Berlin ist kein Naturparadies - und ein Pilzparadies schon gar nicht. Aber es gibt ein paar Eckchen, wo der Pfifferling oder die Marone zu finden sind. Allerdings muss man sich beeilen - und vor den Hunden im Unterholz sein.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Der Pilz ist ein Berliner. Ein typischer. Der Pilz würde gern den Nachbarn verklagen, den mit dem Laubbläser. Und der Pilz würde sofort aus dem Moloch "Stadt" wegziehen, wenn er es sich nur leisten könnte. Außerdem findet der Pilz, dass die anderen auf ihn runterblicken und immer nur dann Augen für ihn haben, wenn sie was von ihm wollen (Pilze essen). Und der Pilz kann mit der Handy-Generation nichts mehr anfangen. Digital ist nicht dem Pilz seine Sache.
Aber der Pilz ist wieder in. Schwer angesagt. Pilze in der Stadt - das ist alljährlich ein immer wieder aufploppendes und ganz typisches Stadtmagazinthema: "Pilze sammeln in Berlin? - Ja das geht", schreibt der Prinz und ein anderes Magazin deckt unter der Überschrift "Zitty und die Waldtypen" auf, wo man "Pilze legal im Wald ernten kann", und tipBerlin führt in sein "Pilze sammeln in Berlin"-Spezial mit dem Satz ein: "Natur ist die neue Kultur."
... | Quelle: rbb
Tipps aus der Biologie
Natürlich haben die Medien recht. Ja, es gibt Pilze in Berlin. Ja, Pilze sammeln ist schick, weil man damit zeigt, dass man sich auskennt in der Hood und ja, natürlich war Pilze-Sammeln schon immer Kultur.
Wo also kann man in Berlin Pilze sammeln? Wiesen und Wälder, lautet die einfache Antwort. Das ist alles, was es braucht. Darüber hinaus hilft aber auch Wissen, wie es Lehrer Lämpel schon Max und Moritz lehrte. Wissen über Symbiosen, Verträglichkeiten und gegenseitige Abhängigkeiten zwischen Pilz und Pflanze, Wissen über Mineralen wie Stickstoff, Nitrate und Phosphate im Boden. Die Bodenbeschaffenheit ist wichtig für eine gute Pilzstelle.
Symbiose zwischen Baum und Pilz
Und dann ist da noch der richtige Zeitpunkt: Pilzzeit ist eigentlich das ganze Jahr, doch die populären Arten, also die Pilze, die viele kennen und leicht identifizieren können, wachsen ab dem Spätsommer: Marone, Steinpilz, Pifferling, Schirmpilz, Birkenpilz und Rotkappe. Wem es an Tipps für gute Pilzstellen mangelt, kann sich auch mit ein wenig pfadfinderischem Wissen orientieren: Sind viele Nitrate im Boden, ist es warm genug oder sogar schon zu heiß und welche anderen Pflanzen wachsen, die anzeigen könnten, welche Pilze hier zu finden sind.
Eine ganz typische Symbiose zwischen einer Waldpflanze und einem Pilz ist der Austausch über die Wurzeln des Baums und das Mycel des Pilzes. Der Pilz unterstützt dabei den Baum bei der Aufnahme von Wasser oder Nährstoffen aus dem Boden und der Pilz profitiert von den Kohlenhydratverbindungen, die der Baum abgibt. Solch eine Symbiose findet etwa zwischen der Birke und dem Birkenpilz statt.
Kleine pilzige Hunde-frei-Oasen
Selbst in Berlin gibt es genug Wälder und Wiesen und Unterholze, wo Pilze und Pflanzen kooperieren, so dass beides sprießen kann. Wenig Erfolg allerdings hat der Pilzsammler dort, wo eine ständige Bearbeitung etwa mit Laubbläsern und Harke stattfindet, oder wo die Pfiffis und Katzen der Anwohner durchs Kraut pflügen. Chancen auf Pilzfunde also hat man abseits dieser Erscheinungen, etwa in den Wäldchen entlang der Havelchaussee oder rund um den Teufelsberg, in den Müggelbergen im Köpenicker Stadtforst, im Tegeler Forst oder rund um den Faulen See in Weißensee.
Und dann gibt es da noch die Theorie, dass der Pilz eben kein Berliner ist. Was man daran erkennen kann, dass er sich versteckt, Hunde doof findet und früh aufsteht.