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Mobilitätswende gelingt nicht

Cottbus setzt im Stadtverkehr weiter auf das Auto

Der Stadt Cottbus will die Wende hin zu einem zukünftsfähigen Stadtverkehr nicht gelingen. Aktuelle Zahlen deuten auf eine klare Vernachlässigung des öffentlichen Nahverkehrs. Doch die Stadt zieht die falschen Schlüsse, so das Urteil von mehreren Seiten. Von Rico Herkner

Seit Wochen diskutiert Cottbus über ein neues Mobilitätskonzept für seine Altstadt. Die Idee der Planer: mehr Fußgänger, mehr Radfahrer und mehr PKW-Stellflächen in der Innenstadt. Für viele Cottbuser ist das eine kleine Verkehrsrevolution, denn viele Menschen aus dem Umland pendeln zum Einkauf und zur Arbeit mit dem PKW in die Stadt. Alternativen gibt es kaum.

Besorgt sind vor allem die Einzelhändler der Stadt. Viele protestieren gegen die vorgelegten Pläne, denn sie setzen mit ihrem Geschäft auf den Autofahrer, der direkt vor dem Laden halten kann. Darum halten sie eine autofreie Kernzone in der Cottbuser Innenstadt als schlecht für ihr Geschäft. Der städtische Verkehrsplaner Sven Koritkowski kann die Nöte verstehen und setzt darum u.a. auf zusätzliche Pkw-Stellflächen als Angebot für die Kunden aus dem Umland. Wieviele Parkplätze dann letzlich wirklich benötigt werden, müsse man hier genauer verfolgen.

Die Interessenvertretung der Wirtschaft, die IHK, widerspricht. Sie fordert mehr Straßenbahnverkehr bis ins Cottbuser Umland. Das Angebot müsse so gut sein, dass die Menschen gern und jederzeit zum Einkauf und zur Arbeit nach Cottbus mit der Straßenbahn kommen, so IHK-Verkehrsexperte Jens Krause. Busse und Pkw seien hier langfristig keine Alternative. Cottbus und der umgebende Spree-Neiße-Kreis müssten endlich die entsprechenden Beschlüsse für den massiven Ausbau der Straßenbahn fassen, so Krause.

Quelle: TU Dresden

Neue Verkehrszahlen alarmieren Verbände

Die Ergebnisse einer umfassenden Verkehrsuntersuchung für Cottbus, die rbb|24 vorliegen, schrecken Gewerkschaften, Umweltverbände und Fahrgastvertreter auf. Demnach sank der Anteil des Umweltverbundes, also von ÖPNV, Radverkehr, dem Fußgängerverkehr von 59,4 Prozent  im Jahr 2013 auf 55,9 Prozent im Jahr 2018.

Damit verfehlt die Stadt ihre eigenen Beschlüsse im Integrierten Verkehrsentwicklungskonzept. Dort war dort von mehr als 60 Prozent Verkehrsanteil im Umweltverbund - zu erreichen bis Ende 2020 - die Rede.  Auch werden die Vorgaben des eigenen Energiekonzeptes 2030 ausgeblendet. Hier heißt es: "Die Einschränkung des MIV (PKW-Verkehrs) ist ein positiver Effekt, der das Umsteigen vom Auto zum Umweltverbund erleichtert." Die Stadt ist überrascht über die neuen Zahlen und hofft, dass bei der nächsten Untersuchung in fünf Jahren vieles besser aussieht.  

Verkehrspolitische Geisterfahrt trotz mehr Förderung

Die Bergarbeitergewerkschaft IGBCE protestiert angesichts der Planungen für den Autoverkehr in Cottbus und der aktuellen Verkehrszahlen. So müsse Cottbus seine verkehrspolitische Geisterfahrt stoppen, meint die IGBCE-Bezirksvorsitzende Ute Liebsch. Es sei ein Unding, dass Lausitzer Kraftwerke abgeschaltet werden und der Autoverkehr in Cottbus immer mehr Abgase produziert. Die Ausweisung neuer PKW-Stellflächen sei da das falsche Signal. Gebraucht werde mehr Straßenbahnverkehr bis ins Umland. Schließlich biete das Strukturstärkungsgesetz ab April eine 100-prozentige Förderung für die Cottbuser Straßenbahn. Knappe kommunale Gelder seien hier also keine gültige Ausrede.

Unterstützung bekommt die IGBCE von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Der Pkw-Verkehr in Cottbus müsse durch mehr Straßenbahnverkehr zurückgedrängt werden. Nur so gebe es in der Stadt viele neue Unternehmen und neue Jobs. Ohnehin plane die Gewerkschaft in Cottbus und im ganzen Land ab Juli viele Proteste für einen besseren ÖPNV.

Fahrgastvertreter entsetzt

Der Fahrgastverband IGEB hat die Cottbuser Zahlen und Pläne genau studiert. Für IGEB-Sprecher Jens Wieseke sind die desaströsen Nutzerzahlen des ÖPNV ein "Offenbarungseid" in Zeiten Klimawende. Die Stadtpolitik finde keine Antworten auf den Umstand, dass Einwohner immer mobiler werden. Cottbus habe im Wesentlichen nur eine Antwort: "Mehr Auto!“ Wieseke fordert mehr Straßenbahnen und weniger Parkplätze.

Klagefreudige Deutsche Umwelthilfe rückt Cottbus in den Focus

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht in der starken Konzentration von bodennahem Ozon in der Stadt eine Folge des starken Pkw-Verkehrs. Cottbus schramme den gesetzlichen Zielwert, weshalb die WHO voraussichtlich schon im kommenden Jahr empfehlen werde, diesen Wert zu senken. Darum habe die DUH und dessen Geschäftsführer Jürgen Resch die Stadt auf eine Bobachtungsliste gesetzt. Die Lösung des Problems könnten nicht neue Parkhäuser in der Cottbuser Innenstadt sein, fasst Resch seine Sicht zusammen.

Neue Straßenbahn-Planungen und die andere Realität

Zum Schluss weist die Stadtverwaltung noch darauf hin, dass die Cottbus gemeinsam mit dem Verkehrsbetrieb Cottbusverkehr eine Erweiterung im Straßenbahnnetz plane. Neue Strecken sollen so in Richtung BTU, Krankenhaus und den Süden der Stadt ausgewiesen werden. Nach Recherchen von rbb|24 haben dazu bislang aber keine Voruntersuchungen und keine Planungen begonnen. Auch gibt es keine Ausschreibung für die Voruntersuchung. Für Fahrgastsprecher Jens Wieseke ist die Sache klar: die Cottbuser werden von Teilen ihrer Verkehrsverwaltung an der Nase herumgeführt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.02.2020, 16.10 Uhr

Beitrag von Rico Herkner

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