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Quelle: dpa/Rupert Oberhäuser

Kommentar | Corona-Beschlüsse in Berlin

Selbstverschuldete Unruhe-Tage

Die Ankündigung, den Lockdown für Berlin eine Woche länger auszudehnen als von Bund und Ländern beschlossen, ist schwer nachvollziehbar. Dass sich der Senat dann auch noch in vage Begründungen flüchtet, ist unverantwortlich, kommentiert Agnes Sundermeyer.

Was ein Feiertag ist, dürfte eigentlich jedem bekannt sein – doch ein "Ruhetag" wirft Fragen auf: Als selbst gewählter Tag der Pause bei Gastronomen oder Frisören kennt man Ruhetage, doch als Zwangsmaßnahme im Kampf gegen das Coronavirus hat es sie bisher noch nicht gegeben. Von der Berliner Industrie- und Handelskammer heißt es gar, rein juristisch sei das womöglich gar nicht zulässig. Michael Müller (SPD) musste also relativ viel erklären in der Pressekonferenz des Senats am Dienstagnachmittag: Etwa ob dann alle Läden schließen müssen – selbst die wenigen, die eigentlich geöffnet sein dürfen.

Doch der Regierende Bürgermeister reagiert schmallippig und mit einer durchaus verwirrenden Gegenargumentation: "Kann Gründonnerstag der Optiker nicht doch aufmachen? Das ist doch ganz einfach: Hat der Optiker denn Karfreitag auf?" Die Antwort lieferte Müller gleich hinterher: "Nee! Hat der Friseur Karfreitag auf? Nein. Also dann hat er auch nicht im Rahmen unseres MPK-Beschlusses auf."

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Fragen werden mit Gegenfragen beantwortet

Also, weil der Freitag normalerweise Feiertag wäre, ist jetzt in der Pandemie auch Donnerstag alles zu. Als wäre es Freitag. Also Feiertag. Aber mit Pandemie. Wer diese Reaktion intellektuell verstehen kann, wird sie vermutlich dennoch herablassend finden: Da müsse doch jeder durchblicken, will Müller wohl sagen, und irgendwie auch Verständnis haben. Doch das ist viel verlangt, angesichts der nur zaghaften Lockerungen, die für viele Berlinerinnen und Berliner einen Lichtblick darstellten, und die man ihnen jetzt wieder nehmen will.

Auch die Frage, warum der Lockdown in Berlin eine Woche länger dauern soll als in anderen Bundesländern, wird Michael Müller gestellt. Denn die Ministerpräsidentenrunde hatte eigentlich eine Verlängerung bis zum 18. April beschlossen. In Berlin gilt der Lockdown nun aber bis zum 24. April.

Empathie eines Technokraten

Das habe "formale Gründe", sagte Müller. Man habe den "Rechtsrahmen voll ausgeschöpft, um nicht unter Druck zu geraten und irgendwelche Sondersitzungen einberufen zu müssen." Technokratisch mag das richtig sein, aber noch lange nicht verständlich für die Berlinerinnen und Berliner: Eine Woche mehr Lockdown sollte kommunikativ klarer begründet werden als mit einem Verweis auf Formalitäten.

"Albern und bringt uns nicht weiter", analysieren Kundinnen und Kunden in einem Berliner Supermarkt den "Ruhetag", als die rbb-Abendschau nachfragt. Das sei doch "bescheuert, weil die Menschen dann auf einem Haufen am Dienstag und Mittwoch in die Geschäfte laufen". So einfach kann man komplexe Zusammenhänge erklären.

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Auch hinter der Ladentheke und an der Kasse ist man ratlos und verärgert. "Dramatisch" sei das, sagt Björn Fromm, der Chef des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Die Unternehmen hätten es doch gerade geschafft, mit der "Politik etwas auszuhandeln, was funktioniert, nämlich 'click and meet', und von daher ist es eine Katastrophe, jetzt wieder zu schließen an so wichtigen Tagen".

Die Chefin der Berliner Industrie und Handelskammer (IHK), Beatrice Kramm, ist sogar noch schärfer in ihrer Kritik des Oster-Lockdowns. Für die Wirtschaft sei das "eine Katastrophe". Verbieten und schließen "führe schließlich nicht dazu, dass man mehr impft und testet." Auch diese Logik erschließt sich deutlich leichter als Müllers Ruhetagsparabel.

Falsche Kommunikation zerstört Vertrauen

Unklar, unkreativ, unsinnig: So lassen sich die Stimmen vielerorts zusammenfassen. Warum eine neue Runde Lockdown, eine neue Runde Verbote, in den Augen des Senats ein "effizienter Baustein bei der Bekämpfung der Pandemie" darstellt, ist vielen nicht mehr klar. Flüchten sich Berlins Verantwortliche dann auch noch in kurz angebundene, fast überheblich klingende Begründungen, verspielen sie den Rest des Vertrauens, der ihnen von den Berlinerinnnen und Berlinern noch entgegengebracht wird.

Sendung: Abendschau, 24.03.2021, 19.30 Uhr

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Beitrag von Agnes Sundermeyer

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