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Quelle: dpa/mpi04

Konzertkritik | Backstreet Boys in Berlin

Für zwei Stunden zurück im Jugendzimmer

Seit fast 30 Jahren sind die Backstreet Boys unterwegs, ohne Pause. Am MIttwoch traten sie in Berlin auf - und schickten Tausende Menschen auf eine musikalische Reise in ihre Jugend der 1990er Jahre. Von Bruno Dietel

Auch wenn der Frauenanteil am Mittwochabend in der Berliner Mercedes-Benz-Arena wohl bei 90 Prozent liegt - auch die Männer, die gekommen sind, werden später zur Musik der Backstreet Boys tanzen und ihre Handylichter in die Höhe strecken.

Bevor die Backstreet Boys die Bühne betreten, werden sie schon auf LED-Wänden eingeblendet. Hashtag #BSBBER steht daneben: Die 29 Jahre alte Boyband ist ganz selbstverständlich im Social-Media-Zeitalter angekommen. Allein die kurze Einblendung der Boys reicht, damit das Publikum in Freudenschreie verfällt. Und da stehen sie noch nicht einmal in echt auf der Bühne.

Perfekt durchchoreographierte Show

Doch dann stehen sie da - nebeneinander aufgereiht, die Tänze durchchoreografiert und perfektioniert, als ob die Backstreet Boys nie gealtert wären. AJ McLean trägt ein schwarzes Netzshirt, Nick Carter stehen schon beim zweiten Song die Schweißperlen auf der Stirn, die Jungs - oder sagen wir eher Männer - arbeiten sich in kleinen Sprüngen Richtung Bühnenrand.

"Deutschland, wir wären nichts ohne Euch" - diesen Satz werden alle Backstreet Boys an diesem Abend in irgendeiner Form sagen. Die Deutschkenntnisse packen sie natürlich auch aus: Von "Wie geht’s?" bis "Ich liebe dich" und "Ich möchte dich küssen" ist alles mit dabei. Das Publikum saugt es auf, als hätten die Backstreet Boys es gerade zum ersten Mal gesagt. "Holy Crap" entfährt es einem der Backstreet Boys, das hier in Berlin sei ja wohl die lauteste Menge seit Langem.

Und bei wem ist das Gekreische am ohrenbetäubendsten, wenn er nach vorne tritt? Bei Kevin Richardson oder Nick Carter? Nicht ganz eindeutig.

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Konzert als lebendiger Bravo-Starschnitt

Auf die Frage, für wen das hier in der Benz-Arena eine Backstreet-Boys-Premiere sei, gehen erstaunlich viele Hände nach oben. Dennoch geben die Männer den Leuten in der Halle für den Abend ein Versprechen: Ihr seid heute Abend wieder zehn oder zwölf Jahre alt. Und tatsächlich - die Show wirkt zwischendurch wie ein lebendiger Bravo-Starschnitt. Die Arena wird für die Tausenden zum Kinder- oder Jugendzimmer, die Backstreet Boys auf den Postern stehen in echt auf der Bühne und knien im Nebel, während auf der Video-Leinwand hinter ihnen Wasserfälle runterrauschen. Party like it’s 1999.

Zweite Heimat Deutschland

Deutschland und die Backstreet Boys, das ist eine ganz besondere Beziehung. Hier haben sie 1996 ihre erste Goldene Schallplatte bekommen, hier haben sie sich zum ersten Mal selbst im Radio gehört. Diese Fans sind treu, dieses Land ist treu, mit ihnen durch dick und dünn gegangen. AJ McLean nennt Deutschland in Berlin ein "zweites Zuhause". Fans und Band sind gemeinsam erwachsen geworden, haben Kinder bekommen und Familien gegründet.

In einer der Umkleidepausen werden Familienfotos der perfekten Backstreet-Boys-Familien gezeigt. Alle fünf Bandmitglieder haben inzwischen Kinder, aus den Sixpacks sind Dad-Bodys geworden, witzeln sie. AJ McLean und Kevin Richardson bleiben zum Umziehen sogar auf der Bühne. Während sie früher mit Unterwäsche beworfen wurden, drehen sie jetzt den Spieß um – aus einer auf der Bühne aufgebauten Umkleidekabine fliegen ihre Unterhosen ins Publikum. Ein Typ fängt sie, setzt sie sich auf den Kopf - das muss grenzenlose Fanliebe sein.

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Niemals Pause machen

Nächstes Jahr steht ein Jubiläum bei den Backstreet Boys an: sie feiern 30 Jahre Musikkarriere. Wirklich Pause gemacht haben sie nie, und das soll auch so bleiben, versichern sie auf der Bühne in Berlin. Sie kennen sich, seit sie zwölf, 14 oder 19 sind, der erste Bart von AJ McLean war wohl noch aufgeklebt.

Über die zweistündige Show in Berlin werden die Backstreet Boys lockerer, nehmen sich mehr Zeit für Ansagen. Und dann sind da so schöne, kleine Momente wie die, wenn sich Brian Litrell und Kevin Richardson singend und lachend gegenüberstehen, ganz vertraut wirkt das. Als sie "Larger Than Life" spielen, entfährt AJ McLean ein Freudenschrei, Brian Litrell legt sich auf die Bühne und streckt seine Hände zu den Fans aus - da wird es persönlich in der sonst durchchoreographierten Show.

Kaum Effekte – sie sind selbst Effekt genug

Auch ihr neues Album "DNA" von 2019 haben die Backstreet Boys mitgebracht. Die Songs haben durchaus Wumms und sind sehr zeitgemäß produziert, können live aber natürlich nicht mit den unzähligen großen Klassikern mithalten.

Die Backstreet Boys singen einen Song A-Capella, die Überkopfstimme von Brian Litrell ist klar und sauber, auch musikalisch sind sie nach wie vor auf einem sehr stabilen Niveau. Das erklärt auch, warum es sonst kaum Effekte braucht: ein bisschen Konfetti, leuchtende Mikrofonständer, mehr nicht, denn die Backstreet Boys überstrahlen jeden Show-Effekt.

Und als die Show nach zwei Stunden vorbei ist, wollen die tausenden Fans gar nicht rausgeholt werden aus ihrem Traum vom Kinderzimmer mit den Backstreet-Boys-Plakaten - der Soundtrack einer 90er-Jahre-Jugend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.10.2022, 7:55 Uhr

Beitrag von Bruno Dietel

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