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Audio: rbb Kultur | 23.12.2022 | Maria Ossowski | Quelle: Jan Windszus Photography

Chef-Inspizientin zum 75. Jubiläum

"Ich wünsche mir, dass die Komische Oper nie erwachsen wird"

Mit einer Gala feiert die Komische Oper am Freitag ihr 75-jähriges Bestehen. Chef-Inspizientin Sabine Franz ist seit 44 Jahren dabei. Sie träumt von einer Bühne, die nicht erwachsen wird - und erklärt den Erfolg mit harter Disziplin und viel Arbeit.

Niemand kennt die Komische Oper so gut wie Sabine Franz. Seit 75 Jahren gibt es das kleinste der drei Opernhäuser in Berlin inzwischen. Seit 44 Jahren arbeitet Sabine Franz bereits in dem Haus. Angefangen hatte sie als Tänzerin auf der Bühne. Dann wurde sie Ballettmeisterin, 2001 Inspizientin und 2008 schließlich Chef-Inspizientin.

Der Berufsbezeichnung folgend ist Sabine Franz also heute Chef-"Anschauerin" in der Komischen Oper. Sie selbst empfindet diese Berufsbezeichnung aber nicht als zutreffend. Vielmehr sei sie so etwas wie eine Stage-Managerin, bei der alles zusammenliefe und von ihr organisiert werde.

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Stürzen soll niemand – Fliegen und Wirbeln soll alles

Anschauen muss sich Sabine Franz in diesem Job dennoch alles, und zwar bis in das kleinste Detail. 90 Minuten vor der Vorstellung beginnt sie routinemäßig die Bühne zu inspizieren. Ob die Bilder hängen, wo sie hängen sollen, prüft Franz vor der Aufführung. Ob alle anwesend sind, die anwesend sein sollen und sie prüft, ob der Teppich auf der Bühne auch glattgestrichen ist und niemand während der Aufführung stolpert und über die Bühne stürzt.

Erst wenn alles akkurat geprüft sei, könne es losgehen und auf der Bühne Leben entstehen. "Zaubern, fliegen, wirbeln", müsse es, sagt Sabine Franz kurz vor der Vorstellung. Wenn sie "das Gefühl habe, dass das Bühnenbild tanzt", könne sie den Moment erst richtig genießen.

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Persönliche Meisterprüfung bei Meistersingern von Nürnberg

Die Arbeit an der Komischen Oper führt Sabine Franz routiniert durch. Die Routine auf dem Weg dahin hat sie auch als Verantwortliche an anderen Bühnen entwickelt. In Bregenz etwa hat sie die Seebühne sieben Sommer lang gemanagt. Ihre persönliche Meisterprüfung habe sie schließlich bei den Meistersingern von Nürnberg abgelegt. Nie habe etwas so viel Kraft gekostet wie Andreas Homoskis Inszenierung 2010. 48 Menschen, in 13 Häusern und einer Kirche habe sie auf der Bühne steuern müssen. Die Anweisungen für die Menschen auf und an der Bühne, wie: "Achtung für die Fahrt, die fünf zur Seite! Die Kirche hat Vorrang! Schnell, die eins bitte drehen!", betet Franz heute noch herunter, als würde sie die Meistersinger von Nürnberg jeden Tag aufs Neue managen.

Von Harry Kupfer bis Barry Kosky. Sabine Franz hat während der vergangenen Jahrzehnte mit allen großen Regisseuren des Theaters zusammengearbeitet. Was alle miteinander verbunden hat, mit denen sie bislang die Bühne zum Tanzen gebracht hat, beantwortet Franz umgehend ohne zu überlegen: "Disziplin". Das gelte für alle. Sängerinnen, Tänzer, Dirigenten, Regisseurinnen oder Inspizienten. "Unglaublich beeindruckt" habe sie die Disziplin schon immer, sagt Franz heute. Schon früh hat sie die dabei selbst gelernt.

Mit vier Jahren begann sie an der Staatlichen Ballettschule Berlin zu tanzen. Sie war 17, als die Staatsoper um die Ecke ihr einen festen Vertrag anbot. Angenommen hat sie ihn nicht. Sie selbst wollte in das kleinere Haus, wo der Schwanensee so viel moderner gewirkt habe. Dass sie heute als Chef-Inspizientin arbeite, verdanke sie, sagt Franz auch ihrer tänzerischen Ausbildung.

Tanz- und Taktgefühl bleiben - auch hinter der Bühne

"Es gibt interessanterweise sehr, sehr viele Inspizienten und Inspizientinnen, die ehemalige Tänzer sind. Man muss schließlich atmen können am Theater. Vor allem in den Pausen müssen wir atmen können. Und dieses Atmen, das lernt man natürlich im Tanz." Auch das Taktgefühl aus der Zeit als Tänzerin begleitet Franz bis heute. In der Komischen Oper wird der Vorhang noch per Hand an den Seilen hochgezogen. Die vielen Kommandos, die Franz im Laufe eines Abends gibt, auch zum Hochziehen des Vorhangs, gibt sie im Takt - routiniert und diszipliniert.

Was sie nach 44 Jahren der Komischen Oper zum 75. Bestehen wünscht, überrascht dahingehend fast: "Ich wünsche der Komischen Oper, dass sie frech, herausfordernd und neugierig bleibt und frech wie ein Teenager niemals erwachsen wird."

Mit Informationen von Maria Ossowski.

Sendung: rbb Kultur, 23.12.2022, 7:10 Uhr

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