Brandenburg vor der Wahl - Land der roten Hoffnung - und der schwarzen

Mo 18.08.14 | 12:20 Uhr | Von Alex Krämer

Die Bilanz nach fünf Jahren Rot-Rot fällt gemischt aus: mehr Menschen in Arbeit und weniger Schulden, dafür steigende Kriminalität und ein Braunkohle-Abbau, der das Land spaltet: Wählt Brandenburg bei der Landtagswahl Mitte September deshalb weniger Rot und mehr Schwarz? Und wie wählen die 16-Jährigen, die erstmals in einem deutschen Flächenland mit von der Partie sind? Von Alex Krämer

Es ist "nur" eine Landtagswahl.  Aber vor allem für eine Partei hat die Abstimmung am 14. September durchaus bundespolitische Bedeutung: Die Linke will in Brandenburg beweisen, dass sie mitregieren kann – und dass ihr dies nicht schadet.

Diesen Beweis kann sie nur in Brandenburg antreten. Denn die Regierung in dem 2,5-Millionen-Einwohner-Land ist die einzige, an der die Linke noch beteiligt ist. Zwar rechnet sich die Partei auch bei der zeitgleichen Landtagswahl in Thüringen sowie bei der Sachsen-Wahl Ende August gute Chancen aus - in Thüringen kann sie vielleicht sogar mit SPD-Unterstützung den Regierungschef stellen. Doch in Brandenburg hat die Linke eben schon Ergebnisse aus fünf Jahren Regierungsarbeit vorzuweisen. "Wir wollen weitermachen", lautet daher die Parole, die Spitzenkandidat und Finanzminister Christian Görke ausgegeben hat.

Linke - nutzt oder schadet das Mitregieren?

Sehr viel weniger als die von Görke angepeilten 25 Prozent der Stimmen sollten es am Wahltag aber nicht werden. Sonst könnte innerhalb der Partei eine Debatte darüber losbrechen, ob Mitregieren der Linken eben doch schadet. Immerhin hat sie in den Regierungsjahren Entscheidungen mitgetragen, die ihr schwer fielen - etwa den Stellenabbau im öffentlichen Dienst oder die Genehmigung eines weiteren Braunkohle-Tagebaus in der Lausitz. Die Enttäuschung darüber dürfte sie einige Stimmen kosten.

Doch gleichzeitig haben SPD und Linke auch einige soziale Akzente gesetzt. Sie haben ein Landes-Schüler-Bafög für angehende Abiturienten eingeführt und festgelegt, dass nur solche Unternehmen Landesaufträge bekommen, die einen Mindest-Stundenlohn von 8,50 Euro zahlen. Beides war in der Großen Koalition von SPD und CDU, die Brandenburg bis 2009 regierte, nicht möglich. Dies sind wiederum Pluspunkte für die Anhängerschaft der Linken.

SPD dürfte wieder Rot-Rot anstreben

Ob die Linke weiter mitregieren kann, hängt natürlich vom Wähler ab – aber auch davon, für welchen Partner sich die SPD nach der Wahl entscheidet. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Dietmar Woidke die Wahl zwischen der Linken und der CDU haben werden. Eine direkte Koalitionsaussage der SPD gibt es zwar nicht –  aber eine ganze Menge Signale, die auf eine Fortsetzung des rot-roten Bündnisses hindeuten, mit dem die SPD bisher nicht schlecht gefahren ist. 

Nach wie vor sind die Sozialdemokraten stärkste politische Kraft im Land, so wie immer seit 1990 (Grafiken). Das hat sich auch nicht geändert, als der Regierung nach und nach mehrere Minister abhanden kamen und dann auch noch 2013 der populäre Ministerpräsident Matthias Platzeck aus Gesundheitsgründen zurücktrat und den Platz für Dietmar Woidke freimachte.

Woidke "funktioniert gut auf Dorffesten"

Dietmar Woidke, zuvor Innenminister, ist zwar nicht so öffentlichkeitswirksam wie sein Vorgänger Platzeck. Seine Reden kommen hölzerner daher. Aber auch er kann gut auf Leute zugehen. "Er funktioniert gut auf Dorffesten“, sagt SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz über den SPD-Spitzenkandidaten. Im ländlich geprägten Brandenburg ist das keine schlechte Voraussetzung für einen Wahlkämpfer. In seinem ersten Jahr im Amt hat Woidke es auch geschafft, sich zumindest einen kleinen Amtsbonus zu erarbeiten. Der dürfte ihm am 14. September zugute kommen – auch im Vergleich mit seinem Herausforderer von der CDU.

CDU-Spitzenmann noch nicht sehr bekannt

Der CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack, 48-jähriger Arzt aus Cottbus und erst seit 2009 im Landtag, kämpft bisher damit, dass ihn kaum jemand kennt. Dass es dem Linken-Spitzenkandidat Christian Görke ähnlich geht, ist da nur ein schwacher Trost. Schieracks Position ist zudem strategisch nicht ganz einfach: Er muss die Regierung angreifen, um sich zu profilieren, darf aber nicht so heftig draufhauen, dass die SPD nach der Wahl keine rot-schwarze Koalition mehr eingehen will.

