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Quelle: rbb/Sebastian Schiller

Demos gegen Corona-Maßnahmen

Wie die AfD den Protest organisiert

Die AfD versucht, den Straßenprotest in der Corona-Krise zu steuern und in die Parlamente zu tragen. Sie setzt auf organisierten Widerstand, Kooperation mit Hooligans und Gegenöffentlichkeit im Netz. Sie professionalisiert das bewährte Pegida-Konzept aus der Flüchtlingskrise. Von Olaf Sundermeyer

Nachdem der Berufsfeuerwehrmann Lars Schieske vor zwei Jahren aus seinem vorbeifahrenden Feuerwehrwagen im Einsatz die Teilnehmer einer flüchtlingsfeindlichen Demonstration in der Cottbuser Innenstadt durch ein Megafon mit "Hallo Patrioten" begrüßt hatte, nahm seine Karriere in der AfD ihren Lauf: Im Folgejahr holte er bei den Landtagswahlen in Brandenburg für die AfD das Direktmandat in Cottbus und zog in den Potsdamer Landtag ein.

Mithilfe seiner Fraktion und des AfD-nahen Vereins "Zukunft Heimat" organisiert der 43-jährige Familienvater nun selbst Demonstrationen in seiner Heimatstadt, gemeinsam mit anderen Landtagsabgeordneten der AfD. Auch Bundestagsmitarbeiter aus dem rechtsextremen AfD-Netzwerk wirken mit. Lars Schieske braucht nun kein Megafon mehr: Seine "patriotischen Grüße" setzt er inzwischen schriftlich unter die Behördenkorrespondenz, als Versammlungsanmelder in Sachen Protest.

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"Widerstand, Widerstand"

Am Dienstag dieser Woche nun ging es um die "Aufhebung des Lockdowns" in der Corona-Krise. Erlaubt waren 50 Teilnehmer mit einem Abstand von zwei Metern. Aber schon nach drei Minuten löste Lars Schieske seine angemeldete Versammlung auf dem Altmarkt auf, ein sportlicher Typ mit kurz frisierten blonden Haaren, der viele Freunde in der Stadt hat. Einige umher stehende Hooligans gaben das Kommando für den Demozug - "Los wir ziehen zum Gericht" - und Schieske führte scheinbar unbeteiligt 300 lautstarke Anhänger durch die Cottbuser Innenstadt.

Sie skandierten "Widerstand, Widerstand" und "Wir sind das Volk". Eskortiert wurden sie von zahlreichen Hooligans und Rechtsextremisten aus dem Umfeld von Energie Cottbus, die über eine Stunde lang systematisch versuchten, die Lage in der Konfrontation mit der Polizei zu eskalieren - bis sie am Ende von der Polizei festgesetzt wurden. Dabei gab sich Lars Schieske Polizisten gegenüber als "parlamentarischer Beobachter" aus, der Sorge dafür trägt, dass der Polizeieinsatz ordnungsgemäß abläuft; ebenso seine Landtagskollegen Christoph Berndt und Daniel Freiherr von Lützow, auch ein AfD-Mann, der über den Straßenprotest zu seinem Mandat kam.

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Drei Sondersitzungen im Landtag

Was den Protestierern am vergangenen Samstag in Berlin im Zusammenschluss mit einigen AfD-Mandatsträgern und Hooligans des BFC Dynamo mit den Ausschreitungen auf dem Alexanderplatz gelang, konnte die Polizei in Cottbus an diesem Dienstagabend verhindern: die Eskalation. Nach den teilweise gewalttätigen Protesten gegen die Politik von Bundes- und Landesregierungen in der Corona-Krise in verschiedenen deutschen Städten vom vergangenen Wochenende hatte Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), davor gewarnt, dass die AfD diese Proteste "kapern" würde. In Brandenburg ist die AfD als rechtsradikale Bewegungspartei schon weiter. Hier hat sich das rechtsextreme Partei-Netzwerk "Der Flügel" durchgesetzt, das sich nach Bekundungen der Partei selbst zum 30. April dieses Jahres aufgelöst hatte. Am Tag darauf schaltete das Netzwerk in verschiedenen Bundesländern auf die Corona-Proteste um.

In Brandenburg werden sie federführend aus der AfD-Landtagsfraktion organisiert, einer Strategie ihres Vorsitzenden Andreas Kalbitz folgend: im Speckgürtel um Berlin, Blankenfelde-Mahlow etwa, wo die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Birgit Bessin mit ihrem Kollegen Daniel Freiherr von Lützow agiert, und in Cottbus. In Rathenow im Havelland mobilisiert der AfD-Stadtverband montags zum unangekündigten Protest, und knüpft an ein fremdenfeindliches "Bürgerbündnis" aus der Flüchtlingskrise an.

