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Video: Abendschau | 16.01.2017 | Norbert Siegmund | Quelle: dpa/Maurizio Gambarini

Erste Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Bundestag will Behördenpannen im Fall Amri aufarbeiten

Im Fall Anis Amri ist bei den Sicherheitsbehörden einiges schief gelaufen. Zur Aufarbeitung fordert die CDU einen Untersuchungsausschuss, die SPD – darunter auch Berlins Innensenator Andreas Geisel – einen Sonderermittler. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags hat nun eine Taskforce eingesetzt.

Wäre der Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz zu verhindern gewesen, wenn die Sicherheitsbehörden besser zusammengearbeitet hätten? Am Montag beriet erstmals das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags über Versäumnisse im Fall Anis Amri. Den Abgeordneten lag für die Sondersitzung ein Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) vor. Dieser listet die polizeilichen Erkenntnisse über den späteren Attentäter in den Monaten vor dem Anschlag am 19. Dezember 2016 chronologisch auf. Daraus geht hervor, dass der 24-jährige Tunesier seit November 2015 regelmäßig im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden war.

Auf 18 Seiten schildert das BKA, wann und wie sich Behörden mit Amri beschäftigt haben: Der Islamist war allen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern als Gefährder bekannt. Er wurde monatelang von der Polizei observiert.

Doch trotz seiner Drogen- und Sozialdelikte wurde Amri nicht festgesetzt. Deswegen ging es in der Sondersitzung auch um die Gerüchte, der Verfassungsschutz habe Amri als V-Mann anwerben wollen. Bislang wurde dementiert, dass er ein V-Mann gewesen sei.

Berliner LKA hat nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen

Ende September 2016 hatte die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Terrorverdachts gegen Amri eingestellt. Dabei häuften sich Hinweise, dass der Tunesier Anschläge plante. "Klar ist, dass viele Ermittlungsbehörden, auch das Berliner LKA, Informationen hatten, bei denen man nachfragen muss, warum daraus nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden", so der innenpolitische Sprecher Benedikt Lux (Bündnis 90/Grüne) am Montag in der rbb-Abendschau. Als Anfang November 2016 im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern über den Fall Amri gesprochen wurde, saß Berlins Staatsschutz mit am Tisch. Die teilnehmenden Behörden sollten, so das Ergebnis, "Maßnahmen im Rahmen der eigenen Zuständigkeiten" fortsetzen.  

Nun will das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige PKGr eine sogenannte Taskforce zur weiteren Aufklärung einsetzen, wie der Vorsitzende des Gremiums, Clemens Binninger (CDU), am Montag mitteilte. Das Kontrollgremium verspricht sich von einer solchen Taskforce schnellere Ergebnisse als etwa durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Dass ein solcher Ausschuss zusätzlich eingesetzt wird, ist durch die Taskforce noch nicht vom Tisch.

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"Die Einrichtung eines Sonderermittlers halte ich für richtig"

Im Vorfeld der Sitzung waren Union und SPD darüber in Streit geraten, wie mögliche Fehler der Sicherheitsbehörden im Fall Anis Amri am besten und am schnellsten aufgeklärt werden können. Während die CDU einen Untersuchungsausschuss vorgeschlagen hat, sprach sich die SPD für einen unabhängigen Sonderermittler aus.

Wie Berlins Innensenator Andreas Geisel am Montag bekannt gab, befürworte er den Vorschlag des SPD-Bundesfraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, einen Sonderermittler einzusetzen. "Die Aufklärung im Fall Amri muss weitergehen. Die Einrichtung eines Sonderermittlers halte ich dabei für richtig und zielführend. Schon im NSU-Komplex hatten die Innenministerkonferenz und das Bundesinnenministerium gute Erfahrungen damit gemacht, unabhängige Ermittler mit der Aufarbeitung zu betrauen. Sie hatten seinerzeit schnell Ergebnisse vorgelegt; der NSU-Untersuchungsausschuss tagt heute noch."

Er unterstütze natürlich, so Geisel weiter, "sowohl einen Sonderermittler als auch einen Untersuchungsausschuss nach Kräften. Ich habe bereits letzte Woche gesagt, dass Berlin alles zur lückenlosen Aufklärung beitragen wird."

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CDU will Untersuchungsausschuss, SPD Sonderermittler

CDU-Fraktionschef Volker Kauder hatte zunächst einen Untersuchungsausschuss vorgeschlagen, um die Behördenpannen aufzuarbeiten. Er werde einen solchen Ausschuss "mit voller Kraft unterstützen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Kauders SPD-Kollege Thomas Oppermann hingegen hält einen unabhängigen Sonderermittler für wirksamer, um rasch Erkenntnisse zu gewinnen – wenngleich er offen sei für den Vorschlag der CDU. "Allen muss aber klar sein, dass dies ein langwieriges, monatelanges Verfahren werden wird", sagte Oppermann am Sonntag der "Bild am Sonntag". Ein Sonderermittler könnte einen ersten Bericht in sechs Wochen vorlegen: "Dann können wir Sicherheitslücken auch schnell schließen." Auch die FDP-Fraktion im NRW-Landtag forderte einen Sonderermittler.

Unionsfraktionschef Kauder sagte der Tageschau, er halte wenig von der Idee eines Sonderermittlers, unter anderem weil dieser kein parlamentarisches Instrument sei: "Der arbeitet vor sich hin. Und der Bundestag selber hat da gar keine Informationen."  

Fehler der Behörden

Bereits vergangenen Donnerstag hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Fehler im Umgang der Behörden mit Anis Amri eingeräumt. Beim Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember starben 12 Menschen und 50 wurden verletzt, als Anis Amri einen LKW in die Menschenmenge lenkte.

Am Mittwoch will sich der Innenausschuss des Bundestages mit dem Fall Amri befassen. Er ist am Mittwochnachmittag auch Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag.

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