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Video: Abendschau | 24.08.2020 | Studiogespräch mit Stadtrat Detlef Wagner | Quelle: dpa/A. Riedl

Test-Kapazitäten in Berlin fast ausgelastet

Gesundheitsminister einigen sich auf Abschaffung der Pflichttests für Reiserückkehrer

Seit Anfang August werden in Berlin Reiserückkehrer auf Corona getestet, inzwischen stoßen die Labore an ihre Grenzen. Das Problem könnte sich bald lösen: Die Gesundheitsminister haben sich darauf geeinigt, die Pflichttests wieder abzuschaffen.

Pflichttests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und kostenlose Corona-Tests für Urlauber auch aus anderen Regionen soll es nach dem Willen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern nach dem Ende der Sommerreisesaison nicht mehr geben. Stattdessen sollen Krankenhäuser und Pflegeheime im Fokus einer geänderten Teststrategie stehen. Entsprechende Vorschläge legten die Minister am Montag nach einer Schaltkonferenz vor. Sie einigten sich damit auf einen Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU).

Es habe eine hohe Übereinstimmung gegeben, dass richtigerweise im Sommer die Tests für Reisende ausgeweitet worden seien, sagte Spahn nach dem Gespräch. Man sei sich aber zugleich einig, dass mit Ende der Rückreisewelle die Kapazitäten wieder stärker im Bereich der Pflege und Krankenhäuser genutzt werden sollten.

Primäre Quarantänepflicht

Dem Konzept zufolge sollen nach Ende der Sommerferien im ganzen Bundesgebiet die Regeln für die Rückkehr aus Risikoregionen überarbeitet werden. Zuletzt enden die Ferien Mitte September in Baden-Württemberg.

Statt Reisende aus Risikogebieten direkt bei der Einreise zum Test zu verpflichten, solle wieder primär eine Quarantänepflicht greifen. Wer also aus einem solchen Risikogebiet einreist, muss sich wie bisher beim Gesundheitsamt melden und sich in Quarantäne begeben. Diese könne "nur durch ein negatives Testergebnis bei einer Testung nach frühestens fünf Tagen nach Einreise beendet werden", heißt es in dem Vorschlag.

Damit würde sich die Quarantänedauer für die Betroffenen verlängern. Denn im Moment gilt, dass Reisende, die in Risikogebieten waren, sich nach der Einreise testen lassen müssen, wenn sie keinen eigenen maximal 48 Stunden alten negativen Test vorweisen können. Ein negatives Ergebnis hebt die vorgeschriebene Quarantänepflicht auf. Seit Ende Juli können sich zudem Urlaubsrückkehrer auch aus Nicht-Risikogebieten in Deutschland kostenlos auf Corona testen lassen.

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Reiserückkehrer bringen Test-Kapazitäten an ihre Grenzen

Vor der Schaltkonferenz hatte die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) eingeräumt, dass die Kapazitäten für Tests auf Covid-19 in Berlin an Grenzen stoßen. Sie seien durch die massiven Testungen der Reiserückkehrenden ausgeschöpft.

"Wir sind jetzt bei 93 Prozent", sagte Kalayci am Montagvormittag im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Hinzu komme die Information durch die Labore, dass die Knappheit von Verbrauchsmaterialien die Testkapazitäten weiter einschränken werde. In den Ländern sei die Situation unterschiedlich. Kalayci ist momentan auch die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz.

Die Berliner CDU-Fraktion warf der Gesundheitssenatorin Versäumnisse bei der Organisation der Corona-Tests bei Reiserückkehrern vor. "Wer Testzentren für Reiserückkehrer eröffnet, muss wissen, ob es genügend Kapazitäten und Verbrauchsmaterialien in unseren Laboren sowie genügend medizinische Mitarbeiter gibt", kritisierte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tim-Christopher Zeelen. Es fehlten Vorschläge, wie Testungen gerade von Rückkehrern aus Risikogebieten sichergestellt und wie und wann Laborkapazitäten erweitert würden, sagte Zeelen.

