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Quelle: dpa/Kay Nietfeld

Infektionsgeschehen in Berlin

Kalayci "besorgt" über Corona-Lage - Amtsarzt bleibt gelassen

In Berlin sind die Corona-Fälle zuletzt wieder stärker angestiegen - doch die Zahlen werden unterschiedlich interpretiert. Während die Gesundheitssenatorin eine gefährliche Streuung der Infektionen sieht, spricht Amtsarzt Larscheid von "geschenkten Fällen".

In Berlin steigt derzeit die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder spürbar an. Am Mittwoch lag sie bei 125 - und damit so hoch wie seit vielen Wochen nicht. Die Gesundheitsverwaltung des Senats führt das vor allem auf die vielen Reiserückkehrenden zurück: Jeder zweite neu Infizierte stamme aktuell aus dem Rückreiseverkehr, wie die Verwaltung am Mittwoch dem rbb mitteilte.

Gleichzeitig steigt auch die sogenannte "Inzidenz", also der Anteil der Infizierten pro 100.000 Einwohnern in den zurückliegenden sieben Tagen. Das gilt besonders für die Bezirke Mitte und Neukölln. In Mitte wurden in den zurückliegenden sieben Tagen 28,1 Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner gezählt, damit liegt der Bezirk im Bundesvergleich sogar an zweiter Stelle. In Neukölln liegt die Inzidenz bei 21,8.

Mitte liegt damit nur knapp unter dem roten Bereich der Berliner Corona-Ampel, bei der ab 30 Fällen Eindämmungsmaßnahmen ergriffen werden müssten. Neukölln liegt im gelben Bereich (ab 20 Fälle), während Gesamt-Berlin noch mit derzeit 10,2 deutlich im grünen Bereich liegt.

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Kalayci: Alle Reiserückkehrer sollten sich testen lassen

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) beobachtet die jüngste Entwicklung nach ihren Angaben mit Sorge. Das Infektionsgeschehen verschiebe sich zunehmend in eine heikle Richtung. Krankenhäuser und Pflegeheime, in denen es vor allem zu Beginn der Verbreitung des Virus zu gut eindämmbaren Ausbrüchen kam, hätten die Situation weitgehend im Griff, sagte sie am Donnerstag dem "Deutschlandfunk". Vermehrt käme es jetzt zu Neuinfektionen, die schwerer abgrenzbar und lokalisierbar seien, so Kalayci: Jede zweite Infektion entstünde mittlerweile im privaten Bereich, auch auf Partys und Familienfeiern. Ein weiterer Hotspot seien Restaurants und Gaststätten.

"Die aktuellen Neuinfektionen steigen nicht mehr klar abgrenzbar, sondern breit gestreut. Das zu beherrschen ist schwieriger und bereitet daher Sorge", so Kalayci. Vor diesem Hintergrund appellierte Kalayci an die Verantwortung jedes Einzelnen: "Die Regeln sind inzwischen bekannt, dass Abstandhalten, Maskentragen hier auch erheblich dazu beitragen kann, das Infektionsgeschehen einzudämmen."

Zudem appellierte sie an Reiserückkehrer aus Nicht-Risikogebieten, sich ebenfalls testen zu lassen. "Die Reiserückkehrer haben wir gerade im Fokus. Unser Hauptziel ist es, sie rauszufischen. Auch Rückkehrer aus Nicht-Risikoländern können sich innerhalb von 72 Stunden kostenlos testen lassen. Die Kassenärztliche Vereinigung und niedergelassene Ärzte haben diese Leistung zugeschrieben bekommen", so Kalayci.

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Larscheid: "Bleiben Sie gechillt"

Für Reinickendorfs Amtsarzt Patrick Larscheid gehen aus den gestiegenen Zahlen hingegen keine neuen Bedrohungen hervor: "Wir sehen die gestiegenen Zahlen mit Gelassenheit", sagte er im Gespräch mit rbb|24. Auch er verwies auf den hohen Anteil an Reiserückkehren unter den neuen Fällen.

Anders als Senatorin Kalayci sieht er sie aber als gut kontrollierbar an: "Diese Fälle haben wir quasi geschenkt bekommen, denn sie lassen sich sehr gut lokalisieren, eingrenzen und isolieren", sagte Larscheid. Auch die Zahl von Neuinfektionen auf privaten Feiern, in Lokalen und Restaurants sei noch beherrschbar, er sehe hier noch nicht die Gefahr von breiten Streuungen, so Larscheid.

Die in Mitte und Neukölln gestiegenen Inzidenzen seien ebenso wenig ein Grund für allzu große Sorgen: "In beide Bezirke sind sehr viele Menschen aus Risikogebieten zurückgekehrt", erklärte Larscheid. "Grundsätzlich rate ich den Menschen in diesen Tagen: Halten Sie unsere Corona-Hotlines für wirkliche Notfälle frei, halten Sie sich an die Hygiene-Regeln - und bleiben Sie auch bei den aktuell steigenden Zahlen gechillt", so Larscheid.

"Das erstaunt eigentlich nicht"

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, reagierte ebenfalls kaum überrascht auf den jüngsten Anstieg der Infektionen auch in Berlin. Der rbb-Welle Radioeins sagte er am Donnerstag: "Das erstaunt eigentlich nicht. Es war erwartbar, dass mit erhöhter Mobilität der Menschen im In- und Ausland in den Ferien die Zahlen ansteigen würden, weil sich die Menschen einfach mehr durchmischen", so Reinhardt.

Es sei weiterhin wichtig, die Maskenpflicht einzuhalten sowie alle anderen Hygienemaßnahmen einzuhalten. Und: "Auf Großveranstaltungen wie Fußballspiele und Popkonzerte sollten wir noch eine Weile verzichten, so lange wir keinen Impfstoff oder wirksame Medikamente haben."

Sendung: Abendschau, 13.08.2020, 19:30 Uhr

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