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Quelle: dpa/S. Stache

Frauen in Brandenburgs Kommunalpolitik

"Als Frau braucht man einfach mehr Biss"

Frauen halten in Brandenburgs Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen nur rund ein Viertel der Mandate - ähnlich sieht es bei den Posten um die ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen aus. Woran liegt das? Von Lisa Steger

Monika Schultze (parteilos) ist 68 Jahre alt, hat Wirtschaft studiert und als Ökonomin gearbeitet. Oder, wie sie selbst sagt, "Ökonom". Darüber hinaus hat sie zwei Kinder großgezogen und ihnen anschließend geholfen, eigene Kinder zu betreuen.

Doch über die Kommunalpolitik fällt die selbstbewusste Frau, ehrenamtliche Ortsvorsteherin in Lubochow im Amt Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz), kein schmeichelhaftes Urteil. "Frauen haben es auch heute noch schwerer als Männer, hundertprozentig", findet Monika Schultze. "Die Frauen sind einfach so gestrickt, dass sie sich mehr für die Familie engagieren." Und auf dem Land sei das besonders aufwändig. "Hier fährt ja nichts. Die Kinder müssen immer gefahren werden." Das aber bleibe meist an den Müttern hängen, sagt Schultze.

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"Man braucht Rückgrat"

Neben der Familienarbeit gibt es weitere Gründe dafür, dass Frauen unterrepräsentiert sind, glaubt Elvira Vogel (parteilos), ehrenamtliche Ortsvorsteherin des Dorfes Sorno in der Niederlausitz. "Eine Frau braucht auf alle Fälle mehr Biss, denn die Männer machen das meist unter sich aus, die quatschen einen auch tot“, hat die 67-Jährige, die sich als "Finanzkaufmann" vorstellt", festgestellt. "Man braucht Rückgrat, sonst scheitert man."

"Ich selbst hatte nie Probleme, da ich es beruflich gewöhnt bin, meinen Mann zu stehen", sagt die Ortsvorsteherin von Ketzin-Paretz im Havelland, Christiane Schnell (Freie Wähler). Die 68-Jährige hatte sich schon früher im Betriebsrat engagiert, ist als Softwareentwicklerin in einem männlich dominierten Umfeld unterwegs. "Viele Frauen haben noch nicht das nötige Selbstbewusstsein", so Schnell. Und dies, obwohl sie genauso gut qualifiziert seien wie die Männer – oder besser.

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"Frauen sind sozialer ausgerichtet"

Elvira Vogel wünscht sich, dass mehr Frauen kandidieren. Sie hätten viel zu geben: "Mehr Einfühlungsvermögen, ein besseres Verständnis, wir können zuhören", so die Lausitzerin. "Wir setzen uns für das ein, was wir für wichtig halten, und wir setzen es auch durch." Wenn zu wenige Frauen in der Politik sind, kommen manche Themen zu kurz, ist sie sicher: "Zum Beispiel das Gesundheitswesen."

Auch Christiane Schnell ist überzeugt, dass Frauen sozialer ausgerichtet sind: "Oberste Priorität ist für mich, die Dorfgemeinschaft zu festigen, einer hilft dem anderen, so kann man am meisten bewerkstelligen“. Sie glaubt, dass sie unter anderem gewählt wurde, weil sie im Ort gut bekannt war und sich jahrelang ehrenamtlich in einem Verein engagiert hatte.

Nutzen für das Gemeinwesen

Sven Tetzlaff ist Historiker und Kommunalexperte der in Hamburg ansässigen Körber-Stiftung. Er ist sicher, dass die Allgemeinheit von einem stärkeren Engagement der Frauen sehr profitieren würde. "Frauen haben einen klaren Blick auf die Lebenswirklichkeit, sie kümmern sich um viele alltägliche Prozesse", so Tetzlaff. "Viele Frauen, die sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren, tun dies zum Beispiel, weil sie Erfahrungen mit der Bildung und dem Schulsystem gemacht haben", hat der Historiker recherchiert.

