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Beleidigungen und Angriffe wegen Corona-Regeln

"Die Stimmung kann binnen zwei Sekunden komplett drehen"

Schule, Friseur, Apotheke oder Testzenrum: Jeden Tag bekommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort den Hass und die Aggressivität von Menschen zu spüren, die die Corona-Maßnahmen ablehnen. Wie fühlt sich das an?

Dies ist der zweite Teil unseres Beitrags. Den ersten Teil finden Sie hier.

David, arbeitet in einem Fitnessstudio in Berlin

Ich mache Service, kontrolliere auch Impfnachweise. Von persönlichen Beleidigungen bis zu Drohungen ist alles vertreten. "Ich warte auf Dich. Wenn Du Feierabend hast, passiert was" oder "Ich sorge dafür, dass Du Deinen Job verlierst" - solche Sachen darf ich mir von Kunden anhören, die ich kontrolliere. Bei den Impfnachweisen gibt es massenweise Fälschungen, da muss man sich nichts vormachen: Man hat keine Chance, das alles zu erkennen.

Die Leute sind sehr grundlegend viel aggressiver und misstrauischer aufgrund der sich oft ändernden Regeln. Die Regeln verhindern leider, dass wir unseren eigentlichen Job machen, aber so ist es nun mal.

Körperlich ist mir bis jetzt noch nichts passiert, aber die Stimmung kann binnen zwei Sekunden komplett drehen. Mitglieder, die ich seit vier Jahren kenne und die treue Kunden sind, fangen plötzlich an, aggressiv zu werden.

Klar belastet mich das. 40 Stunden die Woche jeden Tag unangenehme Situationen zu erleben, das geht an keinem Menschen spurlos vorbei. Die Mitarbeiter sind alle maximal frustriert, das Stresslevel ist wirklich hoch. Aber man kann nur weitermachen, aushalten, positiv bleiben. Ich versuche, niemandem die Schuld zu geben. Die Position, die ich mir erarbeitet habe, wegzuschmeißen, wäre auch fatal.

Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Matteo*, arbeitet als Lehrer an einer Integrierten Sekundarschule in Berlin und unterrichtet die Klassenstufen 7 bis 10

Es gibt Eltern, die anhaltend die Sinnhaftigkeit von Maskenpflicht und wöchentlichen Tests in Frage stellen und die für rationale Begründungen schlichtweg unzugänglich sind. Das Problem dabei ist, dass deren Kinder diese Haltung übernehmen und in die Schule tragen, ohne argumentativ dafür gerüstet zu sein.

Das führt letztendlich dazu, dass genau diese Kinder dann ausgegrenzt werden oder sich selbst an den Rand stellen, weil sie gegen die breite Masse an "vernünftigen" Mitschüler:innen handeln, ohne eigentlich richtig zu begreifen, warum eigentlich. Diese renitenten Eltern schaden also in erster Linie ihren eigenen Kindern, indem sie ihnen ihren persönlichen Unmut eintrichtern und sie dann damit in die Schule schicken.

Quelle: dpa/Britta Pedersen

Dabei sind meiner Erfahrung nach unsere Schüler:innen in der Regel sehr vernünftig und verständig, was Hygieneregeln und deren Sinnhaftigkeit angeht. Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass die Eltern langsam müde und frustriert sind. Es zehrt auf allen Seiten an der Substanz.

Besonders frustrierend sind vor allem relativ kurzfristige Entscheidungen des Senats, die wir zuerst durch die Presse erfahren und dann erst vom Dienstherrn. Das untergräbt auch meine argumentative Sicherheit gegenüber genau diesen Eltern. Und neben den vielen administrativen, organisatorischen und pädagogischen Aufgaben zermürben solche müßigen Diskussionen mit Eltern und Schüler:innen zusätzlich.

Elisa, arbeitet in einem Supermarkt in Berlin

Ein Kunde hat sich geweigert, eine Maske aufzusetzen. Er fing an, unseren Kollegen zu beleidigen. Als er nach mehrmaliger Aufforderung den Laden nicht verließ, haben wir die Polizei gerufen.

Uns wurden an der Kasse Karten zugeschoben mit "Querdenker"-Websites zur vermeintlichen "Aufklärung". Wir wurden als "Nazis" beschimpft, ich unter anderem als - Entschuldigung für das Wort - "Nazi-Fotze". Eine Dame kam mit einer Reichsflagge in den Markt und hat nach einem bestimmten Mitarbeiter gesucht, um ihn zu beschimpfen.

Uns wird regelmäßig Gewalt angedroht. Man muss Personen zum Ausgang begleiten, weil sie auch andere Kunden beschimpfen und lautstark durch den Markt brüllen. Das ist auch nicht gerade einfach, wenn man nur zu zweit ist und wir zwei Frauen sind.

