Eklat um Eröffnungsrede bleibt aus - Britta Stark ist neue Landtagspräsidentin

Mi 08.10.14 | 20:39 Uhr
Video: Brandenburg Aktuell | 08.10.2014 | Michael Schon

Große Mehrheit für Britta Stark: Die SPD-Politikerin ist neue Präsidentin des Brandenburger Landtags. Während SPD und Linke noch mitten in den Koalitionsverhandlungen stecken, kamen die 88 Abgeordneten am Mittwoch zur ersten Plenarsitzung nach der Wahl am 14. September zusammen. Der befürchtete Eklat bei der ersten Rede von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland blieb aus.

Der Brandenburger Landtag hat in seiner konstituierenden Sitzung die SPD-Abgeordnete Britta Stark zur neuen Landtagspräsidentin gewählt. 70 der 88 Abgeordneten stimmten für sie, 14 gegen sie. Es gab zwei Enthaltungen, zwei weitere Abgeordnete gaben ihre Stimme nicht ab.

"Ich möchte diesen Landtag in den nächsten fünf Jahren ausgleichend, aber entschlossen führen, unparteiisch und mit fester Meinung", skizzierte Stark nach ihrer Wahl ihre künftige Arbeit. Sie erinnerte an die friedliche Revolution der DDR-Oppositionellen vor 25 Jahren. "Wir sind ihnen zu großem Dank verpflichtet – denn ohne sie würden wir alle heute hier nicht sitzen." Vor dem Hintergrund der niedrigen Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl sprach Stark sich für eine lebendige Demokratie aus. "Wir alle müssen dafür werben, dass sich Mitmachen lohnt. Wir müssen wieder Lust auf Demokratie wecken." Nur knapp die Hälfte der Wahlberechtigten hatten am 14. September ihre Stimme abgegeben.

Die 51-jährige gelernte Maschinenbauteilkonstrukteurin zeigte sich erfreut über die hohen Besucherzahlen, die der Landtag vor allem seit seinem Umzug ins Potsdamer Stadtschloss verbuchen kann. Sie kündigte an, künftig jedes Jahr ein "Fest der Demokratie" ausrichten zu wollen. "Unser Landtag ist ein offenes Haus und das soll auch so bleiben."

Der bisherige Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) war nach zehn Jahren im Amt zur diesjährigen Landtagswahl nicht mehr angetreten. Zum Vizepräsidenten des Landtags wurde der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Dombrowski gewählt. Er erhielt 56 Stimmen.

"Unfallfreie" Eröffnungsrede von Alexander Gauland

Der befürchtete Eklat bei der Eröffnungsrede des 73-jährigen Alterspräsidenten Alexander Gauland von der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) war zuvor ausgeblieben. "Ich fand, er hat das recht unfallfrei gemacht", kommentierte SPD-Fraktionschef Klaus Ness im rbb. Gauland hielt eine politiktheoretische Rede, in der er den britischen Staatsphilosophen Edmund Burke mit den Worten "Ein gutes Mitglied des Parlaments zu sein, ist keine leichte Aufgabe" zitierte. Gauland forderte die Abgeordneten dazu auf, ungeachtet unterschiedlicher politischer Interessen um gemeinsame Lösungen für das Land zu ringen. Parlamentsabgeordnete müssten sich als Vertreter des ganzen Landes Brandenburg verstehen und nicht als Botschafter von lokalen Sonderinteressen, mahnte der AfD-Fraktionschef. "Die Welt ist kompliziert geworden, manchmal zu kompliziert für einfache Lösungen", sagte Gauland.

Die Errungenschaft durchlässiger Grenzen in Europa schaffe neue Herausforderungen - wie grenzübergreifende Kriminalität oder Arbeitsplatzverluste nach der Verlagerung von Unternehmen, sagte Gauland - und streifte damit eines der Reizthemen, mit denen die AfD ihren Wahlkampf geführt hatte.

Die Volksvertreter müssten dem Wohl des ganzen Landes dienen, forderte Gauland: "Ich wünsche uns allen die Kraft und den nötigen Mut, die nun vor uns liegenden Aufgaben, im Sinne der Wählerinnen und Wähler und im Interesse des allgemeinen Wohls, anzupacken."  

"Shut up! - Demonstration gegen Gaulands Rede

Die Linke hatte vorab zu einer Gegenkundgebung vor dem Landtag aufgerufen, um unter dem Motto "Shut up!" gegen die Rede des Alterspräsidenten Gauland zu demonstrieren. Die eurokritische AfD stehe einer toleranten Gesellschaft entgegen, argumentierten sie. Dem "gesellschaftspolitisch rückwärtsgewandten Populismus" der AfD müsse öffentlich widersprochen werden.

