässt Schlimmes befürchten: Das Projekt ist utopisch", meinen die Kritiker des BdSt. Allein die Freitreppe zum Ufer koste knapp 6,5 Millionen Euro. "Die schieren Ausmaße dieses Bauwerks lassen den Bund der Steuerzahler aufhorchen", heißt es weiter.

Das Konzept für das Flussbad sieht vor, dass in dem Spreearm zwischen Bode-Museum und Auswärtigem Amt auf 830 Metern geschwommen werden soll. Neben der Freitreppe am Humboldt-Forum soll es eine weitere an der "European School of Management and Technology" geben, also gegenüber des Auswärtigen Amts. Ab wann gebaut wird, ist noch unklar. Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es zuletzt, dass es bis zu 20 Jahre dauern könnte, bis das Flussbad fertig ist.

Schwarzbuch zeigt auch auf Schönefeld

Auch in Brandenburg finden die Autoren des Schwarzbuchs einen Fall von Steuerverschwendung, der aber dem Verantwortungsgebiet des Bundes zugeordnet wird: das Regierungsterminal am BER-Flughafen in Schönefeld (Dahme-Spreewald). Kritisiert wird die erst für 2032 erwartete Eröffnung des dann komplett fertigen Gebäudes. Im Interims-Regierungsterminal am Flughafen BER in Schönefeld, das bereits eröffnet worden ist, seien bislang keine Luftfahrzeuge stationiert. "Erst mit der Fertigstellung des dauerhaften Regierungsterminals in Schönefeld soll die zersplitterte Flugbereitschaft komplett am BER-Standort zusammengezogen werden. Bis dahin wird es weiterhin Tausende unnötiger Leerflüge zwischen Köln und Berlin geben", kritisiert der BdSt.

Allein für die zwischenzeitliche Bewachung des ungenutzten Interimsterminals seien "Kosten von mehr als 2,3 Millionen Euro angefallen. Auch wird das Interimsgebäude in Schönefeld vorerst keinen Platz bieten, um Flugzeuge oder Hubschrauber dort dauerhaft zu stationieren; stattdessen wird das Verteidigungsministerium für viel Steuergeld von Privatfirmen über viele Jahre hinweg Hallenplätze am BER anmieten müssen, um zumindest zeitweise einige kleinere Flugzeuge vor Ort zur Verfügung haben zu können", heißt es im Schwarzbuch weiter.

BdSt steht in der Kritik

In den vergangenen Jahren mehrte sich derweil die Kritik am Schwarzbuch des BdSt. So verwies der Bundesrechnungshof darauf, dass sich die Vorwürfe des Steuerzahlerbundes nicht immer durch Fakten erhärten ließen. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass der Verein eher wirtschaftsliberale Interessen als die Anliegen aller Steuerzahler vertrete. Dabei wird eine Studie des Berliner Politikwissenschaftlers Rudolf Speth aus dem Jahr 2008 [lobbycontrol.de] angeführt. In der für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung angefertigte stellt Speth fest, der Bund der Steuerzahler nehme zwar für sich in Anspruch, für alle Steuerzahler zu sprechen. Seine Mitgliederschaft bestehe aber überwiegend aus Kleingewerbetreibenden und Freiberuflern. Diesen Gruppen gelte das Hauptaugenmerk seiner politischen Forderungen.

Die Studie hatte ergeben, dass etwa 60 Prozent der BdSt-Mitglieder Unternehmer und Unternehmen sind, weitere 15 Prozent Freiberufler. Diese Mitgliederstruktur schlage sich nach Speth auch in den politischen Forderungen des Steuerzahlerbundes nieder: Ein schlanker Staat und niedrige Steuersätze gelten als Allheilmittel.

Sendung: Abendschau, 27.10.2020, 19:30 Uhr

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12 Kommentare

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  1. 12.

    Ah ja, das Flussbad. Haben Sie mal nachgedacht, wie sich das am Ende darstellt? Wo kommen die Umkleidekabinen hin, oder kann man sich im Humboldforum umziehen und nach dem Museeumsbesuch kommod ins Wasser hüpfen? Über die Freitreppe gleich neben dem Nationaldenkmal für die Deutsche Einheit? Macht sich bestimmt gut, besonders mit Pommesbude. Das Projekt ist spätestens nach seiner Vollendung eine neue, wunderbare, wenn auch teure Gelegenheit für Berlin, sich lächerlich zu machen. Und das für mindestens 77 Millionen, mit denen man Schwimmbäder bauen und renovieren könnte. Übrigens sind so weit wie ich weiß 4 Millionen schon verbraten für, ja für was eigentlich?

  2. 11.

