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Quelle: imago-images/Florian Gaertner

Corona-Krise

Verkehrsbetriebe in Brandenburg vor dem finanziellen Ruin

Ein Fahrgastrückgang bis zu 95 Prozent ist für die Brandenburger Nahverkehrsbetriebe allein nicht zu stemmen. Sie fordern in der Corona-Krise Hilfe vom Land, sonst drohen Einschränkungen oder sogar Einstellungen der Angebote. Von Rico Herkner

Bei Regiobus Potsdam-Mittelmark sind die Mitarbeiter stolz auf ihre moderne Busflotte. Doch Geschäftsführer Hans-Jürgen Hennig schlägt Alarm. Seinem Unternehmen fehlen inzwischen 95 Prozent der Tageseinnahmen.

Pendler benutzen wegen Corona-Angst kaum noch den ÖPNV - und eine Kontrolle der Tickets ist wegen des Abstandsgebots nicht möglich. Außerdem erreichen Regiobus massenhaft Kündigungen von Abos für Jahres- und Monatskarten. Hennig sagt, lange könne das Unternehmen dies nicht durchhalten. Spätestens im zweiten Halbjahr müsste im schlimmsten Fall der Verkehr eingestellt werden.

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Auch beim städtischen Verkehrsunternehmen Cottbusverkehr fehlen plötzlich riesige Summen in der Kasse. Woche für Woche bleiben mehr als 100.000 Euro an Ticketeinnahmen aus. Dieses Minus wächst auch in Cottbus immer rasanter, da nun viele Zeitkarten-Besitzer ihre Tickets kündigen. Mit einem ausgedünnten Angebot versucht das Unternehmen bereits gegenzusteuern. Nothilfe kommt von der Stadt. Sie stellt ihre für dieses Jahr geplanten Zuweisungen kurzfristig zum Abruf bereit.

Zusätzliche Hilfen sind für Landkreise und Brandenburgs kreisfreie Städte meist nicht drin – denn viele kommunalen Haushalte sind schon jetzt auf Kante genäht. Eine zusätzliche Verschuldung bedarf der Zustimmung des Innenministeriums als Aufsichtsbehörde.

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Stephan Loge (SPD), Landrat im Kreis Dahme-Spreewald, sandte im Namen aller brandenburgischen Landkreise und großen Städte einen eindringlichen Appell an das Brandenburger Verkehrsministerium. Die Verkehrsunternehmen brauchen demnach zusätzliche Millionen. Dabei verweist er darauf, dass die nun fast vollständig wegfallenden Fahrgeldeinnahmen oft mehr als die Hälfte des Budgets vieler Verkehrsunternehmen ausmachen. Darum sei der ÖPNV bei den Notfallaufwendungen des Landes als "systemrelevantes Element" zu berücksichtigen.

Das Ministerium lehnt jedoch zusätzliche Mittel ab. In einer Stellungnahme vom Wochenende verweist Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) auf 75 Millionen Euro, die sofort abrufbar seien. Doch diese Summe sei ohnehin bis Jahresende eingeplant gewesen, kritisiert der Verband der Verkehrsunternehmen. Zumindest verschaffe sie bis zum Sommer Liquidität in den Verkehrsbetrieben. Danach sei weiteres, frisches Geld nötig.

Teilweise Einstellung des Nahverkehrs droht

Erste Verkehrsbetriebe haben bereits Kurzarbeit null für einen Teil ihrer Mitarbeiter beantragt. Sollte es nur bei den vorgezogenen Auszahlungen von bereits eingeplanten Landes-Zuweisungen bleiben, würde beispielsweise in Cottbus im zweiten Halbjahr der Bus- und Straßenbahnverkehr eingestellt, so Cottbusverkehr-Chef Ralf Thalmann. Da gehe es seinem Unternehmen ähnlich wie Regiobus in Potsdam-Mittelmark. Werner Faber vom Verband der Verkehrsunternehmen sagt: "Wir brauchen in Zukunft eher mehr Mittel und wenn das Land jetzt nicht hilft, werden wir Einschränkungen erleben."

Verkehrsunternehmen schlagen Nahverkehrsabgabe ab 2021 vor

Für Regiobus-Chef Hennig ist nach eigener Aussage klar, dass nach neuen Finanzierungsquellen für Busse und Bahnen gesucht werden müsse.  Land und Kommunen hätten die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit erreicht. Allein in Brandenburg werde im laufenden Jahr fast die Hälfte aller Ausgaben aus Schulden bestritten. Darum schlägt er gemeinsam mit vielen anderen Chefs brandenburgischer Verkehrsunternehmen eine für jeden Steuerpflichtigen obligatorische Nahverkehrsabgabe vor, ähnlich der Abfallgebühr. Nur so sei die kritische Infrastruktur wie Busse und Bahnen für Schüler und Berufspendler überlebensfähig.

Denn wegen der Corona-Krise werden viele Brandenburger auch in den kommenden Monaten Busse und Bahnen wegen des Abstandsgebots meiden. Eine Verbesserung der Einnahmesituation sei daher nicht in Sicht. Das Minus in den Ticketkassen werde brandenburgweit bis zum Jahresende auf nahezu 100 Mio Euro wachsen. Für viele Verkehrsbetriebe wäre das, so die Geschäftsführer von Regiobus Potsdam-Mittelmark und Cottbusverkehr, das sichere Aus.

Sendung: rbb24, 05.04.2020, 16 Uhr

Beitrag von Rico Herkner

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