#Wiegehtesuns? | trans Frau in Berlin - "Keiner hat geholfen an dem Tag, kein Mensch"

Mo 12.09.22 | 13:41 Uhr
Marina aus der Nähe von Berlin (Quelle: privat)
privat
Video: rbb|24 | 10.09.2022 | Autoren: Stefan Oberwalleney, Grit Lieder | Bild: privat

Marina ist trans Frau und lebt in der Nähe von Berlin. Der Tod von Malte C. in Münster hat sie betroffen gemacht. Sie sagt, es passiere immer öfter, dass trans Leute attackiert werden. Auch sie wurde überfallen - und lebt seither in Angst. Ein Gesprächsprotokoll.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Ich war immer anders, nur früher wusste ich nicht, dass es trans ist. Ich war schon in München - ich bin gebürtige Münchnerin - nie in Männerkleidung richtig glücklich. Sie wurde mir aber aufgezwungen. Meine Mutter hat meine Leggins immer weggeschmissen. Hier in Berlin habe ich dann richtig zu mir selbst gefunden.

Es gibt aber auch hier, zum Beispiel bei der Arbeit, immer noch Komplikationen und Probleme. Es ist für manche Leute schwer, mich so anzuerkennen, wie ich bin.

Als ich von der tödlichen Attacke auf dem CSD in Münster erfahren habe, habe ich gehofft, dass der Mann es überlebt. Zunächst gab es ja auch Hoffnung. Als ich gelesen habe, dass Malte C. gestorben ist, hat mich das traurig gemacht. Es passiert ja immer öfter, dass trans Leute krankenhausreif zusammengeschlagen werden. Oder dass sie schwerverletzt irgendwo liegen.

Alleine wegzugehen traue ich mich nicht mehr - und das mitten in Berlin, was traurig ist

Marina, trans Frau

Mir ist das selbst passiert in Berlin. Ich wurde ausgeraubt von drei Jugendlichen. Die sind mir von der Haltestelle Warschauer Straße gefolgt und bis zur S-Bahn hinterhergerannt. Keiner hat geholfen, alle haben nur zugeschaut oder weggeguckt. Die S-Bahn war voll, auch der S-Bahn-Fahrer hat nicht geholfen. Ich habe an die Scheibe geklopft und gerufen, er soll die Türen zumachen. Nichts passierte. Da war ich schachmatt und das ganze Geld wurde mir geklaut.

Ich war als trans Mensch klar zu erkennen, aber keiner hat geholfen an dem Tag, kein Mensch. Ich war darüber sehr traurig und habe nach wie vor Angst. Ich habe mich an den nächsten Tagen nicht mehr rausgetraut. Das macht einen psychisch fertig.

Während des Überfalls war mir alles egal, da bin ich den Typen hinterhergelaufen und ich habe die Polizei angerufen und die hat sie dann erwischt. Hoffentlich bekomme ich dadurch wenigstens mein Geld wieder.

Doch ich merke es immer wieder: Die Zivilcourage der Menschen lässt nach. Seit dem Vorfall bin ich nur noch mit dem Auto unterwegs und ich gehe nur noch mit Leuten, die ich kenne, zusammen weg.

Alleine wegzugehen traue ich mich nicht mehr - und das mitten in Berlin, was traurig ist. Ich fahre nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und habe auch das Neun-Euro-Ticket nicht genutzt. Lieber nehme ich den teuren Sprit in Kauf. Wenn man das einmal erlebt, bleibt etwas hängen: die Angst, dass es noch einmal passiert.

Gesprächsprotokoll: Stefan Oberwalleney und Sabine Priess

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