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Video: rbb|24 | 18.11.2020 | Video: rbb, TNN, ARD-Aktuell | Quelle: dpa/Paul Zinken

Corona-Proteste in Berlin

Polizei beendet Demo mit Wasserwerfern - 365 Festnahmen

Erstmals seit Jahren sind am Mittwoch bei einer Demo in Berlin Wasserwerfer eingesetzt worden. Gegner der Corona-Maßnahmen verharrten am Brandenburger Tor, obwohl die Polizei die Kundgebung für aufgelöst erklärt hatte. Es gab Festnahmen und Verletzte.

Die Berliner Polizei ist am Mittwoch im Regierungsviertel mit Wasserwerfern gegen Demonstrierende vorgegangen. Mehrere Tausend Menschen hatten sich rund ums Brandenburger Tor versammelt, um gegen die Reform des Infektionsschutzgesetzes zu protestieren. Wegen zahlreicher Verstöße gegen die Corona-Auflagen hatte die Polizei die Kundgebung zwar für beendet erklärt - viele Demonstranten waren jedoch vor Ort geblieben.

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Im Bereich der Berliner Marschallbrücke waren am Vormittag zunächst etwa 1.000 Demonstranten zusammengekommen. Am Brandenburger Tor versammelten sich laut Polizeischätzung vom Abend rund 7.000 Menschen. Bereits am Vormittag twitterte die Polizei, es werde Corona-Auflagen verstoßen, Mahnungen würden ignoriert. "Unsere Aufforderungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zeigen leider keine Wirkung." Gegen 12 Uhr hieß es dann, die Versammlung auf der Straße des 17. Juni sei "für beendet erklärt".

Da jedoch viele Versammlungsteilnehmer weiter blieben, setzte die Polizei Wasserwerfer ein - nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur insgesamt fünf.

Kein direkter Strahl

Die Polizei setzte die Wasserwerfer ein, um die Menschen - so wörtlich - zu beregnen; die Polizei nannte auf Twitter auch den Begriff "Sprühnebel". Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde kein direkter Strahl eingesetzt, weil auch Kinder und Jugendliche unter den Protestierenden waren.

Der Einsatz der Wasserwerfer sorgte zunächst zwar für Zerstreuung der Menschen in verschiedene Richtungen, trotzdem stellten sich den Polizeikräften nach wie vor teils sehr aggressive Menschen in den Weg und weigerten sich, den Platz am Brandenburger Tor zu verlassen.

Quelle: dpa/Christoph Soeder

Zehn Polizeikräfte verletzt

Am Rande der Proteste kam es zu Rangeleien zwischen Einsatzkräften und Demonstranten. Beamte versuchten auch, die Menge auseinander zu drängen. Einsatzkräfte wurden laut Polizei mit Flaschen, Böllern und Steinen beworfen und mit Pfefferspray attackiert. Auch die Beamten hätten daraufhin Pfefferspray eingesetzt.

Die Polizei twitterte am Mittwochabend, es habe 365 "Freiheitsentziehungen bzw. Freiheitsbeschränkungen" gegeben, meist wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Bei zwei Verdächtigen werde richterlich geprüft, ob sie in Untersuchungshaft kommen. Zehn Beamte seien verletzt worden.

Laut Polizei ergingen auch mehrere Dutzend Anzeigen "wegen nicht angelegter Mund-Nase-Bedeckung und/oder Verdacht einer Attest-Fälschung". Der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse wurde wegen Streitigkeiten um ein Attest vorübergehend von der Polizei in Gewahrsam genommen, wie er auf Twitter berichtete.

Demo am Brandenburger Tor endet am Nachmittag

Gegen 16 Uhr war nach Beobachtungen von rbb-Reportern der Platz des 18. März am Brandenburger Tor geräumt. Anschließend begann sich der Protest langsam aufzulösen. Nach und nach verließen Menschen, teils durchnässt, die Versammlung in Richtung Potsdamer Platz. Gegen 16:40 Uhr twitterte die Berliner Polizei schließlich, fast alle Versammlungen des Tages seien inzwischen beendet. "Viele ehemalige Teilnehmende sind noch in kleinen und mittelgroßen Gruppen in der Innenstadt unterwegs. Wir begleiten diese und passen auf, dass niemand Unfug macht."

Demonstranten vor dem Schloss Bellevue

Am frühen Abend zogen dann nach Beobachtungen eines rbb-Reporters mehrere Hundert Menschen zum Amtssitz des Bundespräsidenten. Im Schloss Bellevue in Berlin-Tiergarten war für den Abend die Unterzeichnung des Infektionsschutzgesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplant.

