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Audio: rbbKuktur | 19.01.2021 | Interview mit Jakob Maske | Quelle: dpa/K. Schmitt

Interview | Kinderarzt über Lockdown

"Viele Kinder haben kaum noch einen Tag-Nacht-Rhythmus"

Kinder und Jugendliche sitzen zuhause, machen wenig Sport und treffen kaum Freunde. Das muss Auswirkungen haben. Jakob Maske ist Kinderarzt in Berlin. Im Interview spricht er darüber, wie sich der Corona-Lockdown auf Kinder und Jugendliche auswirkt.

rbb: Herr Maske, welche Auswirkungen haben die Pandemie beziehungsweise die Beschränkungen durch den Lockdown für Kinder und Jugendliche?

Jakob Maske: Das ist natürlich sehr abhängig davon, wie alt die Kinder sind. Wenn Sie die Jugendlichen ansprechen, sehen wir seit letztem März tatsächlich sehr viele Menschen, die deutlich an Gewicht zulegen. Und das ist in einem Maße, was wir vorher noch nicht gesehen haben. Wir sehen aber auch gerade bei Jugendlichen schwere psychiatrische Beeinträchtigungen, sei es depressive Störungen oder Zwangsstörungen.

Zur Person

Jakob Maske ist Kinderarzt in Berlin und Landessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte

Wodurch kommt das genau?

Das hat natürlich viele Ursachen. Es ist natürlich auch so, dass dieser Rahmen, den die Kinder im täglichen Leben sonst haben, vollkommen zusammenknickt. Sie sitzen vielmehr vor den Medien - gar nicht nur für die Schule, sondern eben auch für andere Dinge. Sie haben keinen sozialen Kontakte mehr und das gesamte Gerüst des Tages geht verloren, sodass viele Kinder kaum noch einen Tag-Nacht-Rhythmus haben. Das ist natürlich etwas, das die Psyche sehr stark beeinträchtigt.

Ist Corona jetzt das i-Tüpfelchen bei den ganzen zum Beispiel psychischen Problemen oder muss es auch eine Vorgeschichte geben? Welche Kinder sind dafür anfällig?

Also wir sehen natürlich Kinder, die sicherlich auch vorher dafür anfällig waren und für die Corona das i-Tüpfelchen ist. Wir sehen aber eben auch ganz normal gesunde Kinder beziehungsweise Kinder, die vorher keine Anzeichen von psychiatrischen Erkrankungen haben, die trotzdem Ängste bekommen und auch therapiebedürftig werden.

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Wenn die Eltern unerwünscht sind

Inwieweit können Eltern Einfluss nehmen, um all diese Dinge zu verhindern?

Für die Eltern ist es wahnsinnig schwierig, gerade bei den Jugendlichen zu sehen: Ist das noch Mediennutzung für die Schule oder ist das jetzt schon Mediennutzung für Spiele? Schlafen sie abends oder haben sie den Computer oder das Telefon noch mit im Bett?

Es ist von daher wichtig, ganz klare Regeln aufzustellen, den Tag zu strukturieren, auch Pausen für die Kinder und Jugendlichen einzurichten. Aber natürlich auch für sich selbst als Eltern. Sie sind meistens auch noch im Home-Office und damit doppelt oder dreifach belastet. Das ist sicherlich keine einfache Aufgabe. Deswegen: den Tag strukturieren, regelmäßige und gesunde Mahlzeiten, Pausen einrichten. Es ist auch wichtig rauszugehen und nicht den ganzen Tag in der Wohnung oder im Haus zu sein. Man kann zum Beispiel zusammen mit den Kindern Sport an der frischen Luft machen. Das sind so kleine Tipps, die aber doch eine ganze Menge auslösen können.

Der Zustand der geschlossenen Bildungseinrichtungen wird noch eine Weile anhalten. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die Kinder und Jugendlichen?

Wie auch im ersten Lockdown sehen wir auch jetzt wieder, dass die Sicht der Kinder eigentlich gar nicht eingenommen wird. Das ist natürlich aus der Politik heraus und eine große Problematik. Wir sehen nur das Virus. Wir sehen auf einmal Kinder wieder als Superspreader, wovon wir eigentlich mühevoll abgekommen sind. Jetzt sind sie wieder alle Superspreader und alles ist ganz schlimm. Es wird leider nicht gesehen, dass eben noch andere Erkrankungen aus diesem Lockdown heraus entstehen können, die unter Umständen für die Kinder und Jugendlichen sehr viel schwieriger sind als das Virus selber. Insofern plädieren wir an die Politik, die Sicht der Kinder und Jugendlichen einzunehmen und auch hier eine vernünftige Lösung zu finden. Es ist sicherlich möglich, Schulen und Kitas wieder zu öffnen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Jakob Maske führte Ev Schmidt für rbbKultur.

Der Text ist eine redigierte Fassung. Das Gespräch können Sie auch oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbbKultur, 19.01.2021, 09:10 Uhr

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