Schwarz könnte wohl nur mit Rot regieren

Denn für die CDU führt der Weg zurück an die Macht nach Lage der Dinge nur über die SPD. Selbst wenn die Konservativen, die in Umfragen sehr gute Werte um 30 Prozent erzielen, bei der Wahl stärkste Kraft würden, käme das dem fast sicheren Gang in die Opposition gleich. Denn in diesem Fall würde die SPD ihr Bündnis mit der Linken fortsetzen, und die Union könnte nichts dagegen ausrichten – denn ihr fehlen die potenziellen Koalitionspartner.

Ob die FDP in Brandenburg erneut ins Parlament kommt, ist ungewiss. Mit den Grünen würde es für die CDU ebenfalls nicht reichen. Und die AfD hat in Brandenburg zwar durchaus die Chance ins Parlament zu kommen – aber nicht so stark, dass eine CDU/AfD-Koalition die Macht in der Staatskanzlei übernehmen könnte. Zwar hat der CDU-Spitzenmann Schierack ein Bündnis mit der eurokritischen Partei nicht ausgeschlossen. Doch das ist eher ein Gedankenspiel als eine reale Option.

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD/2.v.l.) steht am 03.06.2014 vor dem Stadtverordneten Welzow und Einwohner von Proschim, Günter Jurischka (CDU) - Foto: dpaDie Entscheidung für mehr Braunkohle-Abbau könnte die Regierungsparteien Stimmen kosten

Einige Erfolge nach holprigem Start

Für die Opposition  - also CDU, Grüne und FDP – gibt es nach fünf Jahren Rot-Rot durchaus Angriffspunkte. Nach einer umstrittenen Polizeireform hat die Kriminalität im Land zugenommen, insbesondere entlang der Grenze zu Polen sowie im dicht besiedelten Speckgürtel um Berlin. Eltern beklagen sich vielerorts über Stundenausfälle an den Schulen. Zudem hatte das rot-rote Bündnis zu Beginn massive Startschwierigkeiten: Im Herbst 2009 wurden diverse Stasi-Fälle in der Linken-Landtagsfraktion bekannt.

Auf der Habenseite kann die rot-rote Regierung verbuchen, dass der Landeshaushalt deutlich besser aussieht als vor fünf Jahren: Brandenburg hat bereits das vierte Jahr in Folge keine neuen Schulden aufgenommen, sondern vielmehr Überschüsse erwirtschaftet. Damit ist der 18-Milliarden-Euro-Schuldenberg etwas kleiner geworden.  Das hat auch damit zu tun, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist: Im Juni 2009 lag die Quote noch bei 12,2 Prozent, fünf Jahre später sind es noch neun Prozent. Auch wenn sich nicht klar beziffern lässt, was von dieser Entwicklung auf das Konto der Landespolitik geht - für die Stimmung im Land ist dies ein wichtiger Pluspunkt. Denn die Erfahrung der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren sitzt vielen in Brandenburg noch tief in den Knochen.

Ein junger Mann kommt aus einer Wahlkabine (Bild: DPA)
Die erst 16-jährigen Jungwähler dürften politische Trends setzen, sagen Jugendforscher | Bild: dpa

Erstmals dürfen 16-Jährige wählen

Wie auch immer die Wahl ausgeht – auf alle Fälle erlebt Brandenburg am 14. September eine Premiere:  Zum ersten Mal dürfen bereits 16-Jährige mitwählen. Das gab es auf Landesebene bisher nur bei der Bürgerschaftswahl 2011 in Bremen, aber noch nie in einem deutschen Flächenland. Schleswig-Holstein und Hamburg haben ihr Wahlrecht aber ebenfalls dahingehend geändert.

Besonders großes Gewicht dürfte diese neue Gruppe sehr junger Wähler in Brandenburg - es sind rund 37.500 von insgesamt 120.000 Erstwählern - erst einmal nicht entfalten. Wie überall in Ostdeutschland, steigt auch hier die Zahl der älteren Bürger. Deshalb haben Rentner weiterhin deutlich mehr Einfluss auf das Ergebnis als das Jungvolk.

Jugendforscher wie Klaus Hurrelmann von der Berliner "Hertie School of Governance" sehen in den 16-Jährigen dennoch eine wichtige Wählergruppe: So wie sie entscheiden, dürften in wenigen Jahren auch die Erwachsenen abstimmen.

Beitrag von Alex Krämer

Mehr zum Thema

Landtagswahl am 14. September - Koalitionspoker in Brandenburg

Brandenburgs Regierungschef Woidke hat in der heißen Phase des Landtagswahlkampfes mit lobenden Worten für die Linke eine Debatte losgetreten. Hat sich die SPD längst auf eine Fortsetzung der rot-roten Regierungskoalition festgelegt? Die Grünen reagieren verschnupft, CDU-Spitzenkandidat Schierack blickt der Wahl "optimistisch entgegen".

Landtagswahlprogramm einstimmig beschlossen - Linke will weiter mitregieren

Das Ziel heißt 25 Prozent plus x: Die Linke will bei der Landtagswahl am 14. September wieder erfolgreich abschneiden und Brandenburg weiter mitregieren. Am Samstag hat die Partei in Cottbus dafür ihr Wahlprogramm beschlossen. Die Linke will mehr Geld für die klammen Kommunen, mehr Erzieher für Kitas und mehr Lehrer für öffentliche Schulen.