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Quelle: dpa

Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern

Corona und Arbeitsrecht: Hier antworten Experten auf Ihre Fragen

Die Corona-Pandemie verunsichert viele Arbeitnehmer. Den rbb erreichen viele Fragen: Muss ich als angestellter Handwerker in fremde Haushalte gehen? Darf ich mich weigern, im gemeinsamen Firmenwagen zu fahren? An dieser Stelle finden Sie Antworten.

Die Maßnahmen zur Eindämmung von Corona bringen die Bürger in eine Ausnahmesituation. Über das Webangebot und die Social-Media-Kanäle erreichen den rbb viele Fragen rund um das Thema Arbeitsrecht: Wozu bin ich als Arbeitnehmer verpflichtet? Wozu ist mein Arbeitgeber verpflichtet? Wir haben die Arbeitsrechtsexperten des DGB Rechtsschutz [dgbrechtsschutz.de] um Antworten auf häufig von Ihnen gestellte Fragen gebeten.

Inwiefern ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die Gesundheit seiner Beschäftigten zu sorgen? Wo genau sind die allgemeinen Schutzvorschriften für Pandemie-Fälle und insbesondere im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie formuliert?

Es besteht eine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als allgemeine Grundlage sowie dem Arbeitsschutzgesetz.

Besondere Vorschriften für Infektionserkrankungen finden sich außerdem im Infektionsschutzgesetz. Es handelt sich hier aber nicht um ein arbeitsrechtliches Gesetz, sondern es regelt allgemein die Beziehungen zwischen Staat und Bürger. Nur am Rande gibt es Regelungen, die auch das Arbeitsverhältnis betreffen, zum Beispiel ein Beschäftigungsverbot und die Pflicht des Arbeitgebers, den Entschädigungsanspruch bei Quarantäne vorzustrecken.

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Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber sich über die Vorschriften hinwegsetzt?

Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so sollte man sich in erster Linie an diesen wenden. Der Betriebsrat wacht nicht nur über die Einhaltung der Gesetze im Betrieb, sondern er hat im Bereich des Gesundheitsschutzes auch ein echtes Mitbestimmungsrecht. Er kann also mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen abschließen, die dann einklagbar Ansprüche enthalten können.

Mein Arbeitgeber hält die Schutzbestimmungen nicht ein, aber in meinem Betrieb gibt es keinen Betriebsrat, an den ich mich wenden könnte. Was kann ich tun?

Als weiterer Ansprechpartner kommt die jeweilige Arbeitsschutzbehörde ins Spiel. In Brandenburg ist es  das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit [lavg.brandenburg.de], in Berlin das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit [berlin.de/lagetsi]. Außerdem sieht das BGB einen Anspruch auf Schadensersatz vor, wenn Beschäftigten aufgrund fehlender Schutzbestimmungen ein Schaden entstanden ist.

Bei wiederholten und eklatanten Verstößen kann auch ein Zurückbehaltungsrecht infrage kommen. Der Beschäftigte kann dann der Arbeit fernbleiben, ohne seinen Lohnanspruch zu verlieren. Von diesem Instrument sollte man allerdings nur sehr vorsichtig Gebrauch machen. Der Beschäftigte kann sich schnell dem Vorwurf der Arbeitsverweigerung aussetzen mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung droht.

Ich kann meinen Arbeitsweg nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Dort ist es aber nicht möglich, einen Sicherheitsabstand von zwei Metern zu anderen Fahrgästen einzuhalten. Kann mich mein Arbeitgeber zwingen, trotzdem zur Arbeit zu kommen?

Es ist Sache des Beschäftigten, wie er zur Arbeit kommt. Wenn er nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen möchte, weil er Angst vor einer Ansteckung hat, muss er selbst eine alternative Fortbewegungsform finden. Solange man keiner Risikogruppe angehört, reicht die reine Befürchtung vor Ansteckung nicht aus, der Arbeit fernzubleiben. Die Arbeitspflicht besteht weiter. Wer trotzdem nicht zur Arbeit erscheint, erhält jedenfalls keinen Lohn, außerdem drohen Abmahnung und Kündigung.

Mein Arbeitgeber hat mich aufgefordert, mir auf eigene Kosten einen Mietwagen zu nehmen, weil ich mich nicht mehr in die öffentlichen Verkehrsmittel traue. Darf er das?

Die Fahrt mit einem Pkw ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, das Infektionsrisiko zu senken. Es ist aber Sache des Arbeitnehmers zu entscheiden, wie er den Arbeitsweg zurücklegt. Wenn er keinen eigenen Pkw hat, kann er sich einen mieten. In Frage kommt aber auch – je nach Wegstrecke – die Fortbewegung per Fahrrad oder zu Fuß oder mit dem Taxi.

Um die Sache einmal von der anderen Seite zu betrachten: Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Beschäftigten die Kosten eines Mietwagens zu erstatten oder ihm einen solchen Verfügung zu stellen, wenn es nur um die reine Strecke von zu Hause ins Büro geht.

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In Firmenwagen kann der notwendige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden. Kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zwingen, gemeinsam zu Aufträgen oder Kunden zu fahren?

Hier kommt es sehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Wenn der Arbeitgeber mehrere Personen transportiert, muss er deren Gesundheit im Blick haben. Hier wird man im Regelfall sagen können, dass es dem Arbeitgeber möglich sein wird, die Beschäftigten so auf Pkw zu verteilen, dass ein hinreichender Sicherheitsabstand gewährleistet ist.

Monteure und Handwerker sind weiterhin in Haushalten tätig, und oftmals kann dabei nicht der notwendige Sicherheitsabstand von zwei Metern zu anderen Personen gewährleistet werden. Können diese Beschäftigten sich weigern, ihre Arbeit dort auszuführen?

Die Beschäftigten sind nur soweit geschützt, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Das BGB sieht also eine Abwägung vor zwischen den Gesundheitsbelangen der Beschäftigten und dem Interesse des Arbeitgebers daran, dass die Arbeit gemacht wird. Wenn nun der notwendige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, muss der Arbeitgeber durch weitere Maßnahmen, beispielsweise Schutzmasken sicherstellen, dass für die Beschäftigten ein größtmöglicher Schutz herrscht. Auch hier kommt es sehr auf die Gegebenheiten des Einzelfalles an.

Können sich Erzieherinnen und Erzieher weigern, ihre Arbeit in der Notbetreuung fortzusetzen, weil sie Angst vor einer Corona-Infektion haben? Zu welchen Schutzmaßnahmen ist der Arbeitgeber in diesem speziellen Fall verpflichtet?

Hier gilt das oben Gesagte entsprechend. Die reine Angst vor einer Infektion rechtfertigt es nicht, der Arbeit fernzubleiben. Als Schutzmaßnahmen kommen hier wiederum Masken infrage. Durch eine Verkleinerung der Gruppen kann der Abstand gewährleistet werden. 

Die Antworten stammen von Till Bender von der DGB Rechtsschutz GmbH. Diese erbringt den verbandlichen Rechtsschutz für Gewerkschaftsmitglieder im Arbeits- und Sozialrecht.

Rechtliche Grundlagen

§ 618 BGB Pflicht zu Schutzmaßnahmen

(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.

[…]

(3) Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatz die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 entsprechende Anwendung.

§ 3 Arbeitsschutzgesetz Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie

2. Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen. 

§ 17 Arbeitsschutzgesetz Rechte der Beschäftigten

(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.

(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

§ 87 Betriebsverfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: [...]

7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

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