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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 11.01.2023 | Sebastian Schiller | Quelle: dpa

Schule und Gesundheitswesen

Cottbus an der Grenze der Integrationsmöglichkeiten

Bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen war Cottbus die erste Stadt im Land, die gesagt hat: Wir können nicht mehr. Das wird auch im Gesundheitswesen und in den Schulen der Stadt deutlich. Von Iris Wussmann

Es ist Pause in der Oberschule im Cottbuser Ortsteil Schmellwitz. Von den gut 270 Schülern sind 30 Prozent Migranten, 20 Schüler sprechen kein Deutsch. Die Lehrkräfte, von denen die Hälfte Seiteneinsteiger sind, müssten es eigentlich schaffen, alle Schüler zu unterrichten.

Doch das sei kaum machbar, sagt Schulleiter Tobias Kahl. Und wer nichts versteht, der schalte ab oder entwickle Frust. "Der Fokus liegt derzeit darauf, dass wir Lehrkräfte brauchen, die persisch-arabisch sprechen können." Gesucht würden aber auch Streetworker und Leute, die im Unterricht als Übersetzungshilfen arbeiten. "Wir brauchen einfach mehr Personal."

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Schon jetzt würden Schüler aus dem Unterricht genommen, um Deutsch mit ihnen zu pauken, damit sie irgendwie den Anschluss schaffen. Die Klassen seien so voll, dass die Situation "nah an der Grenze des nachhaltig Leistbaren" sei.

"Das ist desolat"

Von dieser Grenze spricht auch die Integrationsbeauftragte der Stadt, Stefanie Kaygusus-Schurmann. Es seien viele Familien mit Kindern nach Cottbus gezogen, aber es gebe nicht mehr Schulen. Genauso sehe es bei der medizinischen Versorgung aus. "Es ist tatsächlich so, dass viele Beratungsstellen, Migrationssozialarbeitende und auch wir selbst merken, dass wir Kinder nicht mal mehr bei Kinderärzten unterbekommen. Wir schaffen es nicht, Hausärzte vor allem für migrantische Familien zu finden. Das ist natürlich desolat."

In dieser Woche startet in Cottbus eine Notsprechstunde für Eltern, die keinen Kinderarzt gefunden haben. Es ist eins der vielen Pflaster, mit denen man laut Kaygusus-Schurmann aber nicht weit komme. Sie spricht von einem strukturellen Problem. "Wir brauchen eine explizite Bildungsinitiative, sonst produzieren wir herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligungen in Größenordnungen. Das können wir uns weder im Strukturwandel leisten, noch überhaupt."

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Schick: "Cottbus braucht besondere Unterstützung"

Cottbus hat viel geleistet, doch im Gesundheitswesen und in den Schulen können keine Menschen mehr integriert werden, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Tobias Schick, (SPD) dem rbb. Es fehle sowohl an Platz als auch an Personal. "Dort brauchen wir schnelle Lösungen und vor allen Dingen Hilfe." Die Stadt habe eine besondere Lage, sei beliebt - und brauche deshalb besondere Unterstützung von Bund und Land, "am besten auch sehr verlässlich", so Schick. "Uns hilft keine Ad-hoc-Entscheidung für ein paar Monate - das ist eine Langzeitaufgabe."

Cottbus hat im Herbst die weiße Fahne gehisst

Bereits im Oktober hatte die Stadt Cottbus wegen des Zuzugs von Geflüchteten einen Forderungskatalog aufgestellt, damals noch unter dem Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU). Hauptanliegen war ein "Flüchtlingsgipfel mit Ministerpräsident und Kabinett unter Einbindung der Kommunen und daran anschließend Flüchtlingskonferenz mit dem Bundeskanzler." Cottbus hisse die weiße Fahne, hieß es von Kelch. "Wir können nicht mehr."

Schulen und Gesundheitsversorgung seien an der Kapazitätsgrenze. Darüber hinaus habe die Stadt keine "Signale der Unterstützung" von Land oder Bund erhalten, sondern würde vertröstet werden, so Kelch.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.01.2023, 16:30 Uhr

Beitrag von Iris Wussmann

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