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Quelle: dpa/A.Gora

Interview mit Rechtsanwalt

Urteil zu Fotos von Falschparkern dürfte "Ausstrahlungswirkung" haben

Falschparker auf Rad- und Gehwegen zu fotografieren und die Bilder der Polizei zu schicken, betrachten Behörden vielerorts als rechtswidrig. In Ansbach urteilten Richter nun anders. Der Anwalt Matthias Lachenmann erklärt im Interview, was dieses Urteil bedeutet.

rbb|24: Herr Lachenmann, das Verwaltungsgericht Ansbach hat vergangene Woche ein Urteil gefällt: Falschparker zu fotografieren und die Fotos an Polizei und Ordnungsamt weiterzugeben ist demnach nicht rechtswidrig. Sie haben einen der Mandanten als Anwalt vertreten. Können Sie den Fall noch einmal schildern?

Matthias Lachenmann: Mein Mandant, aber auch verschiedene Andere, darunter Fahrradfahrer und Fußgänger aus München, haben verschiedene Fotos von falsch parkenden Autos angefertigt [br.de]. Es gab mehrere Verfahren, in Ansbach wurden jetzt zwei Verfahren verhandelt. Bei meinem Mandanten hat die Datenschutz-Aufsichtsbehörde bemängelt, dass in 17 Fällen Fotos von Falschparkern angefertigt worden wären.

17 von einem einzigen Mann, richtig?

Genau, aber das ist im Endeffekt sehr wenig. Ich fahre selbst viel Fahrrad, ich wohne in Bonn und pendele oft nach Köln zur Arbeit. Wenn ich auf einer Fahrt jeden Verstoß fotografieren wollte, dann hätte ich schnell meine 17 Fotos zusammen. Im anderen Fall, der in Ansbach mitverhandelt wurde, wurde der Kläger von der Deutschen Umwelthilfe unterstützt. Da waren es sechs Fälle, die bemängelt wurden. Es gibt aber auch einen Fall aus München, die Person hatte circa 11.000 Fotos gemacht und bei Polizei oder Ordnungsamt gemeldet.

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Was waren das für Fälle, um die es bei Ihrem Mandanten ging?

Alles Fälle, in denen er persönlich behindert wurde - beispielsweise weil der Gehweg so komplett von einem Auto zugeparkt war, dass mein Mandant mit seinem Kind auf die Straße musste. Oder Fälle, wo Falschparker so eng an einer Kreuzung standen, dass sein Kind für Autofahrer nicht mehr sichtbar war, wenn es mit seinem Fahrrad auf die Kreuzung zu fuhr. Es waren alles gravierende Fälle, nichts, wo man sagen würde "der steht jetzt drei Millimeter daneben" oder ähnliches. Mein Mandant hat über längere Zeit versucht, die Polizei und das Ordnungsamt dazu zu bewegen, etwas zu tun.

Wie haben die Behörden reagiert?

Es ist wenig passiert. Irgendwann hat er von bestimmten Fällen Fotos gemacht. Teilweise hat er mit der Polizei sehr nett gesprochen, teilweise kam die Antwort, dass er sich um anderes kümmern solle. Dann hat die Polizei überraschend den Sachverhalt an das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht weitergegeben. Die Polizei hatte mitgeteilt: Da ist jemand, der fotografiert Falschparker, wir werten das als rechtswidrig.

Zur Person

Matthias Lachenmann

Die Polizei selbst hat das gemeldet?

Sie hat das weitergegeben, richtig. In der mündlichen Verhandlung wurde die Vermutung geäußert, dass die Polizei wahrscheinlich keine Lust hat, überall zu ermitteln. Nach dem Motto: Wenn ein Datenschutzverstoß vorliegt, dann können wir das ja ignorieren. Das stand im Raum, auch wenn man es natürlich nicht beweisen kann. Die Datenschutzbehörde hat daraufhin meinen Mandanten angeschrieben und eine Verwarnung mit 100 Euro Gebühr verhängt. Es sei rechtswidrig, Falschparker zu fotografieren und die Fotos an Polizei oder Ordnungsamt weiter zu geben.

Natürlich hat die Polizei eine Vielzahl von anderen Aufgaben, aber wir würden uns wünschen, dass sie zusammen mit dem Ordnungsamt die Situation verbessert und dass die Politik aktiv dabei unterstützt. Die Menge solcher Verstöße zeigt doch, dass es hier Bedarf gibt.

Was wäre denn in so einem Fall alternativ zulässig gewesen?

Darüber haben wir in der mündlichen Verhandlung recht ausführlich diskutiert. Die Aufsichtsbehörde hat vertreten, dass es ausreichend sei, wenn man die Informationen ohne Foto melde. Angaben wie Automarke, Farbe, Kennzeichen, Ort, Zeit seien ausreichend. Die Behörde sagte, die Polizei habe ihr versichert, dass bereits auf Basis solcher Informationen ermittelt werde. Das glauben wir aber nicht wirklich. Bei den Verstößen, die mein Mandant immer wieder gemeldet hat, war das nicht immer der Fall.

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Was haben Sie letztendlich vor Gericht erstritten?

Wir haben gegen die Verwarnung der Datenschutzbehörde geklagt. Wir wollten erreichen, dass das Gericht klarstellt, dass es rechtlich zulässig ist, Fotos von Falschparkern anzufertigen und sie an die Ordnungsbehörden weiterzuleiten. Wir reden hier nicht davon, ob Fotos mit Kennzeichen, vielleicht zudem mit Menschen, bei Social Media hochgeladen werden. Mein Mandant hat immer darauf geachtet, dass auf den Fotos keine Menschen zu sehen sind und er die Fotos ausschließlich mit den zuständigen Behörden teilt. Hierzu sagte das Gericht: Das ist rechtlich zulässig [vgh.bayern.de].

Welche Auswirkungen, denken Sie, hat dieses Urteil auf andere, ähnliche Fälle in Deutschland?

Das Urteil ist eindeutig ein Präzedenzfall. Es hat Ausstrahlungswirkung auf ganz Deutschland - aber ist vorerst in anderen Bundesländern nicht bindend. Es ist jetzt schon so, dass in verschiedenen Bundesländern Aufsichtsbehörden gegen Leute vorgehen, die falsch parkende Kraftfahrzeuge fotografieren. Nichtsdestotrotz gilt das Urteil erst mal nur für Bayern.

In Brandenburg oder Hessen beispielsweise könnte die Datenschutzbehörde sagen: Interessiert uns nicht, sollen die uns hier doch verklagen. Wir müssen nun abwarten, ob die bayerische Datenschutz-Aufsichtsbehörde die Zulässigkeit der Berufung beantragt. Dann würde der Fall erst zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gehen und, je nachdem wie das Verfahren entschieden wird, möglicherweise zum Bundesverwaltungsgericht. Erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wäre deutschlandweit bindend.

Also müsste erst ein vergleichbarer Fall in einem anderen Bundesland vor Gericht verhandelt werden, um dort Klarheit zu schaffen.

Genau. Das Gericht kann sagen: Das überzeugt mich, was Ansbach entschieden hat, wir sehen es genauso. Das Gericht kann aber auch sagen: Ich sehe das völlig anders. Das werden wir erst wissen, wenn es in anderen Bundesländern zu einer Verhandlung kommt. Ich hoffe aber, dass die Entscheidung aus Ansbach auch die anderen Datenschutz-Aufsichtsbehörden überzeugen wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Schneider, rbb|24

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.11.2022, 12 Uhr

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