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Quelle: rbb/I. Schönfelder

#Wiegehtesuns? | Die Studentin

"In diesem Semester kommt ganz schön viel Kälte auf uns zu"

Wärmflaschen füllen und Decken ausbreiten – so könnte es in den Vorlesungssälen im Winter aussehen, glaubt die Studentin Natalie Schmelter. Das Wintersemester wird vor allem eins: kalt. Einige Unis verlängern sogar die Ferien, um Heizkosten zu sparen.

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Natalie Schmelter ist gerade in das erste Semester ihres Masterstudiums an der Technischen Hochschule Wildau (Dahme-Spreewald) gestartet. Durch Corona fand zwei Jahre lang kein richtiges Studentenleben statt. Aber so richtig losgehen kann es jetzt auch nicht: Krieg, Inflation und drohende Kälte belasten die 23-Jährige. Sie bereitet sich auf ein kaltes Wintersemester vor – und ein knappes Budget.

Ich glaube, in diesem Semester kommt ganz schön viel Kälte auf uns zu. Uns wurde schon gesagt, dass die Räume maximal auf 19 Grad geheizt werden, und das auch täglich nur bis 15 Uhr. Ich habe aber auch Vorlesungen nach 15 Uhr. Wir haben uns schon mit den Kommilitonen abgesprochen, dass wir uns Decken oder warmen Tee mitnehmen werden. Ich habe auch mehrere Module an einem Tag, sodass ich mehrere Stunden regungslos am Platz sitze. Und da weiß ich selbst: Mir wird dann kalt. Ich habe mir schon eine warme Hose und auch etwas wärmere Schuhe gekauft. Dann werde ich noch einen Schal einpacken und eine wärmere Jacke zusätzlich. Und vielleicht kaufe ich mir auch ein Heizkissen oder so etwas. Es kommt kein gutes Gefühl dabei auf, ich bin schon etwas verängstigt.

Es wurde auch ganz vorsichtig gewarnt, dass man – wenn Corona wiederkommt oder die Energiekrise sich noch stärker auswirkt – doch mehr zu Online wechselt. Aber davon wird erstmal nicht ausgegangen. Ich wünsche mir, dass es nicht zu einer Uni-Schließung kommt. Denn ich merke auch, dass viele Kommilitonen es richtig genießen, auf dem Campus zu sein und Freundschaften zu knüpfen, einfach mal Gesichter zu sehen und einen richtigen Austausch zu haben und auch auf Studentenpartys zu gehen. So geht es mir auch. Wenn das wegfällt, muss man sich noch einmal ganz anders motivieren, um gut durch das Studium zu kommen.

Die 200 Euro Unterstützung vom Staat sind schon cool. Ich nehme die auch sehr dankend an, die brauche ich auf jeden Fall. Aber es wird nicht ausreichen. Ich hätte mir eine Perspektive gewünscht, zum Beispiel gewisse Wärmeräume. Oder Bibliotheken, die warm sind, wo man hingehen und sich aufwärmen kann.

Ich habe auch schon überlegt, ob man sich zum Lernen trifft. Dass eine Kommilitonin heizt und man sich zu viert oder fünf bei ihr trifft. Sodass man eben Lerngruppen – Wärmelerngruppen – bildet. Ich habe auch schon überlegt, dass ich vielleicht in sehr kalten Phasen einfach mal öfter zu meinen Eltern gehe und in meiner Wohnung die Heizung ausmache.

Ich teile mir meine Wohnung mit meinem Freund. In Berlin eine Wohnung zu finden, ist fast unmöglich. Man nimmt einfach, was man bekommen kann. Da filtert man nicht nach Ölheizung oder Gas oder Fernwärme. Ich habe einfach das genommen, was ich bekommen habe und bin auch nicht ganz zufrieden.

Ich bin besorgt. Es wird hart, man legt schon ein bisschen was zurück, auch beim Konsumverhalten bin ich eher zurückhaltend. Oder ich achte doch nicht mehr so ganz auf die Qualität, sondern will einfach im Budget bleiben. Auch der Clubeintritt wird teurer, insgesamt Freizeit wird teurer.

Ich mache mir am meisten Sorgen, dass ich meine Lebensqualität verliere. Dass ich zurückstecken muss, dass ich nicht mehr so oft ausgehen und dass ich auch nicht mehr so gut und gesund kochen kann. Ich mache mir auch Sorgen, dass ich nicht mehr genügend Geld habe, um Dinge zu tun, die ich wirklich mag. Ich plane ein Auslandssemester und habe Angst, dass ich das vielleicht auch wegen der Kosten nicht mehr machen kann.

Manchmal habe ich so kurze Schrecksekunden. Wenn ich die Nachrichten anmache, fühle ich mich schon manchmal unwohl, denn ich kann nicht einschätzen: Was kommt auf uns zu? Aber ich versuche, mich davon nicht unterkriegen zu lassen. Ich lebe trotzdem mein Leben weiter: Ich gehe ab und zu noch in den Club und habe Spaß oder gehe raus und genieße die Sonne, solange sie da ist. Also: ich mache trotzdem das Beste aus der Situation.

Gesprächsprotokoll: Isabel Schönfelder

Sendung: Inforadio, 03.10.2022, 08.45 Uhr

Beitrag von Isabel Schönfelder

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