rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Video: Abendschau | 01.08.2020 | R. Unruh | Quelle: rbb/R. Unruh

Protest und Gegenprotest in Berlin

Kundgebung der Corona-Leugner am Brandenburger Tor aufgelöst

Um gegen die Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu protestieren, zogen am Samstag mehrere tausend Menschen durch Berlin - ohne Maske und ohne Abstand. Bis die Polizei einschritt.

Trotz steigender Infektionszahlen haben am Samstag Tausende Menschen in Berlin gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert. Nach Schätzungen der Polizei schlossen sich bis zu 17.000 Menschen einem Demonstrationszug an, rund 20.000 beteiligten sich anschließend an einer Kundgebung. Die Demonstranten forderten ein Ende aller Auflagen.

Verstöße gegen Hygieneregelungen

Die Kundgebung am Brandenburger Tor erklärte die Polizei am späten Nachmittag für beendet, weil die Veranstalter nicht in der Lage gewesen seien, die Hygienemaßnahmen einzuhalten. Die Kundgebung war unter dem Motto "Das Ende der Pandemie - Tag für die Freiheit" von der Stuttgarter Initiative "Querdenken 711" angemeldet worden.

In Stuttgart hat diese Initiative bereits wiederholt demonstriert. Kritiker dieser Proteste befürchten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten. Auch Berliner Bündnisse und Parteien wie die AfD und NPD hatten deutschlandweit dazu aufgerufen, zur Demonstration nach Berlin zu kommen.

Weitere Infos

Demo Corona-Leugner am Samstag

Westdeutsche "Querdenker" vereinigen sich mit Pegida

Am Abend harrten zwischenzeitlich immer noch zahlreiche Menschen vor dem Brandenburger Tor aus, die sich weigerten zu gehen, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Er sprach von einer Zahl im unteren vierstelligen Bereich. Ein Großteil der etwa 20.000 Teilnehmer hatte den Versammlungsort aber ohne weitere Vorkommnisse verlassen.

Auf der Wiese vor dem Reichstag wiederum befanden sich laut Polizei nach Beendigung der Kundgebung kurzfristig etwa 3.000 Menschen. Ein Veranstalter hatte hier zu einer Spontandemonstration aufgerufen und wollte dort nach eigener Aussage die ganze Nacht über einen Sitzstreik machen. Zwischenzeitlich gab es nach Polizeiangaben auch eine Menschenkette rund ums Kanzleramt mit etwa 2.000 Teilnehmern.

Quelle: rbb/H. Daehler

Wenn Sie Probleme mit dem Laden des Livetickers haben oder den Ticker im Vollbild sehen wollen, tippen Sie hier.

Teilweise aggressiv gegenüber Medienvertretern

Zuvor protestierten Teilnehmer einer "Versammlung für die Freiheit" gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. Sie zogen ab dem Vormittag vom Brandenburger Tor durch Berlin Mitte Richtung Straße des 17. Juni und wollten dort zur Kundgebung aufschließen. Die Polizei ging in Spitzenzeiten von rund 17.000 Teilnehmern aus, sagte eine Sprecherin dem rbb. Ebenso wie die Initiatoren der Kundgebung fordern die Demonstranten ein Ende aller Auflagen zur Eindämmung von Corona.

Nach Polizeiangaben wurden dabei die Hygienevorgaben wie Abstand und Mund-Nasen-Schutz nicht eingehalten. Passanten mit entsprechendem Schutz wurde von den Demonstranten "Masken weg" entgegengerufen. Das Verhalten gegenüber Medienvertretern war teilweise aggressiv. Ein rbb-Kameramann wurde von einem Demo-Teilnehmer bespuckt.

Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung

Einsatzkräfte gingen gegen Verstöße der Hygienevorgaben zunächst mit Lautsprecherdurchsagen oder Einzelansprachen vor. "Darüber hinaus werden Verstöße dokumentiert, sodass auch im Nachgang die Ahndung von Verstößen möglich ist", kündigte die Polizei an. Zudem gab es erste juristische Konsequenzen. "Aufgrund der Nichteinhaltung der Hygieneregeln wurde eine Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung gefertigt", twitterte die Polizei. Die Veranstalter erklärten die Veranstaltung anschließend für beendet. Die unabhängig von der Demonstration anschließend angemeldete Kundgebung auf der Straße des 17. Juni war bis zur Auflösung zunächst davon nicht betroffen.

