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Audio: Kirsten Buchmann | 23.04.2020 | Quelle: imago images/Nowack

Schulstart trotz Corona

Berliner Lehrer glauben nicht an schnelle Rückkehr aller Schüler

Am Montag sollen die ersten Schüler in die Berliner Schulen zurückkehren. Allerdings unter strengen Hygiene-Vorschriften. Schon jetzt befürchten die Schulleiter: Eine Rückkehr zum Schulalltag für alle Schüler wird so nicht möglich sein.

Seit dem 17. März waren Berliner Schüler wegen der Corona-Pandemie nicht mehr zum Unterricht in ihren Schulgebäuden. Ihre Aufgaben für die verschiedenen Fächer bearbeiten sie seitdem zu Hause. Am Montag kehren nun als erstes die Zehntklässler an die Schulen zurück.

Ab dem 4. Mai sollen die Jahrgangsstufe 6 an den Grundschulen und Grundstufen der Gemeinschaftsschulen sowie die Jahrgangsstufen 9 und 12 an Integrierten Sekundarschulen/Gemeinschaftsschulen und die Jahrgangsstufe 11 an Gymnasien folgen. Und dann nach und nach auch die Schüler aller anderen Klassenstufen.

Quelle: rbb

"Musterhygieneplan" soll Infektionsrisiko gering halten

Allerdings unter Einhaltung der Vorgaben des Infektionsschutzes. Hierfür hatte die Bildungsverwaltung in Berlin am Freitag einen "Musterhygieneplan" herausgegeben. Darin sind mehrere Punkte festgeschrieben: So ist auf dem Pausenhof und im Klassenzimmer ein Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten, wer Symptome einer Atemwegserkrankung hat, muss zu Hause bleiben.

Der Hygieneplan macht außerdem detaillierte Angaben zum Thema Sauberkeit: So sollen die Reinigungskräfte zum Beispiel Türklinken und Fenstergriffe, Tische, Treppen- und Handläufe sowie Lichtschalter in stark frequentierten Bereichen mehr als einmal täglich sauber gemacht werden.

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Und die Schüler und Schülerinnen sind angehalten sich regelmäßig die Hände mit Seife zu waschen. Außerdem findet der Sportunterricht in sehr eingeschränkter Form statt, es gibt keine Theaterproben, auch Singen im Chor ist tabu. Zu hoch ist das Risiko einer Tröpfcheninfektion. Zudem hatte die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vorher bereits verlauten lassen: Die Schüler seien in kleinen Gruppen zu beschulen. Priorität haben dabei die Kernfächer, also Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache.

Homeschooling geht weiter

Bereits vor dem Schulstart bemühen sich die Berliner Schulen, die Auflagen zu erfüllen. So werden die Abstandregeln in den Klassenzimmern umgesetzt, die Seifenspender in den Toilettenräumen gefüllt und Flatterband auf den Schulhöfen gespannt. Und dennoch ist den Schulleitern bereits jetzt bewusst, dass sie an ihre Grenzen stoßen werden, wenn nach und nach alle Schüler in die Schulgebäude zurückkehren sollen.

Wie zum Beispiel die Sekundarschule an der Jungfernheide in Spandau. Schulleiterin Karin Stolle sagte dem rbb: Wenn neben den neunten und zehnten Klassen auch die siebten und achten Klassen wieder im Schulgebäude beschult werden sollen, "müssen wir neue Wege gehen". Denn es stünden zu wenig Klassenräume zur Verfügung. "Dann werden die Neunt- und Zehntklässler nur ein Mal die Woche in der Schule sein können", sagt die Schulleiterin der rbb-Abendschau. Ansonsten werde es weiterhin Homeschooling geben.

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Dreifacher Raumbedarf, fehlende Lehrkräfte

Diesen Eindruck teilt auch Sven Zimmerschied, Vorsitzender der Vereinigung der Berliner ISS Schulleiterinnen und Schulleiter. Zudem ist Zimmerschmied Schulleiter der Friendensburg Oberschule in Berlin-Charlottenburg. Der Abendschau erklärt er: In seiner Schule würden die Schüler einer Klasse sogar auf drei Schulräume verteilt werden. Wenn allerdings immer mehr Kinder wieder zurück in die Schule kommen sollen, gebe es ein Problem.

