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Audio: rbb24 Inforadio | 19.08.2022 | Jo Goll | Quelle: DPA/Carsten Koall

Abserviert für 700.000 Euro

Wie Schlesinger einen Manager kaltstellte

Als Intendantin servierte Patricia Schlesinger gemeinsam mit ihrer Chefjustiziarin beim rbb einen Medienmanager ab. Um ihn loszuwerden, muss der Sender ihm mehr als 700.000 Euro zahlen. Vom rbb-Rechercheteam*

Der rbb bezahlt seit vier Jahren einen Medienmanager, der faktisch freigestellt ist. Bis 31. August 2026 soll der Mann insgesamt mehr als 700.000 Euro erhalten. Davon hat der Sender ihm seit seinem Ausscheiden bereits mehr als 300.000 Euro ausgezahlt.

Die monatlichen Zahlungen verantwortet nach Informationen des rbb-Rechercheteams neben der kürzlich abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger auch Susann Lange, damals Justiziarin des Senders und heute Juristische Direktorin. Die beiden boten dem zum Vertragsabschluss 57-jährigen Manager die lukrative "Vorruhestandsregelung" an.

Der Manager hatte seit den Neunzigerjahren für den rbb gearbeitet, ursprünglich als Jurist, zuletzt als Geschäftsführer der rbb media GmbH. Bei der Tochterfirma des Senders könne er auf eine "außerordentliche Erfolgsgeschichte" zurückblicken, ließ sich Schlesinger im Sommer 2018 in einer Pressemitteilung zu seinem Weggang zitieren. Man bedauere diesen sehr, die Zusammenarbeit sei ausgezeichnet gewesen.

Bonuszahlungen

rbb-Spitze verschweigt wahre Höhe von Top-Gehältern

Der rbb bezahle keine Boni, diese Botschaft verbreitet das Top-Management des Senders seit dem Rücktritt der Intendantin. Interne Dokumente belegen nun, dass diese Darstellung nicht haltbar ist. Vom rbb-Rechercheteam

Warum wurde dieses Angebot unterbreitet?

Nachdem der Manager seinen Posten geräumt hatte, erhielt er noch ein Beraterhonorar in Höhe von insgesamt 10.000 Euro, außerdem Boni in Höhe von 24.000 Euro. Der rbb erklärte damals öffentlich, der Manager habe die rbb media auf eigenen Wunsch verlassen. Aus einem Schreiben, mit dem er sein Amt als Geschäftsführer niederlegte, geht hervor, dass er danach eigentlich im Justiziariat des rbb tätig sein sollte – also in der Abteilung von Susann Lange. Nach Informationen des rbb-Rechercheteams besetzt er dort formal noch heute eine Planstelle und steht sogar im Urlaubsplan.

Warum genau der rbb dem von der Intendantin hochgelobten Manager Zahlungen in Höhe von rund 100.000 Euro pro Jahr anbot, damit dieser nicht mehr für das Haus arbeitete, wollte niemand beantworten. "Diese Vorgänge liefen über das Justiziariat Ihres eigenen Senders. Sie sitzen also an der Quelle", schrieb Schlesingers Anwalt Ralf Höcker auf Anfrage des rbb-Rechercheteams am Mittwoch. "Bitte sehen Sie in die Akten des rbb-Justiziariats. Frau Schlesinger hat darauf keinen Zugriff mehr."

Blick in die Akten des rbb-Justiziariats

Lange wollte sich weder zur "Vorruhestandsregelung" des Managers noch zu ihrer eigenen Rolle bei den zugrunde liegenden Verhandlungen äußern. In einer E-Mail an das rbb-Rechercheteam behauptete die Juristische Direktorin am heutigen Freitag knapp, es habe keine Möglichkeit gegeben, den Mitarbeiter wieder in den rbb einzugliedern. Sie hatte für ihre Antwort zuvor noch um eine Fristverlängerung gebeten.

Allerdings leitete sie dem rbb-Rechercheteam – anscheinend aus Versehen – den E-Mail-Verkehr zur internen Abstimmung ihrer Abteilung weiter. Aus diesem geht hervor, dass eine Mitarbeiterin von Lange im Justiziariat damals, also 2018, Bedenken zu einem Compliance-Verfahren geäußert hatte.

rbb-Affäre

Das Intendantinnenprinzip

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat den rbb aufgefordert, Dokumente und Daten zur rbb-Affäre sicherzustellen. Patricia Schlesinger, die ehemalige Intendantin, hat sich im Rundfunkrat zu den Vorwürfen geäußert. Das rbb-Rechercheteam* berichtet.

Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte

Kurz bevor Schlesinger und Lange dem Manager ihr Angebot unterbreiteten, lief im Haus eine interne Untersuchung wegen möglicher Verfehlungen des Mannes. Nach Informationen des rbb-Rechercheteams hatte der Mann diese Untersuchung selbst angestoßen.

Die Untersuchung ergaben zwar keine Verfehlungen, die eine Kündigung ermöglicht hätten – verursachten allerdings ein echtes Problem: Offenbar wurden während der Untersuchung Mitarbeitende über das Privatleben des Mannes ausgefragt. Nach Einschätzung von Beteiligten verletzte der Sender damit die Persönlichkeitsrechte des Managers.

Lange profitierte augenscheinlich vom Weggang des Managers bei der rbb media. Eine Woche, nachdem sie und Schlesinger ihm die "Vorruhestandsregelung" angeboten hatten und er zustimmte, sein Amt niederzulegen, sorgte Schlesinger dafür, dass Lange vorübergehend selbst zweite Geschäftsführerin der Tochterfirma wurde.

Beschlossen wurde dies auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der rbb media, offenbar unter vier Augen: Laut notariell beglaubigtem Protokoll waren nur Schlesinger und Lange anwesend. Als zweite Geschäftsführerin erhielt Lange nach Informationen des rbb-Rechercheteams einen monatlichen Zuschlag von 2.000 Euro - zusätzlich zu dem, was sie bereits beim rbb verdiente.

Gemeinsamer Urlaub in Ruanda mit Schlesinger und Spörl

Nach einem am Freitagmittag veröffentlichten Bericht des Onlineportals "Business Insider" sollen noch weitere ehemalige Beschäftigte faktisch freigestellt und mit ähnlich lukrativen "Vorruhestandsregelungen" versorgt worden sein, damit sie nicht mehr für das Haus arbeiten.

rbb-Affäre

Zu Gast bei Patricia

Hat die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger private Abendessen als geschäftliche Termine getarnt und über den Sender abgerechnet? Der Verdacht liegt nahe. Von René Althammer und Oliver Noffke

Die Person, die Schlesinger im Sommer 2018 zur Hauptgeschäftsführerin bestimmte, leitet die rbb media noch heute: Edda Kraft. Der Sender warb sie von einer Tochterfirma des MDR ab, die Kraft bis dahin geführt hatte. Kraft teilte dem rbb-Rechercheteam am Dienstag auf Anfrage mit, Schlesinger habe sie wegen des Geschäftsführerpostens bereits im April 2018 kontaktiert – also mehr als zwei Monate, bevor der hochgelobte Medienmanager sein Amt niederlegte und die "Vorruhestandsregelung" angeboten bekam.

Höcker behauptete, der Vorschlag, Kraft abzuwerben, sei aus dem rbb an Schlesinger herangetragen worden. Schlesinger und Kraft hätten sich bis dahin nur oberflächlich gekannt und seien sich nur wenige Male begegnet.

Offenbar haben die rbb-Intendantin und die Nachfolgerin des abservierten Managers seither Freundschaft geschlossen. Im Juni 2022 machten Kraft und Schlesinger noch gemeinsam Urlaub in Ostafrika. Ein Foto, das die deutsche Botschaft in Ruanda auf Twitter veröffentlichte, zeigt die beiden als Teil einer Reisegruppe, zu der auch Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl gehörte.

Kurz nach Schlesingers Rückkehr nach Deutschland wurden erste Details über die rbb-Affäre bekannt. Gegenstand der Berichterstattung war auch ein im Oktober 2020 geschlossener Vertrag eines Beraters mit der rbb media, die durch den Abgang des Managers derzeit von der Schlesinger-Vertrauten Edda Kraft geführt wird.

*Das rbb-Rechercheteam besteht aus René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst. Es recherchiert zu den Vorwürfen gegen die rbb-Spitze, arbeitet selbstständig, unabhängig und ist nicht an Weisungen gebunden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.08.2022, 14 Uhr

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Beitrag von René Althammer, Jo Goll, Daniel Laufer, Oliver Noffke und Gabi Probst

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