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Audio: Antenne Brandenburg | 16.10.2020 | Mischa Frinke | Quelle: imago-images

Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg

Brandenburger Beherbergungsverbot vorläufig gestoppt

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat das Beherbergungsverbot in Brandenburg für Gäste aus Corona-Hotspots vorläufig gestoppt. Die Landesregierung will die Entscheidung nun in der neuesten Verordnung umsetzen.

Das Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat das Brandenburger Beherbergungsverbot am Freitagabend vorläufig außer Vollzug gesetzt. Damit gab das Gericht zwei brandenburgischen Hoteliers recht, die mit zwei Eilanträgen gegen die Regelung der Landesregierung vorgegangen waren.

Ein Hotelbetrieb im Landkreis Dahme-Spree und eine Vermieterin von Ferienwohnungen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin hatten unter anderem argumentiert, das Beherbergungsverbot führ bei ihnen zu erheblichen Einnahmeverlusten, zudem sahen sie ihre verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit verletzt.

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Das Oberverwaltungsgericht folgte in seiner Entscheidung dieser Argumentation. Das Beherbergungsverbot sei voraussichtlich unverhältnismäßig, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts, die am Freitagabend veröffentlicht wurde. Das Maß, in dem es voraussichtlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitrage, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Gewicht der daraus folgenden Einschränkungen der Berufsfreiheit der Antragstellerinnen. Das gelte auch für "die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Personen aus Risikogebieten, denen ein Übernachtungsaufenthalt oder Urlaub in Brandenburg verwehrt werde", heißt es darin weiter.

Das Infektionsgeschehen könne innerhalb der Beherbergungsbetriebe etwa durch ein Hygienekonzept deutlich verringert werden. Zudem würden Gäste in Hotelzimmern oder Ferienwohnungen im Allgemeinen allein oder gemeinsam mit Personen ihres eigenen Haushalts übernachten. Der Besuch eines Hotelrestaurants unterscheide sich nicht ersichtlich vom Besuch gastronomischer Einrichtungen außerhalb des Beherbergungsbetriebs, der nicht untersagt sei.

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Hohes Infektionsrisiko auch durch Tagesausflüge

Hinzu komme: Das Beherbergungsverbot schließe Tagesbesuche aus Risikogebieten nicht aus. So könnten Familien mit Kindern aus Berlin den ausgefallenen Urlaub in Brandenburg durch entsprechende Tagesausflüge kompensieren, dabei unterschiedliche Ziele ansteuern und das Infektionsrisiko in der Fläche noch breiter streuen.

Zudem gebe es einen erheblichen Anteil von Pendlern zwischen Berlin und Brandenburg. Hinter die damit verbundene Gefahr des Einschleppens von Infektionen nach Brandenburg trete die Infektionsgefahr, die mit der angegriffenen Regelung verhindert werden soll, zurück.

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Und auch an einem weiteren Punkt äußert das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung deutliche Kritik: Auch die Möglichkeit, mit negativen Coronatests doch noch einen Hotelaufenthalt zu ermöglichen, ändere nichts an der Unverhältnismäßigkeit des Beherbergungsverbots. Denn zum einen seien solche Tests "insbesondere für Familien mit mehreren Kindern mit erheblichen, möglicherweise abschreckenden Kosten verbunden."

Zum anderen sei zweifelhaft, ob ein entsprechendes Testergebnis fristgerecht zu erhalten sei. Außerdem habe auch das Robert-Koch-Institut darauf hingewiesen, dass ein negativer Virus-Nachweis nur eine Momentaufnahme darstelle, die nicht zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen dürfe. Der zusätzliche Testbedarf durch Urlauber habe zudem die Belastungssituation der Labore weiter verschärft, argumentierte das Gericht.

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Nonnemacher: Entscheidung wird "selbstverständlich akzeptiert"

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher kündigte am Samstagmorgen an, dass die Umsatzverordnung des Landes "unverzüglich nach Beschlussfassung im Kabinett am kommenden Dienstag entsprechend angepasst" werde. "Wir leben in einem funktionierenden Rechtsstaat, in dem staatliches Handeln stets durch die Gerichtsbarkeit überprüft werden kann. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, diese Entscheidung wird selbstverständlich akzeptiert."

Nonnemacher und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatten die Regelung noch am Donnerstagabend verteidigt. Woidke hatte bedauert, dass sie mit den Herbstferien in Brandenburg und Berlin zusammenfalle, es müssten aber aus seiner Sicht aber so viele physische Kontakte wie möglich vermieden werden. Zudem sei das Beherbergungsverbot ein vergleichsweise "mildes Mittel".

Regelung gilt nur noch in wenigen Bundesländern

Vor Brandenburg hatten bereits mehrere Gerichte in vielen anderen Bundesländern die dortigen Beherbergungsverbote gekippt. Der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg gab am Donnerstag einem Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot statt und sah den Einschnitt ins Grundrecht auf Freizügigkeit als unverhältnismäßig an.

Auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht erklärte die Regelung in einem Eilverfahren für rechtswidrig. Sachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland strichen die Regel freiwillig. In Bayern gibt es das Beherbergungsverbot von Samstag an nicht mehr. Berlin hatte wie Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bremen ohnehin auf das Verbot verzichtet.

Aktuell halten noch Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein am Beherbergungsverbot für Menschen aus Risikogebieten fest. Die hessische Landesregierung hat aber schon angekündigt, am kommenden Montag diese Regelung wieder abzuschaffen.

Sendung: Inforadio, 16.10.2020, 22 Uhr

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