Shyleen, arbeitet in einem Einkaufscenter in Brandenburg

Beleidigungen, Drohungen, Anpöbeln sind leider unser Alltag. Wir werden beschimpft, wir seien ja keine Mediziner und deshalb unqualifiziert, wir seien "Schlafschafe", "wie die Stasi", lauter solcher Schwachsinn. "Was glaubt Ihr, wer Ihr seid?", schreien uns diese Leute dann an. Manche drohen, uns anzuzeigen, weil wir sie ja nicht shoppen lassen würden. Die Polizei mussten wir bis jetzt zum Glück nicht rufen, es hat gereicht, damit zu drohen, dass wir sie rufen.

Meine Kollegen und ich haben schon überlegt, ein Buch mit den dämlichsten Sprüchen zu verfassen. Das sind die lustigen Momente. Aber an manchen Tagen ist das Ganze schon sehr belastend. Es ist frustrierend, gegen Impfgegner und "Leerdenker", wie ich sie nenne, anzukämpfen und täglich über die gleichen Themen sinnlos diskutieren zu müssen, obwohl ich einfach nur in einem Geschäft arbeite und mehr nicht. Die Ignoranz, der Egoismus und die Frechheit machen mich wütend und müde.

Es geht mir dabei nicht um Menschen, die ehrliche Sorgen wegen der Impfung haben und Beratung suchen, denen würde ich einen Besuch beim Hausarzt empfehlen. Aber die Corona-Verharmloser sollten meiner Meinung nach nicht von Diskriminierung reden, weil die Konsequenz ihrer eigenen freiwilligen Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, keine Diskriminierung ist. Diskriminiert wird man aufgrund seiner Identität, nicht seines Impfstatus', den man wählt. Es geht denen so gut, sie merken nicht einmal wie privilegiert sie sind, wo so viele Menschen in Deutschland tagtäglich wirklich diskriminiert werden aufgrund ihrer Identität.

Beleidigungen und Angriffe wegen Corona-Regeln

"Mir bleibt das alles im Herzen und macht mir schlechte Gedanken"

Einzelhandel, Fitnessstudio, Apotheke oder Rettungsstelle: Jeden Tag bekommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort den Hass und die Aggressivität von Menschen zu spüren, die die Corona-Maßnahmen ablehnen. Wie fühlt sich das an?

Katharina, arbeitet in einem Kleidungsgeschäft in Brandenburg

Ich musste einen Kunden darauf hinweisen, dass er für den Einkauf einen Korb mitnehmen muss. Darauf meinte er zu mir: "Der einzige, der mir Befehle geben darf, ist Hitler." Ich bin normalerweise echt schlagfertig, aber das hat mir einfach die Sprache verschlagen. Seine Frau musste ihn dann in seine Schranken weisen, und am Ende hat er auch einen Korb genommen. Aber geblubbert hat er die ganze Zeit über.

Gerade wir Verkäuferinnen und Verkäufer müssen so viel einstecken. Uns dankt das keiner. Zuhause muss dann mein Mann täglich darunter leiden, was ich wieder auf Arbeit für schlechte Erfahrungen machen musste - er hört sich das dann an. Ich habe es wirklich immer wieder freundlich versucht, aber leider gemerkt, dass man mit solchen Leuten nicht reden kann. Die haben ihre Sicht der Dinge, und dabei bleiben sie auch, die fühlen sich im Recht und lassen keinen Widerspruch zu.

Mir ist übrigens während der ganzen Pandemie aufgefallen, dass es zum Großteil ältere Leute sind, die streiten und schimpfen wollen. Manchmal denke ich mir: Waren die nicht diejenigen, die immer über die Jugend von heute gemeckert haben?

Christine, arbeitet als Friseurin in Berlin

Es ist so belastend, seit zwei Jahren jeden Tag dieselben Diskussionen führen zu müssen und dasselbe durchzukauen: Wie bekloppt die Politik doch ist, warum denn die Kunden FFP2-Masken tragen sollen, was denn diese Maßnahmen sollen, wieso wir die Kontaktdaten aufnehmen müssen.

Teilweise reagieren die Kunden auch aggressiv und verlassen den Laden. Ich habe in diesen zwei Jahren Bluthochdruck entwickelt und muss jetzt mit 35 Jahren Tabletten nehmen. Das ganze Thema macht einen auch psychisch fertig. Verrückte Zeiten.