"Solange die Abstandsregeln gelten, können wir die Schulen nur zu einem geringen Prozentsatz hochfahren", so der Schulleiter. Denn: Es bestehe nicht nur ein dreifacher Raumbedarf. Außerdem fehlen Lehrkräfte.  Auch bei großen Schulen werde es somit nicht möglich sein, alle Schüler wieder in die Schule zu holen. Viele Schüler werden also weiterhin Zuhause lernen müssen. Er sehe noch nicht mal für den Beginn des nächsten Schuljahres, dass wieder alle Schüler in die Schule kommen können.

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Einbahnstraßen-Markierungen und Abstandshinweise

Auch an der Julius-Leber-Schule in Berlin-Reinickendorf ist man bemüht, die Corona-Auflagen zu erfüllen: So gibt es bereits Einbahnstraßen-Markierungen auf den Fluren und Abstandshinweise im ganzen Gebäude. Zu Beginn des Unterrichts am Montag sollen die Schüler in der Aula als erstes klassenweise die Verhaltensregeln erklärt bekommen. Für den Unterricht gilt auch an dieser Schule: Es werden nur kleine Gruppen unterrichtet. Jeweils eine Klasse wird von drei Lehrern parallel in drei Räumen betreut.

Ein personalintensives Unterfangen, wie Schulleiter Roger Jungmann dem rbb erklärte. Die Hälfte des Kollegiums werde damit beschäftigt sein, die rund 100 Schüler des zehnten Jahrgangs, zu unterrichten. Manche Lehrer werden wegen ihres Alters oder gesundheitlicher Risiken während der Corona-Pandemie allerdings nicht vor den Schülern stehen, so Jungmann.

GEW: keine problemlosen Schulöffnungen

Der Berliner Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Tom Erdmann, sagte der Nachrichtenagentur DPA, er gehe nicht davon aus, dass die Schulöffnung problemlos funktionieren werde. Es werde regelmäßig Verstöße gegen das Abstandsgebot geben. "Das muss man einkalkulieren. Und damit steigt auch das Infektionsrisiko. Und entsprechend wird man die Schulöffnungen nur sehr langsam vollziehen können, um die Chance zu haben gegenzusteuern." Auch beim Thema Hygiene ist Erdmann skeptisch: "Wir ermutigen Schulleiter, in deren Schulen die Reinigung nicht erfolgt und nicht genügend Seife vorhanden ist, die Schule nicht zu öffnen."

Und auch die Senatsbildungsverwaltung schob am Freitag noch mal nach: Berlins Schüler müssen bis zu den Sommerferien weniger Arbeiten schreiben als ursprünglich vorgesehen. So soll zum Beispiel in den siebten bis zehnten Klassen in jedem Unterrichtsfach eine Klassenarbeit weniger geschrieben werden als bisher verpflichtend war.

Zudem folgt das Schuljahr einer neuen Grundlinie: "Hinsichtlich der Leistungsbewertung muss der Grundsatz gelten, dass sich Kinder durch die Bewertung der beim Lernen zu Hause erbrachten Leistungen gegenüber dem ersten Halbjahr 2019/2020 nur verbessern und keinesfalls verschlechtern dürfen."

Alternativvorschläge: "Schichtmodell" under "Stufenmodell"

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) hat ein bundesweites Stufenmodell für Schule und Unterricht in Zeiten von Corona vorgeschlagen. Es sieht unter anderem einen wöchentlichen Wechsel von digitalem und Präsenzunterricht für jeweils die Hälfte der Schüler und alle Lehrer vor.

Zudem soll ein bundesweites digitales Medienportal aufgebaut werden, das "freie digitale Bildungsmaterialien" mit zusätzlichen Lizenzen für Schulbücher für die von den Lehrkräften zu erstellenden online-Lehrmaterialien bereit hält. Außerdem müssten Schulen, Lehrkräfte und Schüler mit modernen und gewarteten Leihcomputern ausgestattet werden. Dabei müsse auch die Cyber-Sicherheit gewährleistet werden.

Zuvor hatte der Deutsche Lehrerverband ein "Schichtmodell" vorgeschlagen: Demnach würden die Klassen geteilt werden und die Schüler würen abwechselnd für je eine Woche in die Schule gehen. Die jeweils andere Woche würden sie Aufgaben für zu Hause erhalten. Ein solches Vorgehen hätte den Vorteil, dass Eltern Betreuungs- und Arbeitszeiten besser planen könnten, Raum- und Stundenpläne kaum geändert und Fächer nicht gestrichen werden müssten.

Sendung: Abendschau, 24.04.2020, 19:30 Uhr

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