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Quelle: rbb/Ruwoldt

Reportage | BER in Betrieb

Ein bisschen fliegen

Am BER wird ein- und ausgescheckt, es gibt Arbeit, weil vieles dreckig wird, es wird geflogen und es wird verkauft. Allerdings: Von alldem könnte es ruhig noch mehr geben. So richtig jubeln tut hier keiner. Von Stefan Ruwoldt

Der BER ist viel sicherer als Tegel. Das jedenfalls findet Fethye Sönmez. Und ihre Kollegin Tamara Kutanoski pflichtet ihr bei: "Sehr sicher." Die beiden sitzen in Arbeitskleidung vor dem Flughafen und machen Frühstück. Dass hier - noch ein bisschen früher am Morgen - um sechs der erste Flieger abging, ein richtiger Start also mit Check-in, Einkauf im Duty-Free, Warten am Gate und dann über die Plastikröhre rein in den Flieger, das haben die beiden nicht bemerkt.

"7 bis 14 Uhr", sagt Fethye. Und Tamara pflichtet ihr bei: "Gestern auch", sagt Tamara. Fethye schüttelt den Kopf auf die Frage, wie denn der Moment gewesen sei, als am Samstag das erste Flugzeug hier landete. Von der Landebahn sehen die beiden Reinigungskräfte nichts. "Wir arbeiten innen."

Quelle: rbb/Ruwoldt

Der Kapitän hatte schlechtes Wetter

Sie hatten an diesem Eröffnungstag ihren ersten Arbeitstag am BER, so wie Thomas Wilpert seine erste Landung hier hatte. Wilpert sprach später zu den Reportern über die Sicht auf der Landebahn, und dass die Landebahnen von oben eigentlich wie ein "H" aussehen. Aber der Regen sorgte für schlechte Sicht.

Fethye und Tamara erzählen von den Scheiben, die dreckig sind, und zwar ständig. Außerdem brauchen sie jetzt jeden Morgen eine Stunde zum Flughafen. Zurück auch. Nach Tegel waren es 20 Minuten. Ihre Männer haben auch Jobs am Flughafen. Der eine ist in Kurzarbeit, der andere hat "normale" Arbeit. "Wir sind wirklich froh, dass wir hier arbeiten können", erklärt Tamara Kutanoski und sieht dabei Fethye Sönmez an. "Andere kamen nicht mit rüber von Tegel, sie wurden entlassen."

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Das Geheimnis der Schlange

Am Check-in-Schalter 5 ist eine Schlange, eine typische sich windende, schiebende aber eigentlich sehr ruhig wartende Masse. Ein wenig abseits steht eine Frau mit einem Tablet und tippt. Als ORAT-Mitarbeiterin stellt sie sich vor, macht ein wenig skeptische Bemerkungen über die fehlenden Sicherheitsabstände und über den für sie unverständlichen Reisestress trotz Corona und deutet an, dass hier "die Abläufe beobachet" werden. Seit April arbeitet sie am BER, doch was sie genau beobachtet, darf sie nur ihrem Chef erzählen, wie sie sagt. Nach wenigen Minuten dann kommt der Chef, öffnet einen Anzugknopf, atmet tief ein und sagt: "Keine Informationen." Die Rätsel der Schlange sind ein Betriebsgeheimniss.

Ab nach Schweden

In der großen Abflughalle sitzen Robin Öhlin und Sabrina Baasner an einem noch nicht geöffneten Gate und warten. Sie reisen aus. "Wir ziehen endgültig nach Schweden, Stockholm, Södermalm", sagt Sabrina Baasner. Sie schickt ihrer Aussage ein festes Nicken hinterher: "Wir wären eigentlich gestern schon geflogen, aber wir mussten mit der Hausverwaltung etwas klären." Dass sie nun hier vom BER abheben, am ersten Check-in-Tag ist ihr dabei egal. "Unserem Taxifahrer aber war es nicht egal, es war seine erste Fahrt hierher. Er war aufgeregt."

Robin Öhlin zuckt leicht mit den Schultern und will offenbar über den BER etwas nettes sagen: "It looks nice", sagt er und korrigiert sich dann, weil er wohl übertrieben hat: "Looks okay." Ihn kümmere es nicht, von wo er abfliege. Dann denkt er noch ein bisschen nach und erklärt, dass der neue Flughafen ihn an Heathrow erinnere. "Nur kleiner. Deutlich kleiner", schickt er hinterher.

