Soforthilfe für Berliner Start-ups - Der Rettungsring mit Rendite-Erwartung

Fr 20.11.20 | 08:49 Uhr | Von Sebastian Schöbel
Durch die Silhuette einer Einhorn-Schachfigur ist ein Büro zu sehen. (Quelle: rbb/S. Schöbel)
Audio: Inforadio | 20.11.2020 | Sebastian Schöbel | Bild: rbb/S. Schöbel

Im Zuge der Coronakrise leiden auch viele Berliner Start-ups: Die jungen Unternehmen sind kaum am Markt und oft noch nicht profitabel, müssen aber nun bereits eine Existenzkrise überstehen. Der Staat hilft - indem er Anteilseigner wird. Von Sebastian Schöbel

Therese Köhler kann überraschend ehrlich sein für eine Firmeninhaberin. Die 30-Jährige lächelt in die Kamera ihres Laptops, über den sie per Videoschalte aus dem Homeoffice ihr Unternehmen Heycater führt, und sagt: "Wenn ich Investor wäre, würde ich gerade nicht in den Catering-Sektor investieren."

Erstaunlich daran: Köhlers Firma ist eine Plattform, die Catering-Anbieter und Kunden vor allem aus der Veranstaltungsbranche zusammenbringt. Von der Corona-Pandemie ist Heycater also gleich doppelt erwischt worden: Seit Monaten gibt es kaum Events, und der Gastronomiebereich liegt am Boden. Vor allem das Frühjahr war hart, sagt Köhler. "Wir haben 95 Prozent unseres Geschäfts verloren. Es kam wochenweise fast bis zum Stillstand." Köhler musste Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken.

Aus der Krise mit Innovationen herauskommen

Dabei hatte das 2015 gegründete Unternehmen Anfang des Jahres gerade eine neue Finanzierungsrunde gestartet, wollte Geld von Investoren einsammeln. Dann kam Corona, erinnert sich Co-Geschäftsführer Henrik Piroth. "Corona hat uns mitten im Fundraising getroffen. Wir hatten danach schon ernsthafte finanzielle Sorgen."

Inzwischen aber hat sich Heycater berappelt. Weil man schnell reagiert habe, sagt Piroth: mit konsequenter Digitalisierung und innovativen neuen Angeboten. Verpflegungsboxen zum Beispiel, die Firmen ihren Mitarbeitern ins Homeoffice schicken können. "Wir haben virtuelle Veranstaltungen aus dem Boden gestampft. Und wir haben auch eine App entwickelt, für Frühstück und Mittagessen im Büro, wo die Bestellung gebündelt beim Caterer eingeht."

Vor allem aber bekam Heycater Hilfe der öffentlichen Hand: erst durch Überbrückungshilfen, und nun seit ein paar Wochen über das Beteiligungsprogramm der Investitionsbank Berlin. Die unterstützt Investoren, die jetzt Geld in Start-ups stecken, mit bis zu 800.000 zusätzlichen Euro.

Investition statt Almosen

Das ist aber kein Zuschuss oder Darlehen, erklärt Florian Kosak vom Start-up Unicorn: Die Hilfe kommt in Form von Wandelanleihen. "Die IBB hält also am Ende Anteile an diesem Unternehmen. Warum? Weil sie davon profitiert, wenn ein Unternehmen verkauft wird oder profitabel wird. Dann bekommt man die Gewinnausschüttungen oder Exit-Erlöse."

Kosaks Unternehmen vermietet Büroflächen und Co-Working-Spaces in mehreren Städten, darunter München und Berlin. Unicorn war das allererste Start-up, das Geld über das IBB-Beteiligungsprogramm erhielt, sagt er. Natürlich habe man auch die IBB-Banker überzeugen müssen, dass Unicorn eine gute Investition sei, so Kosak. Vor allem aber stellt die IBB eine Grundbedingung: Ein erfahrener privater Investor muss mit an Bord und mindestens 20 Prozent aus eigenen Mitteln beisteuern. Akzeptiert werden dabei nur Investoren, die bei der IBB akkreditiert sind, die man also gut kennt. Denn am Ende, so Kosak, geht es natürlich um das Geld des Steuerzahlers.

