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Quelle: Your Mask

FFP2-Maskenproduktion in Berlin-Reinickendorf

"Ich liebe das Geräusch der Maschinen"

Drei Brüder in Berlin setzten am Anfang der Corona-Pandemie alles auf eine Karte und fingen an, FFP2-Masken zu produzieren. Inzwischen sind medizinische Masken sogar im Einzelhandel und im Nahverkehr Pflicht - und die Entscheidung zahlt sich aus. Von Matthias Bartsch

Der Ort, wo in Berlin die meisten FFP2-Masken hergestellt werden, liegt in einem unscheinbaren Gewerbegebiet, mitten in Reinickendorf. "Janz am Ende, Halle 7", berlinert mir eine Frau zu, die offensichtlich meinen suchenden Blick bemerkt hat. "Dit wollen janz viele wissen." Der neue Maskenhersteller scheint der neue Shootingstar im Gewerbegebiet zu sein. Eine unscheinbare Tür führt schließlich in eine 1.000 Quadratmeter große Halle.

Das Anklopfen kann man sich sparen. Der Besucher wird von einem ohrenbetäubenden Lärm empfangen. Das Bild wirkt surreal. Arbeiter in weißen Kitteln und Atemschutzmasken wuseln um drei Bandmaschinen herum. Schnell wird klar, dass die etwa sieben Meter langen Bänder den Lärm verursachen. Und - dass hier im Akkord gearbeitet wird - offensichtlich permanent.

Matay Erdinc | Quelle: Your Mask

Volles Risiko - auch ohne Regierungsauftrag

"Wenn die Maschinen aus sind, setzt bei mir ein komisches Gefühl ein. Ich liebe dieses Geräusch", sagt Matay Erdinc zur Begrüßung. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Robert (43) und Aday (25) hat der 41-Jährige im Frühjahr letzten Jahres eine komplette Kehrtwende im Berufsleben hingelegt. "Alles fing mit einer Whatsapp-Nachricht an", erzählt Matay. "Kennt Ihr jemanden, der FFP2-Masken herstellt?", lautete die Frage. Matay Erdinc war bis zu diesem Zeitpunkt Goldschmied. Auch seine Brüder verdienten ihr Geld in anderen Branchen, als Steuerfachangestellter und im Immobiliensektor.

Doch die Frage, warum FFP2-Masken nicht auch in Deutschland hergestellt werden, ließ die Brüder nicht mehr los. Sie gründeten ein Unternehmen und seit einem Dreivierteljahr dreht sich in der Familie Erdinc alles nur noch um das Thema FFP2-Masken.

Alles musste schnell gehen: Finanzierung sicherstellen, Businessplan erstellen, Maschinen einkaufen, Mitarbeiter einstellen. "Wenn ich daran denke, dass vor einigen Monaten diese Halle leer stand, kann ich es selbst noch nicht glauben", sagt Robert Erdinc. Eigentlich waren sie schon zu spät dran, das sogenannte Open-House-Verfahren der Bundesregierung war schon abgelaufen. Aber als klar wurde, dass auch auf dem freien Markt FFP2-Masken stark nachgefragt werden, wagten sie den Sprung in das Geschäft, auch ohne Regierungsauftrag.

600.000 Masken in einer Woche

Ein Maschinenbauer, der die Produktionsanlage mit den Bändern baute, war schnell gefunden. Dann mussten Rohstoffe für die Masken eingekauft werden. "Die Leute haben eine Grundskepsis gegenüber Masken, die aus China kommen", sagte Robert Erdinc. "Nicht alles was aus China kommt, ist schlecht", so Robert weiter. "Aber 'Made in Germany', das zählt in Deutschland nach wie vor - zurecht." Die Masken werden streng geprüft und erfüllen alle Auflagen.

Die Nachfrage nach den FFP2-Masken aus Reinickendorf lässt nicht nach. Mittlerweile arbeiten 40 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Halle, dazu kommen Zeitarbeiter, die unter anderem aus der Gastro-Szene stammen. Sie produzieren 600.000 FFP2-Masken pro Woche. "Definitiv eine Win-win-Situation", sagt Robert Erdinc.

Die Pandemie geht - FFP2-bleibt

Die Familie Erdinc ist ein Risiko eingegangen, mit einer Investitionssumme von 2,5 Millionen Euro. Die Zahlen zeigen aber, dass sich der mutige Schritt auszahlt. "Die Nachfrage ist unglaublich", sagt Matay Erdinc. Anfangs waren die Abnehmer Krankenhäuser, Apotheken oder Handelsketten. Mittlerweile fragen Unternehmen aus allen Branchen nach.

"Selbst wenn wir die Pandemie irgendwann in den Griff bekommen, wird die Nachfrage nach gut schützenden Masken bleiben", ist sich Robert Erdinc sicher. Es sei eine Art Mentalitätswechsel, der in Asien schon vor vielen Jahren eingesetzt habe, sagt er. Und bis jetzt zumindest lag die Familie Erdinc mit ihren Visionen richtig.

Sendung: rbb88,8, 01.02.2021

Beitrag von Matthias Bartsch

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