rbb24
  1. rbb|24
Audio: Antenne Brandenburg | 10.05.2021 | Stefan Kunze | Quelle: Stefan Kunze/rbb

Auszubildende über Corona-Freiheiten

"Durch Corona fühle ich mich meiner Jugend beraubt"

Etwas über 29 Prozent der Brandenburger wurden mittlerweile gegen Corona geimpft. Viele davon stammen aus älteren Generationen. Ihnen winken jetzt mehr Freiheiten, während Jüngere hoffnungsvoll auf ihre Immunisierung warten. Ein Stimmungsbild.

Lange wurde über Lockerungen diskutiert, jetzt sind sie da: Seit Sonntag haben vollständig gegen das Coronavirus Geimpfte und Genesene in Brandenburg und Berlin wieder mehr Freiheiten. In der Region profitieren insgesamt etwa 700.000 Menschen von gelockerten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Aufgrund der bisherigen Impf-Priorisierung sind das vor allem Ältere. Jüngere müssen sich hingegen oftmals noch gedulden. Der derzeitigen Situation begegnen die Jugendlichen mit gemischten Gefühlen, so auch Auszubildene in Frankfurt (Oder) und Fürstenwalde (Oder-Spree).

mehr zum Thema

Senioren und die Corona-Freiheiten

"Wir haben viel dafür getan, dass es der jungen Generation gut geht"

Verständnis für Risikogruppen

"Wenn ich sehe, dass in Einkaufsläden oder in öffentlichen Verkehrsmitteln jeden Tag hunderte Menschen ein- und ausgehen, verstehe ich nicht, warum mal ein Bier nach Feierabend mit einem Kumpel nicht möglich ist", sagt Stephan Lawicka aus Wiesenau (Oder-Spree). Der 25-Jährige hat bereits Familie mit zwei Kindern und steht kurz vor seiner Abschlussprüfung als Maurer. Er ist einer von 150 Auszubildenen, die derzeit am Überbetrieblichen Ausbildungszentrum (ÜAZ) in Frankfurt (Oder) lernen. Seit Beginn der Pandemie war Stephan Lawicka die meiste Zeit draußen auf dem Bau, denn die Branche florierte trotz Corona. Sein Unterricht an der Berufsschule fand durch die Einschränkungen teilweise in Präsenz, teilweise in Distanz statt.

Er hat Verständnis dafür, dass zunächst Risikogruppen geimpft werden. "Jeder von uns hat Eltern und Großeltern", sagt Lawicka. "Man will auch die Zeit noch ein bisschen mit denen genießen und nicht die Leute, die einem nahe stehen an solch ein Virus verlieren. Da steckt man dann lieber gerne zurück."

Allerdings ist er von der Politik enttäuscht, wenn er in den Nachrichten von Impf-Fortschritten in der Corona-Bekämpfung anderer Länder hört. Dort hätte sich der angehende Maurer ein konsequenteres Handeln gewünscht. Nach über einem Jahr Pandemie tue es ihm nicht um seine verpasste Jungend leid, sondern um die seiner Kinder. "Lange Zeit waren sie gar nicht im Kindergarten. Aufgrund der Notbetreuung wurde ihnen die Kindheit weggenommen. Das hat Spuren hinterlassen."

Die Azubis Philip Hörth, Roman Moor und Marvin Klein (alle Anlagenmechaniker) | Quelle: Stefan Kunze/rbb

"Ich bin einfach enttäuscht"

Auch andernorts ist das Thema verpasste Zeit oft gegenwärtig. So auch bei Max Wagener. Der 18-Jährige macht derzeit am Fürstenwalder Aus- und Weiterbildungszentrum (FAWZ) eine Ausbildung zum Koch und ist im ersten Lehrjahr. Wie viele andere in seinem Alter ist er gefrustet. "Ich würde gerne viel mehr machen, feiern, mal was erleben wollen, was für mich später auch von Nutzen sein könnte. Aber jetzt durch Corona fühle ich mich meiner Jugend beraubt."

Ähnlich sehen das auch die angehenden Anlagenmechaniker Philip Hörth, Roman Moor und der 19-jährige Marvin Klein. Letztgenannter lernt seit vergangenem Jahr bei einem Netzbetreiber in Frankfurt. Er sagt: "Ich bin größtenteils zu Hause und kann nichts weiter machen. Das ist das Traurige. Es geht alles verloren." Auf das Krisenmanagement der Politik ist auch er schlecht zu sprechen. Marvin fühlt sich entrechtet, wie er sagt. "Es wird vieles verboten, Kinder leiden in der Schule, es gibt keine sozialen Kontakte mehr und ich bin einfach enttäuscht."

Getrennt in den Urlaub?

Zimmermann-Azubi Magnus Gellert würde sich für ein bisschen mehr Freiheit sofort impfen lassen. Dazu wünscht er sich, dass die Prioritäten in der Impf-Reihenfolge so bald wie möglich fallen. Der gebürtige Potsdamer, der jetzt in Frankfurt lebt, hat aber aktuell praktische Probleme. Seine Freundin ist Leistungssportlerin und hat bereits eine Impfdosis erhalten. "Sie dürfte theoretisch überall hinfahren und ich müsste zu Hause bleiben. Das ist irgendwo ungerecht." Was Magnus gerade im Kleinen in seiner Beziehung beobachtet, fürchtet er auch im größeren Ausmaß. "Dadurch entsteht eine Zweiklassengesellschaft - ganz einfach!" Deshalb spricht sich der 19-Jährige gegen einseitige Lockerungen aus.

lesenswert

Gaststätten dürfen ihren Außenbereich öffnen

Brandenburger Regierung verkündet "maßvolle" Lockerungen ab Pfingsten

Hoffen auf Impfungen und niedrige Infektionszahlen

Impf-Neid gegenüber den älteren Generationen herrscht unter den befragten Azubis allerdings nicht. Nur das ständige Hin und Her der Eindämmungsvorschriften müsse bald ein Ende haben, so der Tenor. Lea Schütz, ebenfalls Köchin in spe aus Fürstenwalde, sagt dazu: "Ich finde das gut, dass erst die Alten geimpft werden und dann wir, aber es sollte schon schnell passieren, dass wir auch rankommen. Wir können ja nichts dafür, dass wir kein Impfangebot bekommen und deswegen zum Beispiel nicht ins Kino dürfen."

Die Hoffnung der Azubis ruht jetzt auf konstant niedrigen Inzidenzwerten. So könnten sich die Jugendlichen bis zur Impfung wenigstens in der wieder geöffneten Berufsschule unter Gleichgesinnten austauschen. Neben dem Kontakt gilt es darüber hinaus einiges aufzuholen, sagt Koch-Lehrling Lea. "Für mich ist die Schule ein ganz wichtiger Punkt, denn ich hänge da schon jetzt hinterher." Doch der bange Blick auf die Corona-Zahlen wird sie trotz der angekündigten Lockerungen zu Pfingsten auch in den nächsten Wochen noch begleiten.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.05.2021, 15:10 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 12.05.2021 um 21:03 Uhr geschlossen

Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Stefan Kunze und Tony Schönberg

Artikel im mobilen Angebot lesen