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Audio: rbb24 Inforadio | 28.09.2022 | Oda Tischewski | Quelle: P.Zinken

#Wiegehtesuns? | Exil-Iranerin in Berlin

"Ich spüre Hoffnung - und zugleich Angst"

Täglich erreichen die Iranerin Mina Khani Nachrichten von den Protesten in ihrer Heimat. Ihre Aufgabe sieht die in Berlin lebende Feministin und Publizistin darin, die Informationen weiterzutragen. Sie hat Hoffnung, dass die Proteste Erfolg haben könnten.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Mina Khani ist iranische Publizistin und Feministin. Sie schreibt auf Deutsch über die Situation im Iran und auf Farsi für ein iranisches Publikum über Feminismus. Seit dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini [tagesschau.de], den darauffolgenden Protesten gegen das Kopftuchverbot und gegen das Regime nutzt sie vor allem die sozialen Medien, um die Nachrichten aus ihrer Heimat weiterzuverbreiten.

Ich muss sagen, ich bin sehr optimistisch dieses Mal. Wir sagen schon seit Jahren, dass die Unzufriedenheit in der iranischen Gesellschaft groß ist. Jetzt sehen wir, dass diese Unzufriedenheit sich politisch äußert. Und es geht nicht nur um ökonomische Unzufriedenheit, sondern um grundsätzliche Fragen. Es geht um die Gender-Frage, aber auch um die Forderung, in Freiheit leben zu wollen, gekoppelt mit Parolen wie ‚nieder mit der Diktatur‘.

Ich bin vor circa 20 Jahren als Studentin nach Deutschland gekommen. Mein Vater wollte tatsächlich, dass ich nach Deutschland gehe, damit ich quasi weniger Krach mache im Iran. 2009 habe ich angefangen, unter meinem echten Namen zu publizieren, seitdem kann ich nicht mehr zurück. Ich schreibe sowohl für deutschsprachige Medien als auch auf Farsi für Menschen im Iran.

Die iranische Publizistin Mina Khani | Quelle: Godot

Es gab dann eine Auseinandersetzung mit der iranischen Botschaft hier in Berlin, und ich konnte keinen neuen Pass beantragen. Zwei Jahre habe ich gewartet und nur mit einer Duldung hier gelebt, in der Hoffnung, dass sich die Situation im Iran ändert. Erst dann habe ich Asyl beantragt und auch sofort bekommen.

Da ich als iranische Feministin eine Reichweite habe, bekomme jetzt viele persönliche Nachrichten von Frauen und aus der LGBTQI-Community. Sie schreiben mir und uns mit der Forderung, dass wir das nach außen tragen. Es ist dieses Mal anders. Es ist das erste Mal, dass gerade die Städte im Norden des Iran wie Rasht aufgewacht sind. Dort wurde bisher nicht offen protestiert. In einigen Städten herrscht militärischer Ausnahmezustand, aber jetzt bekommen wir Meldungen von anderen Städten, dass sie zum Streik aufrufen. Schüler:innen rufen zum Streik auf. Personen des öffentlichen Lebens verkünden, dass sie nicht weiter unter den Regeln des Staates arbeiten werden, auch wenn das bedeutet, dass sie sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen müssen.

#Wiegehtesuns? | trans Frau in Berlin

"Keiner hat geholfen an dem Tag, kein Mensch"

Marina ist trans Frau und lebt in der Nähe von Berlin. Der Tod von Malte C. in Münster hat sie betroffen gemacht. Sie sagt, es passiere immer öfter, dass trans Leute attackiert werden. Auch sie wurde überfallen - und lebt seither in Angst. Ein Gesprächsprotokoll.

Natürlich wäre ich jetzt gern im Land. Iraner:innen wie ich, die nicht in den Iran reisen können, fühlen in solchen Situationen immer ähnlich. Ich spüre Hoffnung und zugleich Angst. Das war bei mir auch bei den Protesten 2019/2020 so. Und da ist diese Wut, dass das Regime nicht davor zurückschreckt, auf 13- oder 16-Jährige zu schießen. Wir wissen aus Erfahrung: Je größer die Proteste, desto heftiger werden die Repressionsmaßnahmen – und zugleich ist der Informationsfluss schwierig. 2019 hatten wir dann eines Tages die Information von über 1.500 Toten in nur einer Woche. Meine ganze Familie ist auch noch dort.

Es ist oft auch schwer, von hier aus als Journalistin zu arbeiten: Wir können zum Beispiel unsere Kontakte im Land nicht veröffentlichen, um sie nicht zu gefährden. Außerdem ist es sehr aufwändig, Informationen zu verifizieren. Es ist schwer für mich, von hier aus zu arbeiten. Hier geht das Leben weiter, du bist da und quasi nicht da. Aber ich weiß auch, dass es eine wichtige Arbeit ist, deswegen mache ich das.

Ich selbst wurde im Iran früher auch schon mehrmals von der Sittenpolizei festgenommen, weil ich mich nicht so verhalten habe, wie es der Staat wollte. Ich habe Haut und Haare gezeigt, um zivilen Ungehorsam zu leisten. Dieser zivile Ungehorsam hat jetzt eine politische Artikulation gefunden. Was wir derzeit sehen: Ein Teil des Sturzes oder des Zerfalles des Regimes ist schon da. Sie haben versucht, durch den Kopftuchzwang die Hälfte der Gesellschaft zu kontrollieren und dadurch, die komplette Gesellschaft zu unterdrücken. Aber dieses Bild funktioniert nicht mehr, auch nicht nach außen.

Das Gespräch führte Oda Tischewski.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.09.2022, 07:06 Uhr

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