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Quelle: dpa/Jens Kalaene

Initiative "OpenSchufa"

Berliner NGOs wollen die Schufa durchleuchten

Die Bank verweigert einen Kredit, der Telefon-Anbieter einen Handyvertrag? Dahinter kann ein schlechter Schufa-"Score" stecken. Wie der sich zusammensetzt: Geschäftsgeheimnis der Schufa. Zwei Berliner NGOs wollen das ändern - und die Auskunftei ist empört.

Mit der Initiative "OpenSchufa" wollen zwei Berliner Nichtregierungsorganisationen mehr über den Bewertungs-Score von Deutschlands größter Auskunftei erfahren. Seit Donnerstag sammeln Algorithm Watch und die Open Knowledge Foundation gemeinsam Spenden, um eine Software zu entwickeln, die Schufa-Auskünfte systematisch analysieren soll.

"Wir wollen auf diese Weise Belege dafür finden, dass die Schufa Dinge tut, die sie nicht tun sollte", sagt Matthias Spielkamp, Journalist und Gründungsmitglied der NGO Algorithm Watch zu rbb|24. Indizien dafür gebe es schon seit Langem: "Wir vermuten, dass zum Beispiel mit veralteteten Daten gearbeitet wird oder dass Namensverwechslungen zu Problemen führen."  

Die Schufa habe mit ihren Informationen Einfluss auf vieles, was im Leben wichtig ist, sagt Spielkamp. Ob beim Abschluss eines neuen Handyvertrags, bei der Suche nach einer Mietwohnung oder beim Einkauf im Internet - die Scoring-Werte von Auskunfteien entscheiden darüber, wer einen Vertrag bekommt und wer nicht, wer auf Rechnung zahlen darf und wer Vorkasse leisten muss, wer einen günstigen Kredit bekommt und wer höhere Zinsen zahlt. Auf diese Weise wollen Unternehmen und Banken ihre eigenen Risiken reduzieren und Verbraucher vor der Überschuldung schützen.

Über jeden Zehnten sind negative Daten gespeichert

Mehr als einhundert Firmen sammeln in Deutschland Personendaten wie Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift sowie die "Kredithistorie" mit Anzahl der Konten, Kredite, Handy- und Leasingverträge, unbezahlte Rechnungen oder Insolvenzen. Mit Hilfe dieser Daten und einem jeweils eigenen mathematisch-statistischen Verfahren (Scoring) schätzen sie das Zahlungsverhalten eines Verbrauchers ein und verkaufen diese Werte an Banken und Händler.

Die Schufa als führende Auskunftei hat nach eigenen Angaben Daten zu 68 Millionen Menschen gespeichert. Bei rund zehn Prozent der Verbraucher sind diese auch negativ. Dabei handele es sich um "säumige Zahler", so die Schufa.

Das generelle Verfahren steht nicht im Fokus der Kritik von "OpenSchufa". Es gehe darum, es nachvollziehbarer zu machen, so Spielkamp, und mögliche Schwachstellen der Methode aufzuzeigen.

Schufa: Score ist "wissenschaftlich überprüft und aussagekräftig"

Die Schufa reagierte am Donnerstag mit einer langen Stellungnahme und warf den Organisatoren vor, "OpenSchufa" sei "irreführend und "klar gegen die übergeordneten Interessen von Wirtschaft, Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Deutschland gerichtet". Schon jetzt sei das Verfahren zur Scoreberechnung für Behörden und Aufsichten transparent. Es sei "wissenschaftlich überprüft und aussagekräftig".  

"OpenSchufa" leiste Vorschub für Missbrauch und Betrug und führe die Allgemeinheit unter dem Deckmantel der Transparenz in die Irre. "Denn wer, wenn nicht derjenige, der seinen Score manipulativ verbessern möchte", fragt die Schufa, "sollte ein Interesse daran haben, die Details eines wissenschaftlich anerkannten und in der Praxis bewährten Berechnungsverfahrens zu kennen?"

Die Schufa kritisierte zudem, es sei "irritierend", dass die NGO Algorithm Watch von der Bertelsmann Stiftung finanziell unterstützt wird. Zum Bertelsmann-Konzern gehört die Auskunftei "Arvato Infoscore", ein Konkurrent der Schufa.

Laut tagesschau.de erklärten sowohl "AlgorithmWatch" als auch Bertelsmann-Stiftung auf Nachfrage, dass "AlgorithmWatch" seine Projekte unabhängig führt.

Mit Daten gegen die Datensammler

Das Interesse der Verbraucher an der Initiative ist groß: Am Freitagmittag waren bereits mehr als 20.000 Euro zusammengekommen, 50.000 Euro brauchen die Organisationen, um das Projekt umzusetzen. Das Crowdfunding läuft noch bis Mitte März.

Mit dem Geld soll anschließend eine Software entwickelt werden, die es Verbrauchern ermöglicht, ihre Selbstauskunft problemlos an "OpenSchufa" zu übermitteln und dabei den Datenschutz zu beachten, also etwa keine Informationen zur eigenen Identität preiszugeben. 10.000 Datensätze wollen die Initiatoren sammeln; Journalisten von Spiegel und Bayerischem Rundfunk sollen sie anonym auswerten.

Einmal im Jahr können sich Verbraucher von den Auskunfteien kostenlos mitteilen lassen, welche Informationen über sie gespeichert sind, etwa über das Portal selbstauskunft.net. Die Organisatoren von "OpenSchufa" hoffen, dass sich möglichst viele Verbraucher mit ihren Daten melden, die in der Vergangenheit schon mal Probleme mit der Schufa hatten. "Es wäre toll, wenn vor allem diejenigen mitmachten, die einen geringen Score haben", sagt Matthias Spielkamp. Wobei der Begriff "gering" missverständlich ist: Schon ein Score von unter 97 Prozent könne zu Problemen führen.

 

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