Die Linken-Politikerin Isabell Vandré, mit 25 Jahren jüngste Abgeordnete des Landtags, blieb Gaulands Rede fern, um an der Demonstration teilzunehmen. "Das ist mein gutes Recht", sagte sie im rbb.

Im Parlament sitzen auch drei fraktionslose Abgeordnete, die für die BVB/Freie Wähler im Parlament sitzen. Sie waren über eine Sonderregelung in das Parlament eingezogen. Einer von ihnen - Christoph Schulze - hatte ein Direktmandat errungen und so für die Partei die Fünf-Prozent-Hürde für BVB/Freie Wähler außer Kraft gesetzt. Iris Schülzke und Péter Vida standen damit Listenplätze zu. Die BVB/Freie Wähler sind ein Zusammenschluss von mehr als 110 Bügerinitiativen und Wählergemeinschaften aus dem ganzen Land.

Hauptausschuss entscheidet über Status der Freien Wähler

Da sie aber nur zu dritt sind, steht ihnen kein Fraktionsstatus zu - eine Fraktion muss aus mindestens vier Abgeordneten bestehen. Für die drei Fraktionslosen hat das nicht zuletzt finanzielle Konsequenzen: Das Geld, das die Fraktionen, abhängig von ihrer Mitgliederstärke, monatlich für Referenten, Büro und Organisation erhalten, steht ihnen nämlich nicht zu. Zudem hat eine Fraktion ein stärkeres Rederecht im Parlament und darf nicht nur Kleine, sondern auch Große Anfragen an die Regierung stellen.

Der Landtag nahm am Mittwoch ohne Gegenstimmen einen Antrag des Abgeordnete Peter Vida (BVB/Freie Wähler) an, im Hauptausschuss die Anerkennung von Gruppen in der Geschäftsordnung des Landtags zu beraten. Ein Gruppenstatus ist im Landtag bislang eigentlich nicht vorgesehen - im Unterschied etwa zum Bundestag: Dort bildeten die Abgeordneten der PDS von 1990 bis 1998 eine Gruppe, weil ihnen kein Fraktionsstatus zustand. Als die Partei allerdings 2002 nur über zwei Direktmandate in den Bundestag einzog, wurde den beiden Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau der Gruppenstatus verweigert, weil eine Bundestagsgruppe aus mindestens drei Abgeordneten bestehen muss.

Der neue Landtag besteht aus fünf Fraktionen (SPD, CDU, Linke, AfD und Grüne) sowie vier Fraktionslosen. Erstmals konstituierte sich der Landtag im neuen Parlamentsgebäude im Potsdamer Stadtschloss. Der Neubau mit historischer Fassade im Herzen der Landeshauptstadt war im Januar feierlich übergeben worden.

Die neue Landesregierung wird allerdings bei der konstituierenden Sitzung noch nicht vereidigt werden. SPD und Linke befinden sich noch mitten in den Koalitionsverhandlungen. Die Kabinettsränge im Landtag blieben daher am Mittwoch frei.

Jung und alt, Metallbauer und Sprachwissenschaftlerin

Gesichter des neuen Landtags

AfD-Fraktion hat nur zehn Mitglieder

Bei der Wahl am 14. September hatte die SPD als stärkste Partei 30 der 88 Sitze im Landtag errungen (-1). Die CDU kam auf 21 Sitze (+2), die Linke dagegen verlor neun Mandate und schickt nun 17 Abgeordnete ins Parlament. Die Grünen gewannen ein Mandat und haben jetzt sechs Sitze.

Die erstmals angetretene AfD zog aus dem Stand mit elf Sitzen ins Parlament ein. Die Fraktion der Partei hat nun aber nur zehn Mitglieder: Der über die Landesliste der AfD eingezogene Stefan Hein wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Eine Zusammenarbeit mit Hein sei für ihn nicht mehr vorstellbar, sagte Gauland, dessen Stiefsohn Hein ist. Der 39-Jährige hatte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" angebliche AfD-Interna zugespielt. Hein nahm nun als Fraktionsloser zwischen AfD und CDU im Landtag Platz.

  • BFB/Freie Wähler wollen Gruppenstatus

  • Wahl und Antrittsrede der neuen Landtagspräsidentin

Ergebnisse der Landtagswahl vom 14. September

Ergebnis, Sitzverteilung und Analysen

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