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Audio: rbb24 Inforadio | 22.07.2022 | Lena Petersen | Quelle: imago images/C. Spicker

"Dyke* March" in Berlin

"Es ist das lesbische Ausrufezeichen am CSD-Wochenende"

Während es in Berlin viele Bars und Partys gibt, die sich an schwule und bisexuelle Männer richten, ist das Angebot für lesbische Frauen mau. Generell bleiben lesbische Frauen in der Öffentlichkeit oft unsichtbar - mit Folgen. Von Christopher Ferner

Wie sichtbar ist lesbisches Leben eigentlich in Berlin? Zu unsichtbar, sagte der Berliner Senat 2021 und startete die Fotokampagne "Lesbische* Sichtbarkeit Berlin". 1.800 Plakate waren daraufhin im vergangen Jahr von sechs Hauptstädterinnen in der gesamten Stadt zu sehen. Das Ziel: Die verschiedenen Hintergründe, Lebensweisen und Identitäten von lesbischen Frauen sichtbar zu machen.

Denn was die Sichtbarkeit angeht, dominieren in der queeren Community vor allem schwule Männer. Eine Studie der Dating-App Her ergab etwa, dass sich 31 Prozent der befragten Frauen bei Pride-Veranstaltungen wie dem CSD nicht repräsentiert sehen. Dabei sind diese Veranstaltungen eigentlich für alle gedacht, die ein Leben abseits der Heteronormativität führen - nicht nur um zu feiern, sondern auch, um auf Probleme aufmerksam zu machen.

Kaum sichtbar - auch nicht in Statistik zu Gewalttaten

"In dem ganzen LGBTIQ-Gemenge gehen die Lesben leider stark unter", sagt Manuela Kay. Die Publizistin ist Mitorganisatorin des Berliner "Dyke* March" - also der Demo, die am kommenden Freitag stattfindet und lesbischen Frauen mehr Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit geben möchte. Sichtbarkeit, die nötig ist, auch um auf das teilweise verborgene Schicksal vieler lesbischer Frauen aufmerksam zu machen.

Am drastischsten wird die mangelnde Sichtbarkeit in den Statistiken zu Gewalttaten gegen queere Menschen deutlich. Laut Antigewaltprojekt Maneo kam es 2021 zu 220 homo- und transfeindlichen Angriffen in der Hauptstadt. 172 Fälle richteten sich gegen schwule und bisexuelle Männer, 18 gegen trans Personen, sieben gegen lesbische oder bisexuelle Frauen und 23 Fälle gegen LSBTI allgemein.

Mehr Aufklärung und Sichtbarkeit gefordert

Sabine Beck überrascht das nicht. Sie ist Projektleiterin von L-Support, einem Berliner Antigewaltprojekt für lesbische, bisexuelle und queere Frauen. Sie erlebt bei ihrer täglichen Arbeit immer wieder dieselben Erklärungsansätze für Gewalt an Frauen: "Viele erleben auch, dass ihnen die Schuld für diese Gewalt gegeben wird."

So würden Betroffene von lesbenfeindlicher Gewalt zu hören bekommen, dass sie sich nicht händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen sollten. "Das führt dazu, dass Betroffene diese Gewalttaten seltener melden und unsichtbar bleiben", sagt die Projektleiterin.

"Mädchen wird Zurückhaltung anerzogen"

Damit sich an dieser Schieflage etwas ändert, braucht es laut Beck neben mehr Sichtbarkeit auch ein Bewusstsein dafür, was lesbenfeindliche Gewalt überhaupt ist. Die fange nämlich bereits bei verbalen Angriffen an. "Zudem müssen die Betroffenen wissen, dass es polizeiunabhängige Stellen gibt, an die sie sich wenden können", so die Projektleiterin.

Dass schwule Männer in der Öffentlichkeit so viel sichtbarer sind als lesbische Frauen, liege wohl auch an der allgemeinen gesellschaftlichen Stellung von Männern, sagt Manuela Kay. "Das hat letzten Endes, so banal es klingt, mit dem Patriarchat zu tun. Männer bekommen von klein auf anerzogen, sich in Szene zu setzen und sich für ihre Interessen einzusetzen", sagt Kay. Mädchen hingegen würde Zurückhaltung anerzogen. Das habe auch Folgen für die Wahrnehmung der Nöte der queeren Community.

"Dyke* March" als "lesbisches Ausrufezeichen"

Schwule Männer nähmen sich viel mehr Raum und wüssten, wie sie Netzwerke und Strukturen bilden können. Von denen würden zwar auch Lesben und andere Queers profitieren. Doch die Dominanz von schwulen Männern in der öffentlichen Wahrnehmung hätte zur Folge, dass lesbische Frauen eben weitestgehend unsichtbar blieben - auch mit ihren Gewalterfahrungen.

Der "Dyke* March" im Vorfeld des CSD will hier eine Änderung erreichen. Seit 1993 findet er in den USA statt. 20.000 Frauen kamen und zeigten Präsenz. Seit 2013 findet der Marsch auch in Berlin statt. Eine Konkurrenzveranstaltung zum CSD am darauffolgenden Tag sei das nicht. "Es ist vielmehr das lesbische Ausrufezeichen am CSD-Wochenende", betont Mitorganisatorin Kay. Sie rechnet mit etwa 5.000 Teilnehmerinnen am Freitag und hofft womöglich doch auf mehr.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.07.2022, 7:25 Uhr

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Beitrag von Christopher Ferner

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