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Audio: Inforadio | 19.05.2022 | Kirsten Buchmann | Quelle: imago-images/Jürgen Ritter

Angestellte Lehrkräfte in Berlin

Warten auf den Ausgleich

Berlin sucht Lehrkräfte – die Verbeamtung soll dabei helfen. Von ihr profitieren aber nicht alle, denn verbeamtet wird nur bis zum 52. Lebensjahr. Gerungen wird um eine Kompensation für alle anderen Lehrkräfte. Von Kirsten Buchmann und Sabrina Wendling  

Ralf Schäfer unterrichtet seit 2009 als Lehrer am Robert-Blum-Gymnasium in Berlin-Schöneberg. Weil er 56 Jahre alt ist, wird er nicht mehr verbeamtet.

Er zeigt sich enttäuscht darüber, dass ein Nachteilsausgleich, um die Nicht-Verbeamtung zu kompensieren, auf sich warten lässt. "Ich gehöre zu der Altersgruppe, die Berlin am Laufen hielt, als alle in benachbarte Bundesländer gingen", sagt Schäfer. "Wir haben hier für Kontinuität gesorgt. Es ist nicht einzusehen, dass diese Personengruppe jetzt ausgespart wird. Ich befürchte, dass es am politischen Willen fehlt, einen finanziellen Ausgleich dafür zu schaffen, dass jetzt große Teile der Beschäftigten bessergestellt werden."

Worum geht es bei diesem Besserstellen? Um die Arbeit an den Schulen attraktiver zu machen, will Berlin Lehrkräfte wieder verbeamten. Ab diesem Sommer sollen zunächst neu eingestellte Lehrer die Verbeamtung erhalten. Zudem sollen angestellte Lehrer, die schon an Berliner Schulen unterrichten, ab 2023 verbeamtet werden können.

Bis zu einem Alter von 52 Jahren soll das möglich sein. Allerdings bleiben damit bis zu 7.000 angestellte Lehrerinnen und Lehrer - etwa aus Alters- oder gesundheitlichen Gründen - ausgeschlossen. Für sie ist laut dem rot-grün-roten Koalitionsvertrag ein so genannter Nachteilsausgleich verabredet.

GEW-Vorwurf: Verschleppen und Verzögern

Streit gibt es noch darum, wie genau das aussehen könnte. Vom Tisch ist offenbar inzwischen ein zeitlicher Ausgleich für angestellte Lehrerinnen und Lehrer in Form von weniger Arbeitsstunden. Denn damit würden Lehrkräfte ungleich behandelt, lautet ein Gegenargument. Außerdem müssten dann weitere Lücken im Stundenplan gefüllt werden.

Auch rein rechtlich gesehen gibt es Hürden, wie die Professorin für Personalrecht Stefanie Deinert sagt. "Die Länder regeln die Arbeitszeit für Beamte in einem Erlass und für die Angestellten in einer Verordnung. Hier ist das Problem, dass im Tarifvertrag drin steht, dass beides aneinander geknüpft ist", sagt Deinert weiter. "Das heißt, wenn man jetzt einseitig für die angestellten Lehrkräfte die Arbeitszeit runtersetzen würde, wäre das ein Verstoß gegen den Tarifvertrag der Länder – und Berlin würde dann ziemlich sicher aus der Tarifgemeinschaft ausgeschlossen werden."

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW), Tom Erdmann, kritisiert, dass noch alles offen ist. Denn seit Monaten sei bekannt, dass Lehrerinnen und Lehrer wieder verbeamtet würden, und ebenso, dass die, die nicht verbeamtet werden könnten oder wollten, einen Nachteilsausgleich bekommen sollten.

Seinen Vorwurf richtet Erdmann direkt an die Bildungssenatorin: "Wenn Frau Busse jetzt feststellt, dass es rechtliche Hürden gibt, werfen wir ihr vor, dass sie einfach verschleppen und verzögern will." Erdmann mahnt, keinesfalls auf einen Nachteilsausgleich zu verzichten. Alle drei Regierungsparteien seien jetzt in der Pflicht, "das Geld in die Hand zu nehmen und denen, die seit Jahren, Jahrzehnten, die Berliner Schule tragen, den Ausgleich zu gewähren, wenn sie nicht verbeamtet werden können". Alles andere wäre Wahlbetrug, sagt Erdmann.

"Keine rechtlichen Hürden für Zulage"

Bei den rechtlichen Fragen eines Nachteilsausgleichs kommt die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TDL) wieder ins Spiel. Denn mit ihr hat Berlin bereits Ärger, vor allem wegen seiner Hauptstadtzulage für die Beschäftigten. Ein zusätzlicher, nicht TDL-konformer Nachteilsausgleich für angestellte Lehrer könnte Folgen haben, so die Befürchtung - bis hin zum Ausschluss Berlins aus dem Arbeitgeberverband der Länder.

