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Video: rbb|24 | 08.10.2020 | Quelle: imago images/Hubert Jelinek

Corona-Winter in Berlin

Neukölln erlaubt Pavillons und Heizstrahler für Außengastronomie

Um Gastronomiebetriebe zu retten, will der Bezirk Neukölln seinen Restaurants, Cafés und Kneipen erlauben, Außenbereiche zu erweitern und Pavillons aufzustellen. Auch Heizstrahler werden künftig erlaubt - solange sie nicht mit Gas betrieben werden.

Das Bezirksamt Neukölln hat Gastronomiebetrieben erlaubt, bis zum nächsten Frühjahr Pavillons und Heizstrahler aufzustellen. Auch eine Vergrößerung der bestehenden Außenbereiche werde ermöglicht, wie das Bezirksamt am Donnerstag mitteilte.

Mit dem Beschluss reagiert die Bezirksverwaltung auf die prekäre Situation von Cafés, Kneipen und Restaurants in der Corona-Pandemie. Wegen der vielen Neuinfektionen in Berlin hatte der Senat am Dienstag über die geltenden Abstandsregeln hinaus eine Sperrstunde ab 23 Uhr beschlossen.

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Dehoga: Jede zehnte Berliner Gaststätte vor dem Aus

Laut einer Umfrage des Gastronomieverbands Dehoga steht deshalb etwa jede zehnte Gaststätte in Berlin vor dem Aus. "72,5 Prozent der Betriebe um ihre Existenz, 12,5 Prozent droht die Insolvenz schon im Oktober", erklärte Dehoga-Geschäftsführer Thomas Lengfelder rbb|24 am Donnerstag. Fast alle Betriebe rechneten wegen der Corona-Maßnahmen mit Umsatzeinbrüchen im Oktober und den folgenden Monaten.

Der Branchenverband sieht sich vom Senat zu Unrecht für die vielen Neuinfektionen verantwortlich gemacht. "In den Betrieben fragt man sich, warum eine ganze Branche bestraft wird. Nach unserem Kenntnisstand stammen die steigenden Infektionszahlen von privaten Veranstaltungen und illegalen Partys in den verschiedenen Parks", sagt Dehoga-Chef Lengfelder.

Bestehende Corona-Vorschriften seien in Berlin kaum kontrolliert und auch nicht sanktioniert worden. "Eine Sperrstunde für alle Betriebe, also auch für die, die sich vorbildlich verhalten, halten wir für nicht gerecht und schon gar nicht zielführend. Die Treffen werden dann in den privaten Wohnraum verlagert."

Neukölln teilt Bürgersteige neu auf

In Neukölln können Restaurants und Kneipen nun zumindest im Außenbereich neuen Spielraum bekommen: Neben sogenannten Einhausungen durch Pavillons können im Bezirk demnächst auch Vergrößerungen von Außenflächen und elektrische Heizstrahler genehmigt werden. Gasbetriebene Heizpilze bleiben in Neukölln hingegen verboten, wie Bezirkssprecher Christian Berg rbb|24 sagte. "Die sind in vielen Fällen nicht mit den Brandschutzbestimmungen zu vereinen und kommen unter Zeltplanen oder Pavillons für die allermeisten Betriebe ohnehin nicht infrage", so Berg.

Der Beschluss in Neukölln hat zur Folge, dass Bürgersteige im Bezirk bald wohl etwas anders aussehen werden: An den Hauswänden entlang soll weiterhin ein Bereich verlaufen, den Gastronomen mit Tischen und Stühlen besetzen dürfen. Der Bereich daneben, der normalerweise für Fußgänger und Rollstuhlfahrer freigehalten werden muss, darf künftig als Gastrofläche genutzt werden. Als Ausgleich muss ein dritter Teil des Bordsteins frei bleiben, der gleich neben der Straße verläuft.

Bezirkssprecher Christian Berg fasst die Maßnahmen der Verwaltung gegenüber rbb|24 so zusammen: "Wir haben alles ausgereizt, was für einen Bezirk zur Hilfe für die Gastronomie möglich ist." Für Fußgänger und Rollstuhlfahrer könnten manche Straßenabschnitte in Neukölln in den nächsten Monaten zum Zickzackkurs werden.

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Streit um gasbetriebene Heizpilze

Maßnahmen, wie eine Genehmigung von Heizpilzen hatte die Dehoga bereits im August gefordert - und einen Streit ausgelöst, den Gastwirte und Klimaschützer bis heute nicht beigelegt haben.

Die rund 150 Euro teuren Heizpilze gelten mit einem CO2-Ausstoß von etwa zwei Kilo pro Stunde als besonders umweltschädlich. Klimaschützer fordern eine andere Lösung von der Politik, während der Gaststättenverband auf eine Genehmigung drängt. Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hatte Anfang September schließlich elektrisch betriebene Heizstrahler als Kompromiss ins Spiel gebracht. Eine berlinweite Genehmigung sollte geprüft werden, hieß es.

Ob es in puncto Klimafreundlichkeit aber überhaupt einen Unterschied gibt, ist durchaus fraglich. Eva Koch, Energiebreaterin der Verbraucherzentrale hatte Ende September im rbb-Fernsehen vorgerechnet, dass die CO2-Bilanz elektrischer Heizstrahler keineswegs besser sei als bei gasbetriebenen Heizpilzen. Der Strom, den die elektrischen Geräte verbrauchen, werde schließlich nicht CO2-neutral erzeugt.

Keine flächendeckende Regelung für Berlin

Für das seit rund zehn Jahren geltende Heizpilzverbot beziehungsweise für Ausnahmen davon sind die Bezirke zuständig - das macht die Berliner Gastronomiewelt in der Coronakrise zu einem Flickenteppich: Ende September hatten Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf Heizpilze für Gastronomiebetriebe gestattet. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf appellierte an Betreiber, elektrische Wärmequellen zu benutzen, statt gasbetriebene. Damit solle die Umwelt nicht zu stark belastet werden, hieß es.

Während in Reinickendorf Kneipen- und Restaurantbesitzer erst einen Antrag beim Bezirk stellen müssen, können sie in Charlottenburg-Wilmersdorf ohne aufgestellt werden. Eine flächendeckende Regelung für ganz Berlin gibt es bei dem Streitthema bisher noch nicht.

Während Umweltverbände Heizpilze als klimaschädlich ablehnen, forderte der Gaststättenverband Dehoga wiederholt, Heizpilze wieder zuzulassen, damit die Gäste auch im Freien sitzen können. Die Industrie- und Handelskammer hat ebenfalls vorgeschlagen, das Verbot auszusetzen, gleichzeitig aber eine Klimaabgabe für Heizpilze zu erheben.

Sendung: Inforadio, 08.10.2020, 14 Uhr

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