Als Friseurin spricht man mit allen möglichen Menschen. Gerade als es noch die 3G-Regelung gab, hat sich das Impfthema total hochgeschaukelt. Da saßen auch Impfgegner vor mir. Ich habe im Gespräch versucht aufzuklären, aber bin da auf taube Ohren gestoßen. Auf der anderen Seite habe ich auch viele Kunden, die in Pflegeberufen arbeiten und die mir natürlich auch ihr Leid erzählen.

Man steht zwischen Baum und Borke und möchte niemanden vergraulen, aber diese Streitthemen habe ich oft nach Hause mitgenommen und konnte dann schwer davon abschalten.

Ich würde diesen Leuten, die da jeden Tag mit mir diskutieren oder streiten wollen, gerne sagen, dass sie an die Menschen denken sollen, die sich nicht impfen lassen können. An die Pflegekräfte, die am Ende ihrer Kräfte sind. Sie sollen sich bewusst werden, dass wir nicht in Lebensgefahr schweben, wir keinen Hunger leiden, keine Angst vor Bomben und Krieg haben müssen, dass es uns doch im Vergleich zu den meisten anderen Menschen auf der Welt gut geht. Dass es durch eine simple Impfung wieder so werden kann, wie es früher war: nämlich lebensfroh und ein Miteinander, kein Gegeneinander. Das würde ich gerne sagen, weil ich es mir so sehr wünsche.

Quelle: imago images/Ralf Pollack

Johanna*, arbeitete in einer Teststelle in Berlin

Unsere Teststelle war ein großes Zelt. Es kam immer öfter mal vor, dass Leute reingekommen sind und mega aggressiv waren. Sie haben uns angeschrien, was für ein Scheiß das hier alles sei und warum wir da mitmachen, natürlich ohne Maske. Teilweise sind bei uns auch "Querdenker"-Demos vorbeigelaufen. Das war natürlich auch kein Spaß. Die haben teilweise gegen die Zeltwände gehauen und herumgebrüllt.

Ich hatte in manchen Situationen auch wirklich Angst, aber vor allem habe ich Unverständnis empfunden. Man will ja eigentlich immer gern tolerant sein, aber bei sowas fehlen mir einfach die Worte. Ich habe dann angefangen, solche Menschen einfach zu ignorieren und sofort rauszuschicken. Das hat leider nicht immer so gut geklappt.

Nach solchen Attacken fühlte ich mich geschockt, unfair behandelt, verwirrt, hilflos und schließlich sehr wütend. Ich habe auch deshalb mit dem Job aufgehört, weil der Umgang mit den Menschen stressig und belastend war. Nicht nur offensichtliche Querdenker waren schwierig, auch Menschen die verständlicherweise genervt waren von der Gesamtsituation. Die haben ihren Frust dann im Testzentrum schön an mir ausgelassen.

Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Uli, arbeitet in einer Berliner Apotheke

Es gibt täglich solche Situationen: Ein Kunde kommt rein, trägt die Maske unter der Nase, ich bitte ihn, die Maske über die Nase zu ziehen. Er zieht die Maske einen Millimeter nach oben. Ich bitte ihn erneut, die Maske über die Nase zu ziehen. Er entgegnet, die sei doch über der Nase. Ich entgegne: "Ist sie nicht." Er sagt dann: "Wenn man mich hier so nicht bedient, gehe ich, Sie haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun", und so weiter. Das ist der Klassiker.

Eine Szene, an die ich mich besonders erinnere: Ein Mann kam mit einem unvollständigen oder gefälschten Impfpass in die Apotheke. Ich: "Wir können ihnen leider kein Zertifikat ausstellen, denn da fehlt der Stempel vom Arzt. Da müssen sie leider nochmal zum Arzt gehen." Er: "Was sind das denn für Zustände hier? Wieso sind sie rassistisch?" Ich: "Das hat nichts mit ihrer Herkunft zu tun, sondern das sind die Vorschriften." Er nahm den Impfpass und sagte beim Gehen in meine Richtung: "Scheiß-Nazi."

Wenn solche Leute die Apotheke allgemein für irgendwelche Regeln beschimpfen, nehme ich sowas nicht zwingend mit nach Hause. Aber persönliche Angriffe natürlich schon, das beschäftigt mich auch abends noch. Allgemein fällt es mir seit der Pandemie viel schwerer, abzuschalten, weil wir so viele zusätzliche Aufgaben erhalten haben: Maskenpflicht kontrollieren, gefälschte Impfpässe erkennen und melden, Impfzertifikate ausstellen, Impfstoff bestellen und jede Menge Dokumentationsaufwand. Es ist nicht mehr der Beruf, den wir gelernt haben.

*Namen auf Wunsch von Betroffenen geändert. Die Namen liegen der Redaktion vor.

Gesprächsprotokolle: Sebastian Schneider, rbb|24

Sendung: Inforadio, 17.12.2021, 11:48 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schneider

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