Frauen machten sich in der Kommunalpolitik für Schwimmhallen, Sportstätten und Kitas stark, "und diese Fragen sind ja ganz wesentlich für die Qualität vor Ort". Der Experte warnt aber auch: "Ich finde es wichtig, dass sie nicht dabei stehen bleiben, sondern auch andere Bereiche mitgestalten."

Sven Tetzlaff hat sich auch mit Brandenburg beschäftigt. "Hier richten sich alle sexualisierten Angriffe ausschließlich gegen Frauen", sagt Tetzlaff über das Internet und Social Media. Insgesamt würden Politikerinnen im Netz viel härter und auch unsachlicher angegangen als ihre männlichen Kollegen. Das schrecke ab.

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Landtagspräsidentin will Frauen stärker unterstützen

Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) ist überzeugt, dass die Kreise und Kommunen Frauen mehr entgegenkommen müssen. "Die Sitzungszeiten sind meist am Abend, wo man die Kinder ins Bett bringen muss", so die SPD-Landtagsabgeordnete. "Es gibt teilweise Kinderbetreuung, aber nicht flächendeckend." Den Einwand, dies könnten auch die Väter der Kinder übernehmen, lässt Liedtke nicht gelten: "Es lässt sich sicher nicht immer so regeln." Daher plädiert sie dafür, dass in solchen Fällen die steuerzahlende Bevölkerung für den Babysitter aufkommt.

Liedtke spricht sich zudem für eine andere Arbeitsorganisation aus: "Sitzungszeiten nicht unbedingt nur abends." Arbeitgeber könnten finanziell entschädigt werden, wenn Frauen wegen des politischen Ehrenamtes im Job fehlen, erklärt die Landtagspräsidentin. In Brandenburg sei dies bereits jetzt auf Antrag möglich. "Es gibt die Feuerwehr. Und wenn es brennt, dürfen die Feuerwehrleute ausfahren und löschen", so Liedtke, "aber in der Kommunalpolitik brennt es auch. Dann müssen die Frauen auch zu dieser Zeit ihren Arbeitsplatz verlassen könne, um sich der Politik zu widmen."

Paritätsgesetz war gescheitert

Im Januar 2019 hatten SPD und Linke im Landtag mit Zustimmung der Grünen ein Paritäts-Gesetz beschlossen: Parteien sollten verpflichtet werden, auf ihren Listen Männer und Frauen abwechselnd zu berücksichtigen; andernfalls sollten sie nicht zur Wahl zugelassen werden. Im Oktober 2020 allerdings kippte das Landesverfassungsgericht dieses Gesetz als verfassungswidrig: Es greife zu stark in die Freiheit der Parteien ein und verstoße zudem gegen deren Chancengerechtigkeit bei Wahlen, so die Begründung.

Auch in Thüringen stoppte das Landesverfassungsgericht ein solches Paritäts-Gesetz. Ulrike Liedtke hatte das Vorhaben seinerzeit unterstützt. "Das Gesetz ist gescheitert", räumt sie heute ein, appelliert aber an die Parteien, von sich aus ihre Listen paritätisch zu besetzen.

Studie sieht Frauen in Kreistagen unterrepräsentiert

Bis dahin scheint der Weg noch weit. Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel "Frauen-Macht-Brandenburg" kam im Frühjahr 2022 unter anderem zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Frauenanteil in den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte nur gut ein Viertel betrug. Am geringsten war er mit 16 Prozent im Spree-Neiße-Kreis; am höchsten in Oberhavel, hier lag er bei 43 Prozent.

Damit schneidet Brandenburg sogar schlechter ab als der bundesdeutsche Durchschnitt. Eine Studie der Fernuniversität Hagen hatte zutage gefördert, dass deutschlandweit etwa jeder dritte Sitz in einem Stadtparlament von einer Frau besetzt ist.

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Beitrag von Lisa Steger

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