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Quelle: Marie Stumpf/rbb

Hennickendorf | Märkisch-Oderland

"Ich muss 130 Jahre alt werden, bis die Straße saniert wird"

Ein Schlagloch reiht sich an das andere. Seit Jahrzehnten ist die Berliner Straße in Hennickendorf stark sanierungsbedürftig. Die Anwohner leiden unter dem zunehmenden Schwerlast-Verkehr. Doch das Land verschiebt die Sanierung erneut. Von Marie Stumpf

Sorgenkind Berliner Straße in Hennickendorf (Märkisch-Oderland), denn direkt hinter dem Gartentor von Alexander Gering donnern die Lastkraftwagen in Serie über den brüchigen Asphalt. Bei jedem Schlagloch scheppert es. Eine ruhige Unterhaltung ist kaum möglich: "Wir haben Schallspitzen von bis zu 100 Dezibel, die wir ab vier Uhr morgens ertragen müssen", erzählt er, der vor vierzehn Jahren nach Hennickendorf bei Rüdersdorf gezogen ist.

Der brüchige Asphalt. | Quelle: Marie Stumpf/rbb

Lauter als Flughafen Frankfurt/Main

In der Berliner Straße sind von Haus aus viele Lkw unterwegs, weil dort auch ein Betonwerk liegt. Dieses wird regelmäßig angefahren. Alexander Gering kennt die Lautstärke, die dabei entsteht, deswegen so genau, weil er an seinem Haus mehrere Messgeräte angebracht hat. Unterstützt wird er dabei von Jürgen Rudorf, ebenfalls Anwohner. Er hat insgesamt sechs Messgeräte im gesamten Ort angebracht, da der Lärm der Laster auch mehrere Kilometer entfernt noch zu hören sei, sagt er. "Wir haben damit nachgewiesen, dass der Lärm in unserem kleinen Ort Hennickendorf deutlich höher ist als am Flughafen Frankfurt Main."

Inzwischen haben sich Jürgen Rudorf und Alexander Gering mit mehreren anderen Anwohnern zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Dazu gehört auch Martin Müller. Vor dreizehn Jahren erfüllte er sich seinen Herzenstraum vom eigenen Haus am See, doch mit dem ersten Laster kam die Ernüchterung. "Ich saß zum ersten Mal an meinem Schreibtisch und dann begann das ganze Haus zu vibrieren und zittern. Die Wasserflasche auf meinem Tisch schlug kleine Wellen", erzählt er. "Das ist eine nicht akzeptable Belastung und Beeinträchtigung der Lebensqualität." Müller hat sein Haus inzwischen auf eigene Kosten mit großen Balkon versteifen lassen. Die Erschütterungen merke er aber noch immer.

Seit sechs Jahrzehnten warten auf Verbesserung

Versprechen, dass die Straße saniert wird, gab es in den letzten Jahren einige. Doch passiert ist bisher nichts, weiß der wohl älteste Anwohner der Straße, Horst Schlag. Er ist 90 und wohnt seit über 60 Jahren in der Berliner Straße. Auch damals sei sie schon stark sanierungsbedürftig gewesen, erzählt er.

Der damalige Bürgermeister, Herr Winkler, habe ihm damals versprochen, dass die Straße repariert würde. "Das war vor 64 Jahren", resigniert Schlag. Ein ähnliches Versprechen habe er dann vor 35 Jahren auch von der Straßenverkehrsbehörde Märkisch-Oderland erhalten. Inzwischen seien viele Anwohner von dem Thema nur noch genervt. "Die winken nur noch ab", sagt Schlag. Er aber habe noch Hoffnung. Auch wenn er, wie er sarkastisch meint, 130 Jahre alt werden müsste, um die Sanierung der Straße noch zu erleben.

Sanierung wohl erst 2023

Immerhin: Auf einem kurzen Abschnitt gilt seit 2017 ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Ein kleiner Teil der Straße wurde saniert. Doch der weitaus längere Straßenabschnitt weist nach wie vor Schlaglöcher auf und wird von den LKW befahren.

Der Landesbetrieb Straßenwesen hat die Sanierung derweil erneut verschoben. Sie soll 2023 stattfinden, nicht wie geplant 2022. "Da hat es Planungsverzögerungen gegeben", so die Begründung von Sprecher Steffen Streu.

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Tesla scheint wichtiger

Rüdersdorfs Bürgermeisterin Sabine Löser (parteilos) vermutet, dass auch Tesla eine Rolle dabei spielt. "Die Großbaustelle Tesla bringt viele Verkehrsthemen mit sich, die auch alle beim Landesbetrieb Straßenwesen landen", sagt sie.

Warum aber bisher überhaupt so viel Zeit ins Land gegangen ist, das kann Steffen Streu nicht beantworten. Auch weshalb nur ein kleiner Teil der Straße bisher saniert wurde, weiß er nicht. Ironischerweise handelt es sich dabei um den Abschnitt, bei dem das Durchfahrtsverbot für Lkw besteht.

Anwohner fordern generelles LKW-Durchfahrtsverbot

Den Anwohner geht es derweil längst nicht mehr nur um die Straßensanierung. Sie wollen ein generelles Durchfahrtsverbot für Laster und eine dauerhafte Temporeduzierung auf 30 Stundenkilometer durchsetzen, auch wenn die Straße wieder heil ist.

Die zuständige Straßenverkehrsbehörde Märkisch-Oderland will das nicht generell ausschließen. Um zu prüfen, ob eine generelle Temporeduzierung notwendig ist, könnte sie nach der Sanierung eine Lärmberechnung an der Straße durchführen. Das sagte der Leiter Uwe Wähner gegenüber dem rbb. Dabei wird der Lärm nicht vor Ort gemessen, sondern anhand von Daten wie Anzahl der LKW und Straßenbelag ermittelt.

Den Anwohner reicht das aber nicht. "Es besteht ein großes Missverhältnis zwischen dem berechneten und dem tatsächlichen Lärm", erklärt Jürgen Rudorf

Langfristig Umleitung wohl außerorts

Doch Löser hält Tempo 30 und ein Lkw-Verbot nicht für sinnvoll. Sie steht hinter dem Plan des Landes, bei der Sanierung Mittelinseln einzusetzen, um den Verkehr zu beruhigen.

Auch den Vorschlag der Anwohner, den Laster-Verkehr von der anderen Seite über den gemeindeeigenen Siedlerweg zum Betonwerk zu leiten, lehnt Löser ab. Denn dieser müsste dafür erst ausgebaut werden. "Das würde eine ganze Stange Geld kosten. Geld, das die Gemeinde momentan nicht hat", so Löser. Die Bürgermeisterin plädiert stattdessen für eine langfristigere Lösung: Eine Trasse weitläufig um Hennickendorf herum, auch um das Tesla-Werk später besser anzuschließen. Dies sei jedoch Landessache.

Neues Wohngebiet in Berliner Straße

Hoffnung gibt den Anwohnern nun der Bau eines neuen Wohngebietes an der Berliner Straße. Dort sollen teure Häuser zum Verkaufen entstehen. "Vielleicht wird dadurch der Druck vergrößert und es ändert sich irgendwann etwas", sagt Alexander Gehring.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.06.2021, 16:40 Uhr

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