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Video: rbb24 Abendschau | 18.10.2022 | N. Siegmund | Quelle: dpa/Eventpress Hoensch

Keine türkische Staatsbürgerschaft

Berliner Behörde gibt zu: Hildmann hätte ausgeliefert werden können

Attila Hildmann soll entgegen bisherigen Angaben doch nicht die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Entsprechend könnte er nach Deutschland ausgeliefert werden. Die Fahndungsmaßnahmen wurden erweitert.

Der wegen Volksverhetzung gesuchte Verschwörungsideologe und Rechtsextremist Attila Hildmann könnte doch nach Deutschland ausgeliefert werden. Das Magazin "Stern" berichtete am Dienstag unter Berufung auf die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, Hildmann habe entgegen bisheriger Angaben doch nicht die türkische, sondern nur die deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte rbb|24 auf Nachfrage, dass die Behörde seit April 2022 davon ausgehe, dass Hildmann nur im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sei. Demnach hatte die Staatsanwaltschaft bei der Senatsverwaltung für Inneres Unterlagen erbeten, die "das Bestehen der türkischen Staatsangehörigkeit neben der deutschen belegen und nicht lediglich eine Selbstauskunft des Betroffenen darstellen."

Keine Eintragungen im Melde- und Personalausweisregister

Im Melde- und Personalausweisregister seien aber keine entsprechenden Hinweise gefunden worden. Nach Auskunft des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten ist die türkische Staatsangehörigkeit im Melderegister zwar mindestens seit 2008 unverändert erfasst. "Wie und wann es zu diesem Eintrag gekommen ist, konnte mangels entsprechender Hinweise oder Protokolldaten aber nicht mehr nachvollzogen werden", teilte die Generalstaatsanwaltschaft weiter mit.

Anfang des Jahres stellte die Staatsanwaltschaft weitere Nachfragen bei den türkischen Behörden, die am 31. März 2022 über Interpol Ankara mitteilten, dass der Beschuldigte dort unter den angefragten Personalien registermäßig nicht erfasst sei.

Der Internationale Haftbefehl sei vor diesem Hintergrund und nach weiteren Ermittlungen im Juni angepasst worden. Zudem seien die Fahndungsmaßnahmen erweitert worden. Weitere Details nannte die Generalstaatsanwaltschaft nicht.

Hildmann ist seit Dezember 2020 auf der Flucht und hält sich seitdem in der Türkei versteckt. Dort schrieb er im März 2021 an seine Follower, er sei ein "stolzer, echter Nazi", er leugnete den Holocaust und hetzte gegen Jüdinnen und Juden [faz.net]. Seit Februar 2021 wird er per Haftbefehl wegen Volksverhetzung, Bedrohung und anderer Delikte von der Berliner Staatsanwaltschaft gesucht, er steht auf der Fahndungsliste von Europol und Interpol.

Auslieferungsgesuch offen

Vor einem Jahr hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, Hildmann besitze neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit. Deshalb sei davon auszugehen, dass ihn die Türkei weder festnehmen noch ausliefern werde, hieß es damals.

Die angebliche türkische Staatsangehörigkeit wurde auch in einem dem rbb vorliegenden Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten angegeben sowie in mehreren vorherigen Beschlüssen desselben Gerichts aus dem Jahr 2020.

Irritation über Behördenverhalten

Der rechtspolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Sebastian Schüsselburg, äußerte sich am Dienstag im rbb irritiert über die Causa Hildmann. Als Parlamentarier hätte er erwartet, dass alle Register gezogen werden, um zu versuchen, Attila Hildmann der hiesigen Justiz zuzuführen.

Die Meldebehörden müssten erklären, warum Hildmann einfach eine falsche Staatsbürgerschaft angeben konnte und das jahrelang nicht auffiel. Außerdem müsse sich die Berliner Generalstaatsanwaltschaft fragen, warum sie nicht sofort den Auslieferungsantrag auf den Weg gebracht habe, nachdem sie von Interpol erfahren hatte, dass Hildmann kein türkischer Staatsbürger sei.

GdP hält den Fall Hildmann für "hochgradig peinlich"

"Die Causa Hildmann ist hochgradig peinlich", erklärte der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin - Benjamin Jedro, "auch weil wir hier über eine Person reden, die ihre Öffentlichkeit dafür genutzt hat, mittels Verschwörungstheorien unseren demokratischen Rechtsstaat zu diskreditieren und Anhänger für schwere Straftaten zu mobilisieren". Die GdP hätte erwartet, "dass man sich nicht mit einfachen Aussagen zur Staatsangehörigkeit zufrieden gibt und derart narren lässt, sondern akribisch ermittelt und auch mit länderübergreifender Zusammenarbeit intensiv an der Vollstreckung des internationalen Haftbefehls arbeitet.“

Der Kochbuchautor Attila Klaus Peter Hildmann wurde 1981 in West-Berlin als Kind türkischer Eltern geboren. Diese gaben ihn als Baby zur Adoption frei, er wuchs bei deutschen Adoptiveltern auf.

Sendung: rbb24 Inforadio, 18.10.2022, 8 Uhr

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