Eberswalde hat eine süße Tradition und pflegt sie auch. Ein Kuchen trat von hier aus seinen Eroberungszug in die weite Welt an: der Spritzkuchen. Sein Schöpfer gehört zu den großen "Köpfen" des Landes. Ein Botschafter der Süße.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Ähnlich wie der Pfannkuchen in vielen Teilen Deutschlands "Berliner" heißt, könnte der Spritzkuchen eigentlich "Eberswalder" genannt werden, denn er stammt aus diesem Städtchen am Finowkanal. Wahrscheinlich.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Spritzkuchen in seiner heutigen Form aus Eberswalde stammt, speist sich daraus, dass seit Jahrzehnten in Zeitungen und stadthistorischen Vorträgen sowie kleinen und großen Fernseh- und Radioberichten die Eberswalder Spritzkuchenlegende erzählt wird. Diese Story hat alles, was es braucht:
1. einen Helden, der sich auf eine Reise begibt,
2. Herausforderungen, die dieser Held zu meistern hat und
3. ein Ende, bei dem der Held für seine Leistung viel Applaus bekommt.
Zusatz: Manchmal gehört zu dieser Geschichte auch ein ganz genau angegebener Ort, wo sich dieser Held seitdem natürlich einen Ehrenplatz verdient hat.
... | Quelle: COLOURBOX/ Christian Weiss
Zietemann, Dieter "Maschine Birr" und Mathias Döpfner
Held dieser Eberswalder Spritzkuchenstory ist Gustav Louis Zietemann. Zietemann gehört genauso wie Dieter "Maschine" Birr (Komponist aus Neuenhagen und Brandenburger Bierbotschafter von 2019 bis 2021), Beate Uhse (Erotikunternehmerin mit Flugausbildung in Rangsdorf) und Mathias Döpfner (in Potsdam lebender Restaurator der Villa Schöningen) zu den Brandenburger Köpfen, die die Staatskanzlei der Landesregierung definiert hat als etwas, das aus dem "Sand, Wasser und Wald" des Landes herausragt.
Der Werbebotschafter an den Gleisen
Im Jahr 1832 siedelte der aus Berlin stammende Konditor Zietemann (1807 - 1880) nach Eberswalde um. Die genauen Gründe für die Migration des damals 25-Jährigen sind nicht notiert, doch war es schon damals so, dass Berlin schnell wuchs und laut war, Eberswalde dagegen ein nettes Provinznest.
Der Handwerker aus der Großstadt also eröffnete in Eberswalde umgehend sein Geschäft, musste sich dort aber zunächst seine Sporen bei der lokalen Kundschaft verdienen. Sehr schnell und sehr erfolgreich gelang ihm das mit dem Verkauf seiner Spritzkuchen, also kleinen luftigen Rollen aus Brandteig, die in Fett ausgebacken und mit Zuckerguß glasiert wurden.
Der Durchbruch und der überregionale Fame kam für den Neu-Eberswalder dann mit einer Weiterentwicklung seiner Absatzroutine: Angestellte Zietmanns brachten die Spritzkuchen zum Eberswalder Bahnhof, wo sie von den Verkäufern an die Fernreisenden der 1842 eröffneten neuen Strecke Berlin-Stettin durch die Fenster in den Wagon verkauft wurden. Für die Reisenden stand von da an der Stopp in Eberswalde für die süße Auszeit mit Zietemanns Spritzkuchen. Zietemann wurde zu Eberswaldes größtem Werbebotschafter.
Jenny als Spritzkuchenkönigin im überregionalen Newsmagazin
Zietemann selbst zog später weiter nach Osten, seine Nachfahren aber backten und konditorten weiter in Eberswalde, pflegten das Spritzkuchenrezept und brachten es durch Krieg und Sozialismus in die neue Zeit. Heute gibt es Spritzkuchenwettbewerbe, kleine Spritzkuchenvorträge und spezielle Spritzkuchenkartons für den pflegeleichten Transport von Spritzkuchen.
Bis in das überregional vertriebene Magazin "Spiegel" schaffte es zudem Jenny I. Jenny Bechly-Günzel war im vergangenen Jahr Eberswaldes Spritzkuchenkönigin. Bundesweit warb die Spritzkuchenkönigin mit Kuchen auf dem Tablett vor einem Brötchenregal mit Balzac-Zitat stehend für ihren Chef und für den Kuchen - und natürlich für die guten alten Zeiten. Einfach Zucker.