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Kalayci verteidigte Tests für Reiserückkehrer

Kalayci verteidigte dagegen die Entscheidung, Tests für Reiserückkehrer etwa an Flughäfen und Bahnhöfen eingeführt zu haben. "Es war Konsens bundesweit hier einen Fokus zu setzen, weil wir über die Reiserückkehrenden ein Einschleppungsrisiko gesehen haben." Die Zahlen in Berlin und bundesweit in den letzten Wochen hätten das auch bestätigt. Ein erheblicher Teil der Infektionen gehe auf Reiserückkehrende zurück.

"Auf der einen Seite zeigen die Testungen an den beiden Flughäfen, am ZOB und Hauptbahnhof, dass ein Prozent ungefähr positiv sind. Man kann sagen, das ist eine sehr geringe Quote", erklärte Kalayci. "Auf der anderen Seite, wenn man einige zehntausend Testungen macht, dann geht es um einige hundert Positive, die so identifiziert werden. Ich glaube, das ist es tatsächlich wert."

Bereits vergangene Woche hatte die Charité auf erschöpfte Testkapazitäten hingewiesen, in dieser Woche wechselt nun die Verantwortung für das Testzentrum im Flughafen Tegel zur Kassenärztlichen Vereinigung. Laut dem Verein "Akkreditierte Labore in der Medizin" lag die Berliner Corona-Testkapazität vergangene Woche bei rund 10.000 pro Tag und rund 62.000 in der Woche.

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Jede dritte Infektion geht auf Reiserückkehrer zurück

Derweil spielen Reiserückkehrer bei den Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Berlin eine abnehmende Rolle. In den vergangenen Wochen habe der Anteil um 50 Prozent gelegen, sagte Kalayci vor dem Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. "Auffällig ist, dass er auf 34 Prozent runtergegangen ist." Als möglichen Grund nannte die Senatorin, dass die Schule wieder begonnen habe und die Familien inzwischen in die Stadt zurückgekommen seien. Trotzdem bleibe es wichtig, die Entwicklung zu beobachten.

Die Zahl der Neuinfektionen in Berlin insgesamt steige stetig an, warnte Kalayci. In der vergangenen Woche sei es mit 461 Neuinfektionen ein recht hoher Wert gewesen. Einzelne Bezirke haben vergleichsweise hohe Werte bei den Fallzahlen pro Woche je 100.000 Einwohner. Sie liegen den Angaben zufolge in Mitte bei 20,7 und in Friedrichshain-Kreuzberg bei 19,6 deutlich über dem berlinweiten Durchschnitt von zuletzt 14,5. In den vergangenen Wochen seien solche hohen Werte immer größeren Ausbrüchen zuzuordnen gewesen. "Das ist inzwischen nicht mehr der Fall", sagte Kalayci. "Wir haben lokalisierbare Ausbrüche zunehmend weniger. Wir haben mehr Streueffekte, was die Sache komplexer und schwieriger macht, was die Eindämmungsstrategie angeht."

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In der Frage, ob es neue Obergrenzen für private Feste geben sollte, gibt es auch nach der Telefonkonferenz am Montag keine klare Linie. Kalayci hält eine bundesweit einheitliche Regelung in diesem Bereich für nötig, sagt sie. Das stößt in mehreren Bundesländern, darunter in Sachsen-Anhalt und in Sachsen, auf Widerstand. In Berlin dürfen sich zu privaten Feiern aktuell bis zu 500 Menschen treffen, in Brandenburg gibt es keine Obergrenze mehr.

Bei einer Videokonferenz wollen am Donnerstag auch die Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über dieses Thema beraten. Nach Ansicht der Bundesregierung tragen vor allem private Feiern, bei denen die Hygiene- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden, sowie Rückkehrer aus Risikogebieten zu den steigenden Infektionszahlen in Deutschland bei.

Sendung: Abendschau, 24.08.2020, 19:30 Uhr

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