Überlegt wird daher in Berlin, angestellten Lehrkräften einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Die GEW verweist schon lange auf den Tarifvertrag der Länder – und auf Paragraph 16, Absatz 5. Darin wird geregelt, unter welchen Umständen Zulagen zulässig sind. Nach Einschätzung der GEW sind damit Ausgleichszahlungen für angestellte Lehrkräfte kein Problem.

Auch die Rechtsexpertin Deinert kommt zu dieser Einschätzung. "Berlin hat davon schon Gebrauch gemacht bei der Hauptstadt-Zulage und der Brennpunkt-Zulage, es steht nichts dagegen, auch einen Nachteilsausgleich für Lehrkräfte darüber zu regeln", sagt Deinert. "Der Tatbestand in diesem Paragraphen, der Zulagen erlaubt, um Fachkräfte zu halten oder zu binden, ist in Berlin gegeben. Damit steht es im Ermessen des Arbeitgebers, eine solche Zulage zu zahlen."

Andere Bundesländer mit ins Boot holen

An der Tarifgemeinschaft der Länder würde aber auch bei dieser Lösung kein Weg vorbei führen. "Das ist tatsächlich die Voraussetzung, wenn man sich auf den Paragraphen 16 Absatz 5 bezieht, dass man für eine außertarifliche Zulage die TdL um Zustimmung bitten muss", erklärt Deinert. "Berlin muss bei der TdL einen Antrag stellen, dann wird abgestimmt – und zwar ohne Berlin, denn Berlin hat aufgrund der Hauptstadtzulage bis 2025 kein Stimmrecht." Ob die anderen Bundesländer dem zustimmen würden, ist also ziemlich offen.

Die GEW sagt jedoch, daran dürfe es nicht scheitern. "Die Bildungssenatorin darf sich jetzt nicht hinter der TdL verstecken", so Tom Erdmann. "Der Berliner Senat muss sein Verhältnis zur TDL jetzt klären, ob er sich abhängig machen will von anderen Bundesländern, oder ob das Land Berlin seiner Rolle als Arbeitgeber gerecht werden will", so Erdmann. "Bei Brennpunkt- oder Hauptstadt-Zulage hat Berlin ja auch nicht interessiert, was die anderen Bundesländer dazu sagen. Warum soll es bei den Lehrkräften plötzlich anders sein?"

Rückenwind erhält der Gewerkschafter von der bildungspolitischen Sprecherin der Linken im Abgeordnetenhaus, Franziska Brychcy. Sie pocht darauf, dass die Rückkehr zur Verbeamtung und der Nachteilsausgleich "als Gesamtkonzept" kommen müssten. Die Kosten für den Nachteilsausgleich sieht sie nicht als Hürde: "Ich denke, dass entsprechende Mittel im Haushalt vorgesehen sind, in dem Sinne, dass wir leider einen akuten Lehrkräftemangel haben und gar nicht alle Stellen besetzen können." Es sei keine Geldfrage, sondern eine rechtliche Herausforderung.

Modell Sachsen

Als Weg, um angestellten Lehrkräften als Ausgleich übertarifliche Leistungen zu zahlen, schlägt Brychcy vor, das Modell Sachsens in den Blick zu nehmen und es auf Berlin zu übertragen. "Es ist klar, dass Sachsen diesen Weg gegangen ist, und dass das Tdl-konform ist. Also von daher ist es möglich."

Tatsächlich hat Sachsen schon 2019 entsprechende Regeln zur Ausgleichszahlung beschlossen. Dafür hat es nicht die TDL um Zustimmung gebeten, sondern das Beamtenrecht geändert. Dieser Weg, sagen mehrere Experten hinter vorgehaltener Hand, sei aber nicht wirklich sauber und würde einer Klage kaum standhalten.

Auf keinen Fall leer ausgehen

Laut der Bildungsverwaltung werden verschiedene Modelle gerade abschließend geprüft. Auch die Finanzverwaltung wird derzeit nicht konkreter.

Der angestellte Oberschullehrer Ralf Schäfer sagt, ihm sei wichtig, am Ende auf keinen Fall leer auszugehen. "Es ist nicht einzusehen, dass wir, die die gleiche Arbeit gemacht haben, auch in krisenhaften Jahren, jetzt ausgeschlossen werden von der Besserstellung", so Schäfer.

In diesem Monat soll eine Entscheidung fallen, wie eine Kompensation für angestellte Lehrerinnen und Lehrer aussehen könnte. Die Zeit drängt. Schließlich sollen angesichts des Lehrermangels die Verbesserungen dazu dienen, den Beruf attraktiver zu machen.

Sendung: Inforadio, 17.05.2022, 7 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann und Sabrina Wendling

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