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Quelle: imago images/Lorenzo Carnero

Trotz hohen Corona-Risikos

Menschen mit Down-Syndrom nicht in höchster Impf-Priorität

Für Menschen mit Trisomie 21 endet eine Infektion mit Covid-19 häufig tödlich. Trotzdem listet sie die Ständige Impfkommission nicht unter den ersten, die die Möglichkeit zu einer Impfung bekommen sollen. Von Efthymis Angeloudis

Noch im Dezember sollen sich erste Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus impfen lassen können. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (Stiko) hat daher am Donnerstag eine Empfehlung an das Bundesgesundheitsministerium für die Corona-Impfungen vorgelegt [rki.de]. Bei dem Impf-Angebot sollten "bestimmte Personengruppen" bevorzugt werden, "die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe" bei einer Ansteckung hätten oder die beruflich "besonders exponiert" seien, heißt es in dem Beschlussentwurf. Dazu zählen unter anderem Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen sowie Menschen ab 80 Jahren.

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Anders als Medienberichten zu entnehmen war, sind Menschen mit Trisomie-21 (Down-Syndrom) nicht in die erste Gruppe der vorrangig zu impfenden Personen aufgenommen worden. Trotz eines hohen Mortalitätsrisikos [aerzteblatt.de] ist diese Gruppe nur in der zweithöchsten Prioritätsstufe eingruppiert.

"Menschen mit Trisomie 21 haben ein erhöhtes Risiko für gewissen Krankheiten", erklärte die Geschäftsführerin des Vereins "Downsyndromberlin", Heike Meyer-Rotsch, rbb|24 am Donnerstag. "50 Prozent der Menschen mit Down-Syndrom werden mit einem Herzproblem geboren." Dadurch entstehe eine erhöhte Mortalität.

Studien aus England und den USA [acpjournals.com] hatten ergeben, dass Erwachsene mit Down-Syndrom im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ein zehnfaches höheres Risiko haben, an Covid-19 zu sterben. "Wir haben uns alle sehr erschrocken, als diese Studie rauskam", sagt Meyer-Rotsch. Für Angehörige und Menschen mit Down-Syndrom sei daher wichtig zu wissen, wie sich die Zahl zusammensetzt. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Patienten auch aufgrund der zahlreichen risikobehafteten Ko-Morbiditäten (zum Beispiel schwere angeborene Herzfehler, Störungen der Immun- und Lungenfunktion) ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf haben. Nicht alle Menschen mit Down-Syndrom hätten aber dieselben Erkrankungen, sagt Meyer-Rotsch. Und nicht alle seien Risikopatienten.

Abstrakte Gefahr des Virus nur schwer zu erklären

Eine Angehörige ist auch die Kinderärztin Susan Binder. Sie lebt gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn mit Down-Syndrom und weiß von den Schwierigkeiten beim Schutz gegen das Virus. "Die meisten Menschen mit Down-Syndrom halten sich gerne und konsequent an die Hygiene-Regeln, wenn sie sie erst einmal verstanden haben", sagt Binder dem rbb. "Mein Sohn hat aber Situationen erlebt, in denen er von Nichtbehinderten aufgefordert wurde, die Maske ruhig abzunehmen - man sei ja unter sich und es sei gelüftet."

Die Gefahr durch Corona sei eine sehr abstrakte Sache, erklärt Meyer-Rotsch. Das zu vermitteln, sei oft schwierig, gerade bei Kindern. "Wenn eine Beeinträchtigung dazu kommt, ist das Abstrakte noch schwieriger zu erklären." Die mühsam erlernte Selbstständigkeit von Menschen mit Down-Syndrom sei dadurch gefährdet.

Auch der Alltag von Menschen mit Down-Syndrom sei durch das Virus schwieriger geworden, sagt Binder über das Leben mit ihrem Sohn. "Alles ist noch etwas zeitaufwändiger als sonst, da er möglichst wenig die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen soll, um den Berufsverkehr in der BVG zu vermeiden."

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Menschen mit Trisomie 21 in erste Gruppe aufnehmen

Zu den Risiken kommt, dass etwa die Hälfte der Menschen mit geistiger Behinderung in gemeinschaftlichen Unterkünften wohnt oder in Werkstätten tätig ist. Dort sind sie höheren Risiken ausgesetzt. "Wenn es dort zu einer Corona-Infektion kommt, ist das Infektionsrisiko für alle - wie auch in den Seniorenheimen - hoch", erklärt Binder.

Das erhöhte Infektionsrisiko sowie die hohe Mortalität hatten Politiker und Wissenschaftler veranlasst, eine höhere Priorisierung von Menschen mit Down-Syndrom zu fordern. "Wir gehen davon aus, dass Menschen mit Trisomie 21 auch in die erste Gruppe der vorrangig zu impfenden Personen aufgenommen werden", hatte beispielsweise die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag (CDU), der "Stuttgarter Zeitung” am 10. Dezember gesagt [swr.de].

Keine pauschale Priorisierung

Eine pauschale Priorisierung von Menschen mit Trisomie 21 schließen jedoch sowohl Meyer-Rotsch als auch Binder aus. Es wäre zu wünschen, den Menschen mit Vorerkrankungen Vorrang zu geben, sagt die Geschäftsführerin von "Downsyndromberlin". "Ich fände es ziemlich entscheidend, Kindern, die ein Lungenthema oder eine Herzerkrankung haben, schneller Versorgung zu bieten." Aber das betreffe längst nicht alle Menschen mit Trisomie 21.

"Natürlich würde ich mir für meinen Sohn eine möglichst hohe Priorisierung bei der Impfung wünschen", sagt auch Binder dem rbb. "Aber ich möchte auf jeden Fall, dass zuerst die alten Menschen in den Pflegeheimen, die Bewohner von Wohnstätten für Menschen mit Behinderung und das Pflegepersonal geimpft werden." Auch die Pflegefachleute auf den Corona-Stationen sollten nach Binders Einschätzung vor ihrem Sohn priorisiert werden. "Bis dahin werden wir eben in unserer häuslichen Isolierung zurechtkommen."

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