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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 13.06.2022 | J. Wintermantel | Quelle: rbb

Ernährung der Zukunft

Erbsen für den Fleischersatz könnten aus Brandenburg kommen

Veganer Aufschnitt, pflanzliche Schnitzel, Wurst aus Weizen- oder Erbsenprotein: Die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten steigt stetig. Dafür braucht es Rohstoffe - und die könnten bald auch aus Brandenburg kommen. Von Jonas Wintermantel

Stefan Bernickel baut seit zwei Jahren auf einigen seiner Felder Erbsen an. Für den Landwirt aus der Uckermark ist es eine Art Experiment. Bisher hätte sich der Erbsen-Anbau für ihn finanziell kaum gelohnt, da die von ihm angebaute gelbschalige Futtererbse fast ausschließlich als Futtermittel für Tiere genutzt wurde – und preislich nicht mit Soja-Importen aus Südamerika konkurrieren konnte, wie er sagt. Die mögliche Nutzung als Nahrungsmittel für den Menschen macht die Erbse nun aber auch für heimische Landwirte interessant.

"Die Erbse ist extrem eiweißreich", sagt Bernickel. In den Händen hält er eine junge Erbsenpflanze mit weißen Blüten. In einigen ihrer grünen Hülsen sind schon die ersten jungen Erbsen-Früchte zu entdecken. "Wenn wir sie als direktes Nahrungsmittel für Verbraucher verwenden, hoffen wir, einen höheren Preis erzielen zu können", erklärt der Landwirt und verweist auf ein geplantes Werk, das genau diese Erbsen als Proteinquelle verwenden möchte. "Damit wird sie interessant für Anbau, Züchtung und Vertrieb."

Weiterverarbeitung von Erbsen: erstes Werk in Deutschland geplant

Das Werk, von dem Bernickel spricht, soll Ende 2023 im mecklenburgischen Neubrandenburg in Betrieb gehen. Als erstes seiner Art in Deutschland soll es jährlich bis zu 60.000 Tonnen Erbsen zu Protein, Stärke und Faserstoffen verarbeiten. Damit diese am Ende bei uns im Supermarkt landen – zum Beispiel in Form von veganem Aufschnitt oder pflanzlichen Schnitzeln – braucht es Rohstoffe und regionale Zulieferer. Die Erbse könnte so wieder zu einem lukrativen Teil der regionalen Fruchtfolge werden.

Die Erbse ist nicht nur ein sehr guter Eiweißlieferant. Sie birgt auch einige Vorteile im Anbau, die sie auch mit Blick auf ein verändertes Klima interessant macht. "Die Erbse hat unheimlich viele ackerbauliche Vorteile", sagt Stefan Bernickel mit einiger Begeisterung. "Ich kann sie anbauen, ohne zu pflügen. Bei mir stehen sie deshalb häufig auf kleinen Feldern, die sich sonst schlecht beackern lassen. Und sie kann sehr gut Feuchtigkeit speichern."

Einsparung von Stickstoff-Dünger

Eine weitere Besonderheit der Erbse versteckt sich in kleinen, rostroten Knollen, in den Wurzelästen. Als sogenannte Leguminose geht die Erbse in ihren Wurzelknöllchen eine Symbiose mit Bakterien ein, die den Stickstoff in der Luft für die Pflanze verwertbar macht. Die Erbse versorgt sich auf diese Weise selbst mit Stickstoff. Deshalb kann beim Erbsen-Anbau auf die Anwendung von Stickstoff-Dünger verzichtet werden. Das ist auch gut fürs Klima, denn dieser müsste unter Einsatz von Erdgas hergestellt werden.

Eine Autostunde entfernt von Bernickels Hof beschäftigt sich auch Gernot Verch intensiv mit der Erbsenpflanze. Verch arbeitet in der Dedelower Außenstelle des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Auf einem seiner vielen Versuchsfelder stehen mehrere Reihen mit Erbsenpflanzen. Rein äußerlich sind sie kaum voneinander zu unterscheiden, aber jede Reihe ist mit einem Namensschild markiert: "Astronaut" oder "Orchestra" steht darauf. "Wir haben zehn verschiedene Erbsen im Anbau-Vergleich und prüfen, wie diese Sorten geeignet sind, um in der Uckermark als Eiweiß-Lieferanten für die Fabrik in Neubrandenburg zu dienen", erklärt Verch. Die Erbsen werden untersucht auf Ertragsleistung, Standfestigkeit und Krankheiten.

Erbse als Versuchsobjekt

Im August möchte Verch die Pflanzen ernten und dann Empfehlungen abgeben, welche der Sorten sich am besten zur Herstellung von Protein für die menschliche Ernährung eignet. "Die Erbse war bislang ein Nischenprodukt, der Anbau war rückläufig, das hing auch zusammen mit dem Rückgang der Tierhaltung", sagt Verch. "Ihre Verwertung für die menschliche Ernährung ist eine Alternative, die gerade für die Region sehr wertvoll sein kann."

Verch schätzt, dass für die im Neubrandenburger Werk geplante Menge von jährlich 60.000 Tonnen Erbsen ungefähr 20.000 Hektar Anbaufläche nötig sind. Da die Erbse nur alle fünf Jahre auf demselben Feld angebaut werden sollte, empfiehlt Verch den Anbau kleinerer Erbsen-Kulturen auf vielen Höfen in der Region. Gerade die Uckermark ist laut Gernot Verch traditionell gut geeignet für den Anbau von Erbsen. Denn diese brauche viel Wasser und der Boden in der Uckermark könne das sehr gut speichern.

Neue Kulturen für ein verändertes Klima

Andere Teile Brandenburgs sind dagegen eher trocken und sandig. Aber auch dafür läuft beim ZALF die entsprechende Forschung - nur ein paar Felder weiter. Gernot Verch begutachtet einige der jungen Pflanzen, die hier in langen Reihen neben den Erbsen wachsen. "Heimische Bauern würden die Pflanze vermutlich gar nicht erkennen", sagt Verch und kontrolliert die Setzlinge. Kein Wunder, denn die Pflanze, die hier zu sehen ist, ist eigentlich im Nahen Osten und Nordafrika heimisch – die Kichererbse.

Versuchsobjekt in Brandenburg: die Kichererbse | Quelle: dpa/P. Pleul

In einer Kooperation mit Akteuren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz soll dieser Versuch am ZALF herausfinden, ob und wie die Kichererbse künftig auch auf heimischen Feldern angebaut werden könnte. "Die Kichererbse ist wissenschaftlich interessant, weil sie sehr wenig Wasser benötigt. Sie könnte also eine Alternative sein für immer trockenere Standorte wie es sie auch in Brandenburg gibt", sagt Gernot Verch.

Wenn der Anbau hier erfolgreich gelingt, könnte die Kichererbse für die Landwirte bald eine Möglichkeit sein, sich an veränderte klimatische Bedingungen anzupassen. "Landwirte sind dem Markt unterworfen", sagt Verch, "sie müssen ihre Produkte verkaufen und sich schnell an geänderte Bedingungen anpassen. Sollte eine andere Kultur den klimatischen Bedingungen besser angepasst sein, ist relativ sicher, dass auch die Landwirtschaft zu diesen Kulturen wechseln wird."

Ein verändertes Klima und eine steigende Nachfrage nach pflanzlichen Nahrungsmitteln verändern somit schon heute die heimische Landwirtschaft. Künftig könnten die Erbsen für Fleischersatzprodukte, aber auch die Kichererbsen für Falafel und Hummus großflächig aus regionalem Anbau stammen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Jonas Wintermantel

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