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Viel Platz beim Warten auf den Flug

Anke Fink ist schon weiter als die beiden. Sie ist durch mit der Sicherheitskontrolle und froh, jetzt auf ihr Flugzeug ganz in Ruhe und ohne die vielen Besucher und die Serviceleute rundherum zu sein. "Wenn du da überall durch bist, haste Platz." Dass es dann vielleicht über die eine ganz neue Startbahn in die Luft geht, oder über die andere nicht mehr so ganz neue, ist ihr egal. Rund anderthalb Stunden später wird sie dann zusammen mit Robin und Sabrina in Stockholm landen. "Mal gucken", sagt sie dann noch. Gate B03 weist die Anzeige für den Flug EJU5215 nach Stockholm aus. Es ist ein A320 Neo. 14.25 Uhr hebt er ab.

Den Check-in der Maschine beobachtet Benjamin Salge. Er ist zusammen mit einem Freund aus Bremen nach Berlin gekommen, "um das hier alles mal anzugucken." Er ist auf der Aussichtsplattform unterwegs, schüttelt den Kopf über den "überteuerten Kaffee" und staunt über Reihen abgestellter Flugzeuge hinter dem Turm der Flugüberwachung. Er ist sich sicher , das der Flughafen schon bald zu klein ist, "für so eine große Stadt". Allerdings findet er, "dass hier alles angenehm fürs Auge" ist. Traurig findet Benjamin Salge, dass der BER in der "größten Krise aller Zeiten" öffnet.

Das Abheben in Hochformat

Zusammen mit den meisten Besuchern auf der Terrasse drängt Benjamin Salge dann in die nördlichste Ecke der Plattform, wo gerade eine Maschine von der Gangway getrennt wird. Er beugt sich schwer zu Seite, zieht den Bauch ein und fingert sein Handy aus der Hose. Neben ihm stehen vier, fünf weitere Männer mit Handys, Kameras mit Teleobjektiven und manche sogar mit Stativen. "Oh, da hebt ja jetzt eine ab", ruft Salge und drückt ab. Hochformat, Querformat, Querformat und noch mal hoch. Als er sich die Bilder betrachtet sagt er leise: "Ich bin schon lange nicht mehr geflogen." Dann verlässt er die Aussichtsplattform.

Unten drängen sich die Passagiere aus Palma de Mallorca durch Ausgang 1. Und gegenüber am Corona-Teststand bildet sich eine lange Schlange. Hakan Sorgec hat sein Reisebüro zwei Läden weiter. Seine Tagesbilanz lautet: "Drei!"

Drei Flüge nach neun Jahren Warten

"Es war unser erster offizieller Tag", fügt er hinzu weist mit einigem Stolz auf ein großes beleuchtetes Wandbild mit einer Palme an einem Strand mit einem Liegestuhl im strahlenden Sonnenschein. Ein Ehepaar fotografiert sich mit der Palme im Rücken und Hakan Sorgec winkt. Das Ehepaar dreht ab und Hakan Sorgec sagt noch einmal: "Drei", als könne er es selbst nicht glauben. "Fuerte, Lanzarote, Türkei."

Dann wechselt er das Thema: "Was sie hier sehen, ist alles von 2011. Zwischendurch war es schon mal abgebaut, aber vom Prinzip her: 2011! Und: Naja, jetzt ist er offen. Der BER. Ein bisschen jedenfalls." An den nächsten Tag aber, sagt er, will er jetzt gar nicht denken. Er scheint fröhlich zu sein, breitet fast jedem Vorbeigehenden die Arme entgegen, aber wenn er spricht, wird sehr schnell klar, dass es aktuell um sein Geschäft am BER nicht sehr viel besser steht als 2011. Auch wenn der Flughafen zumindest diesmal nicht dafür kann, dass er hier heute nur ganze drei Flüge verkauft hat, hat er nicht viel übrig für den BER selbst. "Weltweit gesehen, im Vergleich als Hauptstadt so einen Flughafen hier zu präsentieren - nein! Und der kleiner ist als jeder Provinzflughafen", sagt er und geht mit der Stimme am Schluss hoch. Seine Betonung macht seine Aussage zur Frage.

Hakan Sorgec muss weiter machen

Hakan Corgec sagt, er muss jetzt weiter machen. 19 Uhr schließt sein Büro. Um diese Zeit sind Anke Fink, Robin Öhlin und Sabrina Baasner dann bereits seit zwei Stunden in Stockholm, Fethye Sönmez und Tamara Kutanoski haben dann bereits fünf Stunden Feierabend und sind seit vier Stunden wieder in Charlottenburg, und Benjamin und seine Bremer Freunde sind zu diesem Zeitpunkt längst wieder in ihrem Hotel.

Sie alle sind froh darüber, dass am BER jetzt "ein bisschen geflogen" wird. Aber sie haben auch eine sehr klare Idee davon, was noch besser wäre als dieses "ein bisschen".

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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