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Quelle: imago stock&people/Simone Kuhlmey

Nach Anschlag am Breitscheidplatz

Irrtümlich festgenommener Mann erhebt harte Vorwürfe gegen Berliner Polizei

Nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz nahm die Polizei zunächst einen Pakistaner fest - irrtümlich, wie sich später herausstellte. Dem britischen "Guardian" berichtet der Mann nun, dass er von den Beamten auch geschlagen wurde. Die Berliner Polizei will sich am Nachmittag äußern.

Der nach dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz irrtümlich festgenommene Pakistaner hat schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. In einem Interview mit der britischen Zeitung "Guardian" schildert der 24-Jährige, dessen Namen die Zeitung mit Naveed B. angibt, die Umstände seiner Festnahme. Ein Polizeiausbilder relativierte am Freitag die Vorwürfe im Gespräch mit dem rbb. Einige der Maßnahmen seien Standard.

Wie Naveed B. dem Guardian schildert, überquerte er gerade eine Straße, als ein Polizeiwagen hinter ihm hielt. Er habe seinen Ausweis gezeigt und sei zunächst wieder laufen gelassen worden, wenig später aber mit hinter dem Rücken gefesselten Händen in das Polizeiauto verfrachtet worden.

"Und Sie saßen hinter dem Steuer...?"

Man habe ihm die Augen verbunden, berichtet B., und zwei Beamte hätten mit den Hacken gegen seine Füße gedrückt. Ein anderer habe starken Druck mit der Hand auf seinen Hals ausgeübt. Dann sei er ausgezogen und fotografiert worden. "Als ich Widerstand leistete, fingen sie an mich zu schlagen", sagt B.

Es seien drei Blutproben genommen worden. Ein hinzugezogener Dolmetscher habe ihm erklärt, was am Breitscheidplatz passiert sei und gefragt: "Und Sie saßen hinter dem Steuer des LKW, oder?" Er habe daraufhin erklärt, dass er nicht Auto fahren könne und nicht einmal wisse, wie man eines startet.

Nach wie vor in Angst um sein Leben

Über einen Zeitraum von eineinhalb Tagen habe man ihm nur Kekse und kalten Tee gegeben. Er habe auf einer Holzliege ohne Matratze schlafen müssen. Als sich herausstellte, dass es keine Übereinstimmungen von Spuren am Tatort gab, sei er freigelassen worden - mit dem Hinweis, er habe sich verdächtig gemacht, indem er über die Straße gerannt sei.

Danach sei er zu einem Hotel gebracht worden mit dem Hinweis, es nicht zu verlassen, ohne die Polizei zu informieren - da sein Leben in Gefahr sein könnte. Außerdem solle er aus Sicherheitsgründen nicht in die Flüchtlingsunterkunft zurückkehren, in der er bislang untergebracht war. B. sei nach wie vor in großer Angst um seine Sicherheit, schreibt der "Guardian". Wo er sich jetzt aufhält, ist nicht bekannt.

Pritschen im Gewahrsam immer ohne Matratze

Der Vizepräsident der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft und Recht, Marcel Kuhlmey, warnte vor einer Vorverurteilung der Polizei. "Man muss vorsichtig sein, wir waren da alle nicht dabei", sagte er dem rbb am Freitag. Im Hinblick auf die Schläge müsse man die Ermittlungen abwarten, sagte Kuhlmey, der auch Polizeiausbilder ist. "Die Anwendung von Zwang gehört zu den Rechten der Polizei, die Anwendung von Gewalt natürlich nicht."

Pritschen im Polizeigewahrsam seien zudem immer ohne Matratze. "Gewahrsam bedeutet, dass die Person vorübergehend bei der Polizei bleibt, die Ausstattung muss hygienischen Standards entsprechen, es gibt also nur einfache Liege- oder Sitzmöglichkeiten. Aus meiner Sicht ist der Vorwurf daher nicht gerechtfertigt." Die erkennungsdienstlichen Maßnahmen, wie das Anfertigen von Fotos, gehören Kuhlmey zufolge zum Standard.

Polizei spricht von schwerwiegenden Vorwürfen

Die Berliner Polizei kündigte am Freitagmorgen eine Stellungnahme für den Nachmittag an. Man untersuche diese "schwerwiegenden" Vorwürfe derzeit mit "Hochdruck", sagte ein Sprecher dem rbb. Es müsse gründlich geklärt werden, was tatsächlich vorgefallen ist. Denn wenn die Vorwürfe zuträfen, wären sie sehr ernst zu nehmen, so der Sprecher weiter.

Mit Informationen von Ute Schuhmacher

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