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Corona-Proteste

Berliner Versammlungsbehörde lehnt "Querdenker"-Silvesterdemo am Brandenburger Tor ab

Die "Querdenker" wollen an Silvester wieder auf der Straße des 17. Juni demonstrieren. Die Berliner Polizei lehnt das ab. Der Grund: Der Boulevard sei schon mit der seit Langem geplanten Silvesterfeier vor dem Brandenburger Tor besetzt. Von Olaf Sundermeyer

Es soll an Silvester wieder so werden, wie bei den zwei Großdemonstrationen der umstrittenen Initiative "Querdenken" im August in Berlin: Vom Salzufer über den Großen Stern bis zum Brandenburger Tor soll auf der Straße des 17. Juni ein "Fest für Freiheit und Frieden II" für 22.500 Menschen stattfinden. Diesen Wunsch haben die Veranstalter am vergangenen Montag bei der Berliner Polizei hinterlegt: mit jener Teilnehmerzahl, die durch die Behörde selbst nach der ersten Großdemonstration am 1. August bekannt geben worden war. Aber die Genehmigung wird den "Querdenkern" bislang durch die Versammlungsbehörde verwehrt - mit dem Verweis auf die seit langem geplanten Silvesterfeier 2020 am selben Ort.

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Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Am vergangenen Freitag hatte "Querdenken"-Chef Michael Ballweg in einer Rede auf einer Anti-Corona-Demonstration vor rund 300 Teilnehmern vor dem Reichstagsgebäude aus dem entsprechenden Ablehnungsbescheid der Berliner Polizei vorgelesen. Auf Anfrage des rbb bestätigte Polizei-Sprecher Thilo Cablitz noch am selben Wochenende diese Ablehnung mit dem "Erstanmeldergebot". Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Gleichwohl kündigte Ballweg wiederum an diesem Sonntag bei einer Kundgebung der "Querdenker" in Konstanz an, Silvester in der Hauptstadt demonstrieren zu wollen. In seinem breiten Netzwerk aus Corona-Leugnern, Verschwörungsgläubigen, Reichsbürgern und anderen Kritikern staatlicher Corona-Maßnahmen kommt dies als Einladung an. Die Mobilisierung derjenigen nach Berlin läuft, die sich im Widerstand zur Politik der Bundesregierung sehen und in einer "Corona-Diktatur" wähnen.

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Zunächst aber wollen die "Querdenker" am 7. November in Leipzig demonstrieren: Am Jahrestag der großen Massendemonstration 1989, die das Ende der DDR mit eingeleitet hatten, zwei Tage vor dem Mauerfall. Neben Stuttgart, wo Michael Ballweg mit seiner Ortsgruppe "Querdenken711" sitzt, ist Leipzig mit "Querdenken341" ein zweiter, besonders aktiver Knotenpunkt des Netzwerks. Von dort kommt "Querdenken"-Anwalt Ralf Ludwig, der die juristische Auseinandersetzung mit Versammlungsbehörden und Verwaltungsgerichten vor Kundgebungen in ganz Deutschland führt.

Ihre beiden lokalen Gruppen waren gemeinsam für die vergangene Großdemonstration am 29. August in Berlin verantwortlich. Vor allem hinter dem Leipziger Ableger versammeln sich neben bürgerlichen Corona-Leugnern zahlreiche Reichsbürger, Hooligans und Rechtsextremisten, die an diesem Tag vor der russischen Botschaft Unter den Linden gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei provoziert hatten.

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Zuerst Leipzig, dann Berlin?

Bei seiner Rede am vergangenen Freitag in Berlin hatte Michael Ballweg auch die Leipziger Demo für den 7. November angekündigt: mit dem Hinweis auf das besondere Datum und die Tradition des friedlichen Widerstands in der DDR. Diese inhaltliche Verbindung tragen viele Gegner der Bundesregierung wiederkehrend seit Beginn der Pegida-Bewegung vor sechs Jahren in Sachsen vor. Die "Querdenker" haben sie ansatzlos für ihre Sache übernommen. Auch darüber greift der Widerstand: im Zusammenschluss der sich mehrheitlich im Südwesten Deutschlands sammelnden "Querdenker" mit einer Bewegung, die Ostdeutschland seit der Flüchtlingskrise erfasst hat, und die sich nun ins "Widerstandsrecht" gesetzt sieht, wie es viele ihrer Redner formulieren. Über die Demonstration Anfang November in Leipzig wollen sich die "Querdenker" offensichtlich zu ihrem Wunschtermin an Silvester in Berlin steigern.

Wunsch einer Wiederkehr in der Hauptstadt

Zu einer Menschenkette am vergangenen Samstag am Bodensee hatten sich lediglich 11.000 statt der von den "Querdenkern" ursprünglich angekündigten 250.000 Menschen versammelt. Bei der vergangenen Demonstration Ende August in Berlin hat das Netzwerk seine bislang größte Ausdehnung in der Öffentlichkeit erfahren, mit von der Polizei geschätzten 38.000 Teilnehmern. Auch deshalb ist der Wunsch einer Wiederkehr in die Hauptstadt groß.

Ob die "Querdenker" an Silvester möglicherweise an einem anderen Ort in Berlin demonstrieren werden als auf der Straße des 17. Juni oder juristisch gegen den Ablehnungsbescheid der Berliner Versammlungsbehörde vorgehen, war bis Montagmittag noch nicht in Erfahrung zu bringen.

Findet die Silvesterparty überhaupt statt?

Auch die Berliner Senatskanzlei hat sich auf rbb-Anfrage bislang noch nicht zu den konkreten Silvesterplänen geäußert. Erst am Wochenende hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) angesichts rasant steigender Corona-Infektionszahlen in Berlin ein eingeschränktes Alkoholverbot und rigide Kontaktbeschränkungen gefordert. Beides stünde im starken Widerspruch zu einer durch das Land Berlin organisierten Massenparty an Silvester.

Aktuell wirbt Berlin noch auf seinem offiziellen Hauptstadtportal berlin.de für "die größte Party des Jahres am Brandenburger Tor", als "eine der weltweit größten Silvester-Open-Air-Veranstaltungen." Im vergangenen Jahr kamen Hunderttausende Menschen zu dieser traditionellen Silvesterveranstaltung.

Sendung: Abendschau, 05.10.2020, 19:30 Uhr

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