rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Quelle: dpa/D.Karmann

Konzertkritik | Placebo in Berlin

Kühle Show statt großer Emotionen

Nach mehrjähriger Studiopause haben Placebo ein neues Album herausgebracht. Am Donnerstagabend stellte die Band es in Berlin vor. Jakob Bauer erlebte eine souveräne Show - jedoch ohne Funkeln.

Also irgendetwas machen Placebo auf jeden Fall ziemlich richtig. Ihr Sound ist eigentlich out, er klingt immer noch wie zur Hochzeit der Band Anfang der 2000er, als Indie-Rock das große Ding war und Placebo sich in die Herzen von Millionen Teenagern und jungen Erwachsenen spielten. Heute klingt Jugendkultur ganz anders, aber trotzdem hat es das aktuelle Album der Band "Never Let Me Go" auf Platz 1 der Charts geschafft. Und die Berliner Mercedes-Benz-Arena, in der die Band an diesem Donnerstagabend spielt, ist proppenvoll.

Im Juli Konzert im Olympiastadion

Depeche Mode kündigen in Berlin neues Album und Tour an

Nach dem überraschenden Tod von Band-Mitbegründer Andrew Fletcher war gerätselt worden, wie es mit Depeche Mode weitergeht. Am Dienstag schufen Dave Gahan und Martin Gore Klarheit: Sie gehen im kommenden Jahr wieder auf Tour.

Nicht euphorisch, eher freundschaftlich

Nostalgie ist sicher ein Grund: Das Publikum in Berlin ist zwischen 30 und 50 Jahre alt, es hat also in Teilen seine Jugend mit Sänger und Gitarrist Brian Molko und seinen traurigen Hymnen verbracht. Und so etwas prägt eben. Dementsprechend ist die Stimmung auch nicht hibbelig-euphorisch, sondern eher freundschaftlich angeregt. Der Applaus ist natürlich trotzdem riesig, als Brian Molko und sein Mitstreiter Stefan Olsdal auf die Bühne kommen.

Mitte der 1990er Jahre hatten sich Placebo in Großbritannien gegründet. In den 2000ern wurde die Band um Sänger Brian Molko zu einem der größten Alternative-Rock-Phänomene ihrer Zeit.
Molko und Olsdal sind die einzigen dauerhaften Mitglieder der Band und bilden das Herz von Placebo. Begleitet werden sie von drei Mitmusikern und einer Musikerin - sechs Leute sind es also insgesamt auf der Bühne, die mit großer Perfektion diesen unnachahmlichen "Placebo"-Sound zimmern.

Der besteht aus viel übereinandergelegten Gitarrenschichten, hochtönig, stark verzerrt und leicht künstlich, dazu immer wieder eingängige Keyboard-Linien, unterlegt mit einem hämmernden 4/4-Beat, alles mit einem mächtigen Druck aus den Boxentürmen geschossen. Darüber legt Brian Molko dann seine unverwechselbare hohe, näselnde Stimme und die melancholischen, tränenvollen Texte. Emotional angefassten Stadionrock mit Kante könnte man das vielleicht nennen.

Die Hymnen zünden nicht

Einer Hymne folgt die andere. Die eine Hälfte besteht aus neuen Songs, die andere aus älteren Hits. Dass Placebo ihr Set hier so durchhämmern, funktioniert am Anfang auch ganz gut: Es gibt kaum Pausen, keine Ansagen, das entwickelt guten Drive und etwas Rauschhaftes. Auf die Dauer allerdings fällt dann doch auf, dass dieser sehr eigene Sound und die Kompositionen der Band über die Jahre keine große Transformation durchgemacht haben.

Und auch live gibt es keine Experimente: Zwar wird für zwei Songs mal ein Flügel aufs Parkett gestellt, am Gesamtklang ändert das aber wenig. Nichts sticht wirklich heraus, worunter der Spannungsbogen des Abends leidet. Das Publikum ist zwar aufmerksam dabei, hier wird mal eine Faust gehoben, da ein bisschen getanzt, aber eine richtige Verbindung zwischen Band und Fans, ein unvergesslicher Live-Moment, lässt sich kaum erfühlen.

Konzertkritik | Bob Dylan in Berlin

Der Gottesdienst

Wenn einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts mit nunmehr 81 Jahren in die Stadt kommt, dann ist das mehr als eine Unterhaltungsveranstaltung. Dann bekommt das religiöse Züge. Hendrik Schröder hat Bob Dylan in Berlin erlebt.

Viel Abgeklärtheit, wenig Funkeln

Das liegt auch an der Performance von Placebo: Brian Molko, schmächtig, lange schwarze Haare, geöffnetes Hemd und Röhrenjeans, sucht eher den Kontakt zu seiner Musik als zum Publikum. Stefan Olsdal hingegen trägt Unterhemd und ist auch sonst zuständig für die eher mittel-authentischen Rockerposen.

Alles nicht schlimm und doch ein bisschen schade, denn Placebo haben ihre Verdienste um die Rockmusik und auch immer noch ordentlich Druck auf dem Kessel. Aber das düstere Funkeln der Band und die großen Emotionen, die in der Musik eigentlich angelegt sind, gehen in der Abgeklärtheit dieser Show verloren.

Sendung: Inforadio rbb24, 7.10.2022, 5 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

Artikel im mobilen Angebot lesen