Weitere Infos

Corona-Demos in Berlin

Wanderzirkus der Corona-Leugner kommt in die Stadt

Polizei widerspricht höheren Teilnehmerzahlen

Die Polizei geht von etwa 17.000 Teilnehmern bei dem Protestzug aus. "Eine exorbitant höhere Zahl, die laut verschiedener Tweets durch uns genannt worden sein soll, können wir nicht bestätigen", erklärte sie. Veranstalter hatten zunächst 500.000
Teilnehmer angekündigt und für die Demonstration 10.000 angemeldet. Am Nachmittag wurde auf der Kundgebungsbühne erst von 800.000, dann von 1,3 Millionen Menschen gesprochen.

Maske als Zeichen der Unterwerfung

Die Polizei war mit etwa 1.500 Einsatzkräften in der Innenstadt unterwegs. Sie wies mithilfe von Lautsprechern über den ganzen Tag "vehement" auf die Einhaltung der Auflagen hin. Auf Fotos der Veranstaltung waren die Demonstranten weitgehend ohne Mund-Nasen-Bedeckung und ohne Abstand zu sehen.

rbb-Reporter berichteten von Teilnehmern in Thor Steinar-Kleidung und Compact Shirts - diese sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Auch Shirts mit Aufdruck der Verschwörung "QAnon" waren zu sehen. Zudem wurden Deutschland-Flaggen und Reichsflaggen geschwenkt. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut", skandierten Teilnehmer. Eine Teilnehmerin schilderte, dass sie die Maske als Zeichen der Unterwerfung und als "Maulkorb" wahrnehme.

Quelle: imago images/J. Eckel

Scharfe Kritik an Demo-Teilnehmern

Unverständnis für die Demo gab es von politischer Seite. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Teilnehmer der Großdemonstration scharf kritisiert. Es ärgere ihn maßlos, dass Menschen aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kommen, um hier ein Demonstrationsrecht auf Grundlage von Hygieneregeln wahrzunehmen, dass sie dann missachteten, sagte Müller im rbb. "Die Demonstranten nehmen die Fakten nicht zur Kenntnis und riskierten damit die Gesundheit anderer Menschen", so Müller in der Abendschau. Dafür habe er kein Verständnis.

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bezeichnete die Demonstranten in einem Tweet als "irre" im Hinblick auf die weltweit steigenden Infektionszahlen. "Der bewusste Verstoß gegen Abstandsregeln und Maskenpflicht ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern fahrlässige Gefährund von Gesundheit und Leben anderer", teilte die Senatorin mit.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn äußerte harsche Kritik am Berliner Protestzug. "Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so", schrieb der CDU-Politiker am späten Samstagnachmittag auf Twitter. Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienten dem Schutz aller. Die Pandemie sei nur "mit Vernunft, Ausdauer und Teamgeist" zu meistern. "Je verantwortlicher wir alle im Alltag miteinander umgehen, desto mehr Normalität ist trotz Corona möglich", betonte Spahn.

Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann schrieb auf Twitter: "Wieder 1.000 Neuinfektionen/Tag und in Berlin wird gegen Coronaauflagen demonstriert? Diesen gefährlichen Blödsinn können wir uns nicht mehr leisten."

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: "Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als "die zweite Welle", ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!"

Quelle: dpa/C. Soeder

Gegenkundgebung an mehreren Orten

Auch Gegenkundgebungen des "Berliner Bündnis gegen Rechts" und der "Omas gegen Rechts" fanden am Rand des Protestzugs am Vormittag statt. Mehrere hundert Demonstranten versammelten sich am Pariser Platz und am Holocaust-Mahnmal und riefen dem Zug "Nazis raus" entgegen, der Spruch schallte als Echo zurück.

Élodie Arnauld, Sprecherin Bündnis gegen Rechts, sagte am Morgen im rbb: Es gehe nicht, dass rassistischen, antisemitischen und offen neonazistischen Strukturen ein Platz geboten werde, um Angst und Hetze und Verschwörungsmythen zu verbreiten. "Wir sehen alle, wozu Verschwörungsmythen führen. Hanau, Halle und der Mord an Walter Lübcke sind nur einige Beispiele, und wir können das nicht einfach weiter so passieren lassen."

22.000 Demonstranten an diesem Wochenende

Insgesamt werden an diesem Wochenende etwa 22.000 Demonstranten in der Hauptstadt erwartet. Nach rbb-Informationen sind Menschen etwa mit Bussen etwa aus Baden-Württemberg angereist. "Auch die verschiedensten Neonazi-Organisationen haben aufgerufen, daran teilzunehmen", sagte Geisel.

Quelle: rbb

Sendung: Abendschau, 01.08.2020, 19:30 Uhr

Kommentarfunktion am 01.08.2020, 18:10 Uhr geschlossen

Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Artikel im mobilen Angebot lesen