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Audio: Interview Ralf Reinhardt | Fragen: Björn Haase-Wendt | Quelle: dpa/Fabian Sommer

Interview Landrat Ostprignitz-Ruppin

"Wir können Touristen im Krisenfall nicht versorgen"

Auch im Landkreis Ostprignitz-Ruppin steigt die Zahl der Corona-Infektionen. Landrat Ralf Reinhardt zieht deshalb die Reißleine – und schließt für Urlauber die Kreisgrenze. Zum Schutz der Touristen und der eigenen Bürger, sagt Reinhardt im Interview.

rbb: Herr Reinhardt, wovor haben Sie Sorge? Weshalb sind Sie mit Ihren Regeln sozusagen landesweit vorgeprescht?

Landrat Ralf Reinhardt (SPD): Bei uns hat sich die Lage durch die Grenzschließung Mecklenburgs für die touristisch Reisenden verschärft. Dadurch stauen sich in unseren Urlaubsorten Touristen, die wir nicht versorgen können. Deswegen mussten wir Reisebeschränkungen auferlegen, die nicht für die einheimische Bevölkerung, unsere Nachbarn oder die hier Tätigen oder hier Verwandtschaft Habenden gilt.  

Viele Berliner werden sich denken: In einer Großstadt bin ich vielleicht in einer größeren Gefahr. Ich setze mich ins Auto und fahre nach Rheinsberg oder nach Neuruppin, und schnappe ein bisschen frische Luft. Sind die willkommen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin?

Grundsätzlich sind Touristen hier sehr willkommen. In der jetzigen Zeit mit Corona können wir sie aber im Zweifel nicht versorgen. Und deswegen müssen wir jetzt alle Touristen, alle Urlauber, alle Wochenendausflügler bitten: Bleiben Sie zu Hause. Wir haben sehr knappe Ressourcen, und im Zweifel möchte ich nicht in die Lage kommen, entscheiden zu müssen, wer behandelt wird und für wen diese knappen Ressourcen eingesetzt werden.

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Manch einer wirft Ihnen Kleinstaaterei vor oder überzogene Maßnahmen. Wovor haben Sie Sorge, wenn die Ausflügler jetzt kommen?

Der Bereich rundum Rheinsberg ist im Norden Brandenburgs der, der touristisch am intensivsten nachgefragt wird. In der Vergangenheit waren es meistens Rekord-Übernachtungszahlen, die hier zu verzeichnen waren. Das ist gut in ruhigen Zeiten. Aber in dieser Situation mit Covid-19 und einer schweren Pandemie haben wir auch in unserer Region nur beschränkte Ressourcen: nicht mehr vorhandener Mundschutz, keine Desinfektionsmittel, keine persönliche Schutzausstattungen. Wir müssen mit diesen knappen Ressourcen umgehen und abwägen, für wen wir sie einsetzen können. Und wir können im Moment nicht zusätzlich touristisch Reisende hier versorgen - und deswegen diese Beschränkung.

Ein paar Beispiele: Da hat jemand aus Berlin oder der Uckermark ein Ferienhaus hier – kann er das privat nutzen?

Auch für diese Menschen gilt meine dringende Bitte: Wenn Sie zu Urlaubszwecken und für die Erholung kommen wollen, bleiben Sie bitte daheim. Das ist keine notwendige Reise. Es ist in der jetzigen Zeit mit diesen knappen Ressourcen für uns im Landkreis die oberste Priorität, dass wir unsere einheimische Bevölkerung versorgen können.

Details der Verfügung

Der Kreis Ostprignitz-Ruppin hat als erster Landkreis in Brandenburg beschlossen, keine Touristen mehr einreisen zu lassen. In der Verfügung heißt es, dass Reisen aus privatem Anlass untersagt sind. Dazu zählen ausdrücklich auch Kurzaufenthalte an Wochenenden oder einzelnen Tagen. Betroffen sind alle Formen von Unterkünften: ob Wochenendhäuser, Wohnungen, Boote oder Wohnmobile. Ausnahmen sind nur möglich, wenn die Anwesenheit einer Person zwingend erforderlich ist, beispielsweise bei Bestattungen. Außerdem gelten die Regeln nicht für Menschen, deren erster Wohnsitz in OPR liegt. Wer seinen zweiten Wohnsitz dort hat und diesen unbedingt nutzen muss, um beispielsweise zu arbeiten, kann ebenfalls einreisen. Auch all jene, die regelmäßig für ihren Job in den Landkreis fahren, können das weiterhin tun. Sie müssen allerdings einen schriftlichen Arbeitsauftrag mit Angaben zum Arbeitsort und zur Arbeitszeit dabei haben. Die neue Verfügung gilt bis zum 19. April.

Das gilt dann auch für Menschen, die kurz mal in ihrem Garten nach dem Rechten sehen wollen?

Touristisch, Urlaub und Erholung sind die Zielwörter. Diejenigen, die hier Familienangehörige haben, zu Pflegende haben oder den Umgang mit Kindern realisieren wollen, können ganz normal reisen. Mit der Polizei und den Ordnungsbehörden ist abgesprochen, dass in diesen Fällen eine kurze Erklärung oder ein Nachweis zu erbringen ist. Wenn eine plausible Erklärung erfolgt, wird die Weiterreise nicht verhindert.

Wer hier seinen Hauptwohnsitz oder Familienbeziehungen hat, da soll auch weiterhin alles gewährleistet sein. Auch aus unseren Nachbarregionen sind die Einpendler natürlich willkommen, die ihre Geschäftsbeziehungen hier haben. Menschen, die zum Arzt hier müssen, oder zur Bank oder hier in der Nachbarschaft einkaufen. Das soll alles weiterhin möglich sein.

Brauchen die Menschen, die in Ihrem Landkreis arbeiten, einen Arbeitsauftrag oder Ähnliches in der Tasche?

Wenn es in irgendeiner Form einen Nachweis wie einen Dienstausweis oder die Bescheinigung einer Organisation gibt, ist es bei Nachfragen natürlich einfacher. Ansonsten müsste zurücktelefoniert werden. Polizei und Ordnungsämter werden hier in den kommenden Tagen ab Sonntag verstärkte Ansprachen vornehmen, auch Informationen weitergeben und dann nachkontrollieren. Und ich hoffe, dass das auf Einsicht stößt und die Menschen vernünftig sind.

Wäre Ihnen eine brandenburg-weite Regelung lieber?

Eine landesweite Regelung wäre weitaus einfacher und wäre aus meiner Sicht sehr wünschenswert. Die Konzentration der Urlaubsreisenden im Rheinsberger Bereich ist ja aber so sprunghaft angestiegen, dass wir hier keine Zeit haben, bis zu einer landesweiten Abstimmung - die ich mir immer noch erhoffe - zu warten. Wir mussten hier sehr schnell handeln, da Ostern vor der Tür steht.

Müsste man nicht auch sagen: Die Ostprignitz-Ruppiner sollen den Landkreis nicht mehr verlassen?

Natürlich, das ist unsere allgemeine Bitte: Vermeiden Sie im Moment jede unnötige Reise, jede unnötige Bewegung und auch gerade Reisen in die Zentren in den großen Städten, wo die Gefahr oder die Wahrscheinlichkeit, dass man sich infiziert und ansteckt, im Moment so groß ist.

Dieser Text ist eine redigierte und gekürzte Form des Interviews, das Björn Haase-Wendt mit Landrat Ralf Reinhardt geführt hat. Das vollständige Gespräch können Sie oben im Beitrag im Audio hören.

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