Bislang 18 Millionen Euro investiert

"Die Rendite steht hier nicht im Vordergrund", sagt Wilhelm Reiß, Projektleiter für die Start-up-Hilfen der IBB auf Nachfrage des rbb. "In erster Linie geht es darum, Unternehmen aus dieser unverschuldeten Krise herauszuhelfen." Allerdings müssten Investitionen mit öffentlichen Mitteln sorgsam geprüft werden, so Reiß. "Wenn die Unternehmen sich dann gut entwickeln und sich nach überstandener Krise ein lukrativer Exit für uns ergibt, so soll uns das natürlich recht sein."

Chancen für einen profitablen Exit nach geschaffter Rettung wird es wohl häufiger geben. Laut IBB wurden über die insgesamt drei verschiedenen Beteiligungsprogramme der Bank bislang bereits fast 18 Millionen Euro in 34 Start-Ups investiert.

Die meisten Anträge, 17 insgesamt, wurden bislang direkt über die Tochtergesellschaft IBB Ventures bewilligt, mit einem Gesamtvolumen von 7,2 Millionen Euro. Auch hier geht der Weg über verschiedene Beteiligungsformen, der Fokus liegt aber vor allem auf Technologieunternehmen oder Unternehmen der Kreativwirtschaft. 14 Start-Ups werden über das Beteiligungsprogramm unterstützt, an dem auch Unicorn und HeyCater teilnehmen. Hier sind bisher 8,2 Millionen Euro geflossen. Weitere drei Firmen haben sogenanten Nachtragsdarlehen erhalten. Hier wurden bislang 1,8 Millionen Euro eingesetzt.

Insgesamt liegen laut IBB bereits 164 weitere Anträge auf Förderung von Berliner Startups vor.

Zwischen Rettung und Rendite

Unicorn, da ist sich der junge Gründer sicher, wird kein Verlustgeschäft. "Tatsächlich bin ich überzeugt, dass es für den Staat in zehn Jahren das beste Geschäft sein wird, das er machen konnte." Denn der Markt für Bürovermietung und flexible Co-Working-Angebote bleibe profitabel, sagt Kosak, gerade in Berlin. Die Auslastung bei Unicorn sei zuletzt bereits wieder gestiegen, trotz Corona-Pandemie. Bei seinem Unternehmen sei es deswegen auch nicht so sehr ums wirtschaftliche Überleben gegangen, sagt Kosak, sondern um langfristige Entscheidungen. "Finanzierungen abzuschließen ist aktuell schwierig. Investoren wissen das und können die Konditionen diktieren. Die IBB verschafft einem Zeit, um Finanzierungen in Ruhe zu verhandeln." Sprich: Man muss sein Unternehmen nicht zum Spottpreis an einen Investor verhökern, um weitermachen zu können.

Für Catering-Vermittlerin Therese Köhler ging es hingegen durchaus um die Existenz, als die IBB sich engagierte."Ich glaube fest daran, das uns das auf eine gewisse Art und Weise gerettet hat." Jetzt habe Heycater die Mittel, um noch konsequenter in die notwendigen Technologien und Angebote zu investieren - und um damit auch ihren Partnern in der Gastronomie Chancen zum Weitermachen zu bieten.

Auch Köhler ist sich sicher: Heycater wird für das Land Berlin kein Verlustgeschäft. Die Beteiligung werde sich auszahlen. Warum sie das denkt? Vielleicht, sagt Therese Köhler, weil gerade Gründerinnen und Gründer einfach immer optimistisch sind und wissen, wie Lage man auf Erfolg warten muss. Das zeige sich gerade jetzt, in der Krise. "Wenn wir das nichts sind, wer dann?"

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Beitrag von Sebastian Schöbel

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