In der Parkanlage am Schloss Bellevue versammelten sich nach Schätzungen bis zu 500 Personen. Die Polizei forderte die Menschen auf, wegen der unerlaubten Versammlung das Gebiet zu verlassen. Einige Demonstranten wurden weggetragen. Gegen 19 Uhr waren die Protestierenden wieder verschwunden, berichtete ein rbb-Reporter.

Müller und Geisel verteidigen Einsatz von Wasserwerfern

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) verurteilte die Eskalationen bei den Demonstrationen scharf und sagte am Mittwoch in der Abendschau des rbb, er sei "nicht bereit, so etwas in Berlin nochmal zu akzeptieren". Einerseits würden Tausende ohne Rücksicht auf jeglichen Schutz demonstrieren, andererseits gehe es in der Pandemie um das Offenhalten von Schulen und die Existenz von vielen Unternehmerinnen und Unternehmern.

Den Polizeieinsatz lobte Müller und dankte dem Innensenator sowie der zum Einsatz gekommenen Kräfte. Man habe "entschieden, aber besonnen" agiert. Den Einsatz der Wasserwerfer verteidigte Müller: "Es sollte ungemütlich auf dem Patz werden, und das ist es auch geworden." Nach Angaben der Polizei kam zuletzt am 1. Mai 2013 in Berlin ein Wasserwerfer zum Einsatz.

Auch der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigte den Einsatz. "Erkennbar war das deutliche Ziel der Demonstrierenden, die Regeln zu brechen und zum Reichstag zu kommen", sagte Geisel am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die Polizei habe sich korrekt verhalten und alle Aktionen angekündigt. Er habe eigentlich den Einsatz von Wasserwerfern vermeiden wollen, um zu deeskalieren, sagte Geisel. "Heute hatten wir aber keine andere Wahl als mit diesen technischen Mitteln den Platz vor dem Brandenburger Tor zu räumen." Die Polizei habe die Wasserwerfer mit Augenmaß eingesetzt, sagte Geisel. Es habe keinen harten Wasserstrahl gegeben, sondern "ein Sprühen, um es ungemütlich zu machen".

tagesschau.de

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Trommelgruppen - und auch Rechtsextreme

Zu den Teilnehmern der Proteste sagte ein Polizeisprecher dem rbb, unter den Demonstranten seien auch Personen aus dem rechtsextremen Spektrum und aus der Hooliganszene sowie "Reichsbürger" gewesen - die Mehrheit hätten sie allerdings nicht gestellt. Wie schon bei anderen Demos gegen die Corona-Maßnahmen kam demnach eine Mischung an Menschen aus allen Altersgruppen zusammen. Auch Tanz- und Trommelgruppen waren vor Ort, etwa 100 Menschen beteten mit Kerzen im Tiergarten. Eine junge Demonstrantin reckte behelmten Polizisten an einer Absperrung ein hölzernes Kruzifix entgegen, andere hatten Luftballons, Trillerpfeifen und Regenbogenfahnen dabei.

Quelle: dpa/Michael Kappeler

Demonstranten in den Bundestag gelangt?

Am Nachmittag wurde bekannt, dass möglicherweise Unterstützer der Proteste in den Bundestag gelangten. Politiker verschiedener Fraktionen beschuldigen AfD-Abgeordnete, Personen als Gäste in das Parlament gebracht zu haben. "In den Bundestag eingeschleuste Personen haben u.a. versucht in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen", twitterte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast am Mittwoch. "Ich bin fassungslos. Freigewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern u. zu bedrängen ist das Allerletzte. Das Ziel: Die Demokratie zersetzen."

Die normalerweise gültige Regelung, wonach Abgeordnete sechs unangemeldete Besucher mit in den Bundestag nehmen können, wurde für den Mittwoch aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Ein Sprecher des Bundestags erklärte, Besucher müssten aber weiterhin die Sicherheitsschleuse passieren und ihre Personalien würden auf Auffälligkeiten in Polizeidatenbanken geprüft.

Mehrere angemeldete Demonstrationen direkt vor dem Reichstagsgebäude im sogenannten befriedeten Bezirk hatte das Bundesinnenministerium verboten. Die Polizei sperrte diesen Bereich weiträumig ab. Insgesamt waren 2.000 Polizisten im Einsatz mit Unterstützung aus neun weiteren Bundesländern und von der Bundespolizei.

Sendung: Abendschau, 18.11.2020, 19.30 Uhr

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