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Quelle: dpa/Patrick Pleul

Vor der Bundestagswahl

Der Höhenflug der AfD scheint in Brandenburg vorbei zu sein

Bislang gab es bei den Wahlergebnissen der AfD in Brandenburg immer nur eine Richtung: Sie zeigte von Wahl zu Wahl steil nach oben, egal ob Bundes- oder Landtag. Doch mit Anstiegen wie zuletzt könnte es nun vorbei sein. Von Andreas Hewel

Bei der vergangenen Bundestagswahl 2017 machten 20,2 Prozent der Brandenburger Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei der Alternative für Deutschland. Bei den Landtagswahlen 2019 konnte die AfD gar 23,5 Prozent der Wahlstimmen gewinnen. Doch Umfrageergebnisse lassen nun ein Ende dieses Höhenflugs vermuten. Polarisierende Themen wie Euro-Krise oder Flüchtlinge, mit denen die AfD bislang punkten konnte, scheinen nicht zu greifen. Auch nicht ihr Feldzug gegen die Corona-Maßnahmen. Die Partei versucht jetzt vor allem, ihre Stammwähler zu halten und igelt sich dabei stramm rechts ein.

Auf den ersten Blick ist alles wie immer bei der Brandenburger AfD. Ein eilig frisch gedrucktes Wahlplakat warnt vor Flüchtlingen speziell aus Afghanistan. Der Kampf gegen Migration ist eben eines der Kernthemen der AfD, es gehört sozusagen zu ihrer politischen DNA. Das Problem für die AfD ist dabei nur, es zieht nicht mehr neue Wählerinnen und Wähler an.

Aber das will die Partei offenbar auch gar nicht. Ihr Ziel scheint es zu sein, nicht allzu sehr einzubrechen bei der Wahl. Das zumindest scheint erreichbar zu sein. Bei 18 Prozent liegt die Partei laut Umfragen derzeit in Brandenburg, wenn es um die Bundestagswahl geht.

Das wäre nur ein Verlust von gut zwei Prozent im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren. Und es wäre deutlich mehr als die 11 Prozent, auf die die AfD derzeit bundesweit geschätzt wird. Aber es wäre auch deutlich weniger, als die AfD vor zwei Jahren in Brandenburg bei der Landtagswahl eingefahren hatte. Beides wären neue Trends und an weniger Stimmen als bislang wird sich die Partei wahrscheinlich bald gewöhnen müssen.

So räumt auch der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, Alexander Gauland, auf einer Wahlkampfveranstaltung in Müllrose ein, dass man bei dieser Wahl keine "blaue Welle" erwarten könne. "Wir werden hoffentlich so stark werden, dass wir wie jetzt schon im Bundestag Einfluss auf die Politik der anderen haben," mäßigt Gauland die Erwartungen. Nach "Wir werden sie jagen"“, wie er nach der Wahl vor vier Jahren angekündigt hatte, klingt das nicht mehr.

Andreas Galau, Vizepräsident des Brandenburger Landtages und AfD-Mitglied. | Quelle: dpa/Soeren Stache

Rechtsextreme Thesen, um die AfD-Basis zu halten

Wenn aber schon neue Wählerschichten nicht in Aussicht sind, so hofft man doch auf die Stammwählerinnen und -wähler bauen zu können. Die verlangen offenbar nach einer scharfen rechtsnationalen oder gleich rechtsextremistischen Tonart. Zum Beispiel bei der Corona-Pandemie, von der der Brandenburger Fraktionschef der AfD, Hans-Christoph Berndt, bereits vor knapp einem Jahr behauptet hat, sie sei vorbei. Welch ein Irrtum.

Derzeit hofft die Partei mit Stimmungsmache gegen die Corona-Impfung zu punkten. Das wäre ihr gutes Recht, griffe sie dabei nicht regelmäßig tief in die Demagogie-Kiste. So zieht AfD-Mann Andreas Galau, immerhin Vizepräsident des Brandenburger Landtages, eine direkte Linie von der Corona-Schutzimpfung heute mit einem zugelassenen Impfstoff hin zu den Menschen-Experimenten im Nationalsozialismus. "Trotz aller Diktaturerfahrungen im vergangenen Jahrhundert," tönt er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Havelland, "ignoriert man die damaligen verbrecherischen medizinischen Experimente am Menschen und spuckt auf den daraus entstandenen Nürnberger Kodex. Schande, Schande, Schande."

Es sind Äußerungen wie diese und noch deutlich ärgere, die den Verfassungsschutzchef Jörg Müller in seiner Einschätzung bestätigen, die gesamte Brandenburger AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einzustufen und beobachten zu lassen. Die AfD, so Müller erst vor wenigen Tagen im Innenausschuss des Landtages, instrumentalisiere die Corona-Pandemie, um gezielt demokratische Amtsträger zu delegitimieren. "Hier wird exemplarisch deutlich," so Müller weiter, "dass die AfD die Pandemie für ihre verfassungsfeindlichen Zwecke missbraucht."

Rechtsextremismus in der AfD isoliert die Partei

Das Ende vom Aufstieg der AfD in Brandenburg begann im Frühjahr 2020. Damals war der Brandenburger Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz aus der Partei geflogen. Seine rechtsextremistische Vergangenheit war selbst der Bundes-AfD zu viel. Die Brandenburger AfD-Mannen und -Frauen dagegen scharten sich nur umso fester um den geschassten Kalbitz. Sie gestatteten ihm, parteilos in ihrer Fraktion zu bleiben, und bis heute wurde der Landesvorsitz, den Kalbitz einst innehatte, nicht neu besetzt. Kalbitz bleibt damit ein Geistervorsitzender der AfD in Brandenburg. Das freut die stramme Basis, schreckt aber potenzielle neue Wählerinnen und Wähler der AfD ab.

Auch war das die Zeit, als die AfD in Brandenburg vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wurde. Daran ändert sich bis heute nichts. "Das geradezu stoische Festhalten an dem Neonationalsozialisten Kalbitz unterstreicht diese Bewertung"“ so Verfassungsschutzchef Müller. "Zudem sind dem Landesverband extremistische Positionierungen von AfD-Mitgliedern zuzurechnen, die insbesondere die Menschenwürde, das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip verletzen."

Demagogie auch weiterhin als Parteiprinzip

Die AfD ficht das nicht an, jedenfalls so lange nicht, wie sie damit eine gewisse Anzahl von Wählerinnen und Wählern halten kann. Für den Fall aber, dass man vielleicht trotzdem absackt bei der Bundestagswahl, baut die Partei schon mal vor. Ziel ist die Briefwahl. Über sie wird schätzungsweise diesmal über die Hälfte der Stimmen abgegeben werden. Und schon werden Stimmen bei der AfD laut, die Briefwahl sei nicht geheim. Man streut also Misstrauen, auch weil AfD-Wählerinnen und -wähler eher nicht die Briefwahl nutzen. Sackt die AfD also ab nach der Wahl, scheint jetzt schon klar, wo die Partei den Grund dafür sehen wird. Nicht bei sich.

Sendung: rbb24, 08.09.2021, 16 Uhr

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