    "Die Freitreppe steht der unmittelbaren Umgebung gut zu Gesicht, daran ist ebensowenig Verwerfliches, wie ein Flussbad einzurichten."
    Na ja, ob das unbedingt nötig ist, mag dahingestellt sein. Ob man aber in Zeiten einer Pandemie Millionen an Steuergeldern dafür verbraten muss, während die Wirtschaft am Abgrund steht, möchte ich doch bezweifeln.

  3. 10.

    Durch seine Namensgebung gibt sich der Bund der Steuerzahler eine Aura einer neutralen Instanz. Das ist er zweifellos nicht. Hat er bislang Zurückhaltung geübt und sich weitestgehend auf tatsächliche Ungereimtheiten bezogen, die weitestgehend unstrittig sind, scheint er jetzt die Zeit für gekommen zu halten, zu politisieren: Die Freitreppe steht der unmittelbaren Umgebung gut zu Gesicht, daran ist ebensowenig Verwerfliches, wie ein Flussbad einzurichten.

    Auch die Rechnungshöfe, die zweifellos eine neutrale Instanz sind, scheinen sich mittlerw. in derlei Bereiche vorzuwagen und dies um einer billigen Effekthascherei willen. Wird aus politischen Gründen beschlossen, vor Ort Arbeitsplätze zu erhalten und geht die Auftragsvergabe zumindest teilweise dorthin, stehen die Rechnungshöfe hinterher "auf der Matte", um zu bekunden, dass der Auftrag doch von woanders billiger abzuarbeiten gewesen sei.

    Es liegt dabei auch am Verhalten von Bürgern, wem sie wann Beifall zollen.



  4. 9.

    Ich fühle mich von diesem Verein nicht im Geringsten vertreten. Was leistet er denn, was die Rechnungshöfe nicht leisten? Nachrechnen, das Berlin hat zu viele Schwimmbäder hat? Oder zu viele Flughäfen? Zu viele Unternehmen, denen es durch Corona richtig gut geht? Öffentliche Ausgaben sind kein Nullsummenspiel, man bekommt etwas zurück, und das ist politisch gewollt, und mitbestimmt durch die Bürger, welche laut Verfassung das Sagen in diesem Staat haben. Ob einer mehr oder weniger Steuern zahlt, ist seit Abschaffung des Zensuswahlrechts irrelevant, denn das Steuern zahlen ist eine Pflicht nach Art. 14 GG, und "erkauft" keine erweiterten Mitspracherechte. Warum stehen Kramp-Karrenbauers milliardenteure Atombombenflugzeuge aus amerikanischer Produktion nicht auf dieser Liste? DA könnte man RICHTIG Geld sparen. Statt dessen sehe ich Wohnungsbau, Infrastruktur, Datenschutz... alles Bereiche, aus denen nicht der letzte Cent herausgequetscht werden muss, und das sage ich als Steuerzahler!

  5. 8.

    Ob dieses Buch jährlich erscheint oder nicht interessiert von den Leuten die die Steuern verschwenden kein Schwein. Die machen weiter und werden für ihr Tun nie zur Verantwortung gezogen. Es ist schade um die Arbeit und das Papier. Es regen sich am Ende nur die Leser auf mit der Gewissheit es ändert sich ja sowieso nichts. Auch ich habe lange gebraucht um das zu erkennen. Es ist nich gewollt

  6. 7.

    Das glaube ich nicht, weil Mitglieder dieses Vereins sich schon über ihre Lobby-Arbeit Gehör verschaffen, wie ich mal vermute.

  7. 6.

    Seine Erkenntisse über die Leerflüge zwischen Berlin und Köln-Bonn sollte der Bund der Steuervermeider, pardon, der Steuerzahler, doch gerne mal drucken und in Bonn plakatieren sowie in der Fußgängerzone dort verteilen. Gerne auch die Landesregierung in NRW. einbinden. Die Anregungen werden bestimmt dankbar aufgenommen.

  8. 5.

    Ich glaube kaum dass es einen Politiker interessiert.

  9. 4.

    Ich frage mich ob dies die Politiker überhaupt interessiert. Ich tippe mal auf ein klares: NEIN.

  10. 3.

    Warum kommt die Kritik am Bund deutscher Steuerzahler erst am Ende?
    Viele lesen den Artikel nicht bis unten. Damit gebt ihr dem BdSt eine größere Legitimität als dieser Quatschverein verdient hat
    Die Einordnung bitte am Anfang des Artikels!

  11. 2.

    der Bund der (Kapitalertrags-)Steuerzahler zeigt gerne mit den Finger auf die Verwaltungen, und wenn sie das Wort Vermögenssteuer hören dann toben sie so wie Rumpelstilzchen, nachdem die Königin seinen Namen sagte

  12. 1.

    Aber nicht der Bund d.S. entscheidet was Sinn macht und was nicht. Völlig überbewertet.

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