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Quelle: dpa/Gonzales

Zunahme der Corona-Neuinfektionen

Grüne: Berliner Clubs zu Unrecht Sündenböcke in der Pandemie

Die Corona-Krise hat die Clubszene hart getroffen. Zwischenzeitlich mussten Party-Locations schließen, nun läuft der Betrieb nur unter strengen Auflagen. Im Raum steht der Vorwurf: Clubs sind Infektionsherde. Zahlen, die das belegen, gibt es aber bislang nicht.

In den Berliner Clubs ist seit den Lockerungen der Corona-Kontaktbeschränkungen im Juli ein Ausbruch mit acht Virus-Fällen innerhalb eines Clubs bekannt geworden. Das geht aus einer Antwort der Gesundheitsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hervor.

Demnach wurden darüber hinaus vier Ausbrüche in Bars gemeldet, die mindestens 62 Infektionen verursacht haben sollen. Bei privat veranstalteten Partys wurden sechs Ausbrüche mit insgesamt 87 Fällen registriert.

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Datenlage über mögliche Infektionswege in Clubs ist sehr dünn

Weil die vorgelegten Zahlen - gemessen an der Gesamtzahl an Clubs in der Sadt - eher gering ausfallen, sehen die Grünen die Clubs zu Unrecht als Verantwortliche für die steigenden Corona-Infektionszahlen abgestempelt. Zudem kritisierten die Grünen, dass die Datenlage gar keine Informationen enthalte, ob sich die Clubgänger bei Indoor-Veranstaltungen oder auf Open-Air-Partys angesteckt haben.

Fehlende Informationen über die Rolle der Gastronomie im Berliner Pandemiegeschehen war für das Berliner Verwaltungsgericht am Freitag ein Grund, die Sperrstunde in der Hauptstadt zu kippen.

Der Senat hatte erst am 6. Oktober angeordnet, dass Gaststätten Abends nur bis 23 Uhr öffnen dürfen und Maßnahme mit den gestiegenen Zahlen an Neuinfektionen in Berlin begründet. Elf Gastronomen hatten daraufhin einen Eilantrag gegen die Sperrstunde eingereicht. Das Verwaltungsgericht suspendierte die Sperrstunde daraufhin vorerst. In der Urteilsbegründung hieß es, dass der Nutzen einer Sperrstunde zur Eindämmung der Corona-Pandemie "nicht nachvollziehbar" sei.

Kössler: "Clubkultur wird zum Sündenbock gemacht"

Mit Blick auf die Party-Locations erklärten Georg Kössler, clubpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, und Catherina Pieroth, Sprecherin für Gesundheitspolitik am Samstag: "Es scheint, als wurden hier Clubkultur und junge Menschen zu Sündenböcken gemacht, ohne dass die Datenlage das hergibt." Das spalte die Gesellschaft und helfe niemandem. "Stattdessen hätte man schon früher gegensteuern müssen, um das breite Infektionsgeschehen zu verhindern, das wir jetzt beobachten."

Für die Berliner Clubs ist seit Monaten Zwangspause wegen der Corona-Pandemie. Manche nutzen ihre Außenflächen und haben ihre Biergärten geöffnet. Wegen illegaler Raves und Partys in Berliner Parks hatte es immer wieder Ärger gegeben. Die Clubs wiesen die Verantwortung dafür über ihren Dachverband zurück.

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Vergleich der Corona-Situation mit Waldbrand

Wo sich die Berliner Corona-Patienten infiziert haben, ist für die Gesundheitsämter der Bezirke offenbar nicht leicht nachzuvollziehen. Wie viele Menschen sich tatsächlich in Kneipen, Clubs und anderen Gaststätten infizieren, ist unklar. In Neukölln, wo es zuletzt besonders viele Neuinfektionen gab, räumte Amtsarzt Nicolai Savaskan ein, dass ein Großteil der Infektionsherde nicht identifiziert werde.

Gegenüber rbb|24 verglich Savaskan die Situation mit einem Waldbrand: "Wir haben nicht mehr einen Brandherd, sondern multiple Glutnester - nicht Dutzende, sondern Hunderte." Bei 70 Prozent der Fälle finde der Bezirk keinen Infektionsherd mehr. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir seit Wochen ein asymptomatisches Infektionsgeschehen hatten, das im Verborgenen lief", so Savaskan. In seinem Bezirk sei aber durchaus "proaktiv" und mehr getestet worden als in anderen Bezirken, weshalb man vielleicht auch ein klareres Bild der Lage habe.

Der Amtsarzt sprach sich für eine risikobasierte Pandemiebekämpfung aus - "im Sinne des Schutzes aller vulnerablen Gruppen". Das heiße, dass man empfehlen würde, "dass Risikogruppen gesondert den öffentlichen Raum betreten und mit Schutzausrüstung ausgestattet werden".

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