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Währenddessen besetzt Fraktionschef Andreas Kalbitz das Corona-Thema im Landtag, wo seine Fraktion bereits drei Sondersitzungen zum Thema Corona einberief, über die sich die AfD zur wesentlichen Gegenmeinung profilieren konnte. Nach Wochen des Ringens um eine Position in dieser Frage, vor allem auch im Bundestag, hat das einflussreiche AfD-Bundesvorstandsmitglied Kalbitz die Corona-Krise nunmehr als geeignetes Protestthema für seine Partei ausgemacht: Nach der Ukraine-Krise, den Flüchtlingen und der Klima-Krise, soll nun das Virus seiner Partei Auftrieb geben, die zuletzt in den Umfragen geschwächelt hatte. Im Potsdamer Landtag fordert sie das Ende von Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht.

Und auch in anderen Parlamenten übernimmt die AfD diese Position, zuletzt auch im Berliner Abgeordnetenhaus, aus dem eine Gruppe AfD-Mandatsträger die von der Volksbühne ausgehenden Proteste zunächst über Wochen begleitet hatten. In anderen Bundesländern, wie in Bayern, Thüringen, Sachsen oder Baden-Württemberg, ist die Entwicklung ähnlich. Auch dort greift das Zusammenspiel zwischen Straßenprotest und Parlament in der Corona-Krise.

Polizei mit der Situation überfordert

In Cottbus lief es so: In der vergangenen Woche hatte der rechtsextreme Verein "Zukunft Heimat" unter seinem Vorsitzenden Christoph Berndt, ein Fraktionskollege des Feuerwehrmannes Lars Schieske, eine Versammlung angemeldet. Für die erlaubten 50 Teilnehmer. Danach richtete sich das Sicherheitskonzept der Polizei, die mit 30 Leuten im Einsatz war. Dem Aufruf des AfD-Landtagsabgeordneten Christoph Berndt folgten schließlich 300 Menschen. Die Polizei konnte die Versammlung nicht auflösen, das Infektionsschutzgesetz nicht durchsetzen. Sie war mit der Situation überfordert, zog sich zurück, und musste den Protest gewähren lassen, um eine Eskalation der Lage zu vermeiden. Das Kalkül des Protests ging auf. In vielen deutschen Städten lief es ähnlich. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck wurde der Staat bei den großen Protesten am vergangenen Wochenende überrumpelt, und die Sache nahm Fahrt auf. Inzwischen mobilisiert die AfD bundesweit für zahlreiche Demonstrationen mit ungewissem Ausgang. In Cottbus hieß es, "wir kommen wieder, und zwar so lange, bis der Staat sämtliche Maßnahmen einstellt".

"Zukunft Heimat" ist eine Vorfeldorganisation der AfD, die den Straßenprotest in der Lausitz gegen die Unterbringung von Flüchtlingen organisiert hatte. Die Idee zur Gründung der Bürgerinitiative auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kam von der AfD aus Potsdam. Das bestätigte ihr ehemaliger Landtagsabgeordneter Steffen Königer im Gespräch mit dem rbb im vergangenen Jahr. Er sagte, dass man damit "den Unmut der Bürger besser zum Ausdruck bringen" konnte.

AfD-Landeschef Kalbitz sprach im vergangenen Jahr vor vielen derjenigen, die in dieser Woche wieder durch Cottbus zogen an selber Stelle mit Blick auf Straßenprotest und Parlamentsarbeit davon, dass der "Zusammenhalt das Gebot der Stunde sei". Der Kopf des durch den Bundesverfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Parteinetzwerks "Der Flügel" sieht sich als Vater dieser Strategie, die nun auch in der Corona-Krise Erfolg haben soll: "Wir sind nur gemeinsam stark, zusammen mit Zukunft Heimat, zusammen mit Pegida Dresden, das ist das Gebot der Stunde", sagte er vor einem Jahr bei einer Demonstration in Cottbus, und weiter, "das haben wir in Brandenburg vorgemacht, da bin ich sehr stolz drauf." In der Corona-Krise machen es andere nach.

Sendung:  Brandenburg aktuell, 13.05.2020, 19.30 Uhr

 

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Beitrag von Olaf Sundermeyer

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